jedem Schluck Whisky den deutschen Kaiser zu einem Importversuch von Aepfelwein aufforderte, oder die Tochter desselben um "den Zweck des Daseins" befragte. Einer abwesenden Person, deren Ankunft eben erwartet wurde, gedachte man unter dem Titel des "Rector magnificus", -- offenbar ein Scherzname gleich dem obigen, wie überhaupt der Geist jenes Humors, welcher mißliche Verhältnisse mit ihrem ironischen Gegenbilde aufzuheitern liebt, der Gesellschaft des grünen Baums nicht gänzlich versiegt zu sein schien.
In diesem Geiste redete der Pfälzer jetzt zu einem Ecktisch hinüber, der eben erst bedient wurde, und offenbar von jenen Chorsängern be¬ setzt war, welche dem tragischen Kunstgenusse Moorfeld's ein so schönes Nachspiel geliefert. Der Pfälzer forderte einen jener Tischgenossen auf: Henning, was bringst du uns Gutes mit? Laß dich hören! Wir ziehen wieder Mäuler, wie gebrühte Katzen.
Der Angeredete antwortete: Iß Käse! Käs erfreut des Men¬ schen Herz.
Wie auf ein Signal erhoben alle Tische ein Gelächter. Es war ersichtlich: der Mensch, der das gesprochen, war die lustige Person dieses Kreises. Er gehörte zu jener Sorte von Gesellschaftstalenten, welche, sie mögen thun oder lassen was sie wollen, ein- für allemale den Credit der komischen Kraft für sich haben. Gewöhnlich werden Spaßmacher dieses Genres schon durch ihre Persönlichkeit unterstützt. Henning, der Schriftsetzer, war eine lange, hagre Figur, schlotternd und scheinbar abgespannt bis zum Schatten eines Menschen. Was er sprach, trug er mit äußerster Gleichgiltigkeit vor, und in einem so hohlen Basse, wie ihn etwa Menschen annehmen, welche am Nikolaus- Abend den Kindern Gespenster vormachen. Seit seiner Geburt, wie er sagte "im letzten Stadium der Schwindsucht" begriffen, hatte er von dieser vielleicht wirklich jenes dumpfe Timbre seiner Stimme, so wie den hohläugigen groß-starrenden Blick, mit dessen fürchterlichem Rollen er nicht die geringste seiner komischen Wirkungen erzielte. Kurz, Herr Henning war einer jener beliebten Gesellschafter, welche Alles um sich her lauschen sehen, so wie sie den Mund öffnen, deren Anblick allein schon erheitert, deren Wort regelmäßig einen Chorus dankbaren Gelächters nach sich zieht, ohne Unterschied, ob es mehr oder weniger witzig gerathen ist, ja ob es nur immer verstanden wird,
jedem Schluck Whisky den deutſchen Kaiſer zu einem Importverſuch von Aepfelwein aufforderte, oder die Tochter deſſelben um „den Zweck des Daſeins“ befragte. Einer abweſenden Perſon, deren Ankunft eben erwartet wurde, gedachte man unter dem Titel des „Rector magnificus“, — offenbar ein Scherzname gleich dem obigen, wie überhaupt der Geiſt jenes Humors, welcher mißliche Verhältniſſe mit ihrem ironiſchen Gegenbilde aufzuheitern liebt, der Geſellſchaft des grünen Baums nicht gänzlich verſiegt zu ſein ſchien.
In dieſem Geiſte redete der Pfälzer jetzt zu einem Ecktiſch hinüber, der eben erſt bedient wurde, und offenbar von jenen Chorſängern be¬ ſetzt war, welche dem tragiſchen Kunſtgenuſſe Moorfeld's ein ſo ſchönes Nachſpiel geliefert. Der Pfälzer forderte einen jener Tiſchgenoſſen auf: Henning, was bringſt du uns Gutes mit? Laß dich hören! Wir ziehen wieder Mäuler, wie gebrühte Katzen.
Der Angeredete antwortete: Iß Käſe! Käs erfreut des Men¬ ſchen Herz.
Wie auf ein Signal erhoben alle Tiſche ein Gelächter. Es war erſichtlich: der Menſch, der das geſprochen, war die luſtige Perſon dieſes Kreiſes. Er gehörte zu jener Sorte von Geſellſchaftstalenten, welche, ſie mögen thun oder laſſen was ſie wollen, ein- für allemale den Credit der komiſchen Kraft für ſich haben. Gewöhnlich werden Spaßmacher dieſes Genres ſchon durch ihre Perſönlichkeit unterſtützt. Henning, der Schriftſetzer, war eine lange, hagre Figur, ſchlotternd und ſcheinbar abgeſpannt bis zum Schatten eines Menſchen. Was er ſprach, trug er mit äußerſter Gleichgiltigkeit vor, und in einem ſo hohlen Baſſe, wie ihn etwa Menſchen annehmen, welche am Nikolaus- Abend den Kindern Geſpenſter vormachen. Seit ſeiner Geburt, wie er ſagte „im letzten Stadium der Schwindſucht“ begriffen, hatte er von dieſer vielleicht wirklich jenes dumpfe Timbre ſeiner Stimme, ſo wie den hohläugigen groß-ſtarrenden Blick, mit deſſen fürchterlichem Rollen er nicht die geringſte ſeiner komiſchen Wirkungen erzielte. Kurz, Herr Henning war einer jener beliebten Geſellſchafter, welche Alles um ſich her lauſchen ſehen, ſo wie ſie den Mund öffnen, deren Anblick allein ſchon erheitert, deren Wort regelmäßig einen Chorus dankbaren Gelächters nach ſich zieht, ohne Unterſchied, ob es mehr oder weniger witzig gerathen iſt, ja ob es nur immer verſtanden wird,
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jedem Schluck Whisky den deutſchen Kaiſer zu einem Importverſuch
von Aepfelwein aufforderte, oder die Tochter deſſelben um „den Zweck
des Daſeins“ befragte. Einer abweſenden Perſon, deren Ankunft
eben erwartet wurde, gedachte man unter dem Titel des „Rector
magnificus“, — offenbar ein Scherzname gleich dem obigen, wie
überhaupt der Geiſt jenes Humors, welcher mißliche Verhältniſſe mit
ihrem ironiſchen Gegenbilde aufzuheitern liebt, der Geſellſchaft des
grünen Baums nicht gänzlich verſiegt zu ſein ſchien.
In dieſem Geiſte redete der Pfälzer jetzt zu einem Ecktiſch hinüber,
der eben erſt bedient wurde, und offenbar von jenen Chorſängern be¬
ſetzt war, welche dem tragiſchen Kunſtgenuſſe Moorfeld's ein ſo ſchönes
Nachſpiel geliefert. Der Pfälzer forderte einen jener Tiſchgenoſſen
auf: Henning, was bringſt du uns Gutes mit? Laß dich hören! Wir
ziehen wieder Mäuler, wie gebrühte Katzen.
Der Angeredete antwortete: Iß Käſe! Käs erfreut des Men¬
ſchen Herz.
Wie auf ein Signal erhoben alle Tiſche ein Gelächter. Es war
erſichtlich: der Menſch, der das geſprochen, war die luſtige Perſon
dieſes Kreiſes. Er gehörte zu jener Sorte von Geſellſchaftstalenten,
welche, ſie mögen thun oder laſſen was ſie wollen, ein- für allemale
den Credit der komiſchen Kraft für ſich haben. Gewöhnlich werden
Spaßmacher dieſes Genres ſchon durch ihre Perſönlichkeit unterſtützt.
Henning, der Schriftſetzer, war eine lange, hagre Figur, ſchlotternd
und ſcheinbar abgeſpannt bis zum Schatten eines Menſchen. Was er
ſprach, trug er mit äußerſter Gleichgiltigkeit vor, und in einem ſo
hohlen Baſſe, wie ihn etwa Menſchen annehmen, welche am Nikolaus-
Abend den Kindern Geſpenſter vormachen. Seit ſeiner Geburt, wie
er ſagte „im letzten Stadium der Schwindſucht“ begriffen, hatte er
von dieſer vielleicht wirklich jenes dumpfe Timbre ſeiner Stimme, ſo
wie den hohläugigen groß-ſtarrenden Blick, mit deſſen fürchterlichem
Rollen er nicht die geringſte ſeiner komiſchen Wirkungen erzielte.
Kurz, Herr Henning war einer jener beliebten Geſellſchafter, welche
Alles um ſich her lauſchen ſehen, ſo wie ſie den Mund öffnen, deren
Anblick allein ſchon erheitert, deren Wort regelmäßig einen Chorus
dankbaren Gelächters nach ſich zieht, ohne Unterſchied, ob es mehr
oder weniger witzig gerathen iſt, ja ob es nur immer verſtanden wird,
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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