Asche vor uns; Alles kommt auf den Geisteshauch an, der die Funken drinn anbläst. Ihr Muth, Ihr Wille, Ihre tapfere Entschlossenheit ist Alles, diese Papierschnitzel Nichts. Ein deutscher Professor, der ein deutscher Charakter war, pflegte seine Studiosen zu begrüßen: Guten Morgen, Henker, Büttel, Gerichtsdiener, Richter, Staatssecretäre, Minister, Kanzler! denn das Alles werden Sie machen aus sich, je nachdem Sie Ihr Collegium hören. Meine Herren, ich denke wir stimmen dem alten Taubmann bei; und so wollen wir zu unsrer Tagesordnung übergehen.
Er sichtete seine Papiere zurecht und fuhr fort: Ich habe in Er¬ fahrung gebracht, daß in den Kupferminen am obern See Bergleute gesucht werden. Eine Gesellschaft hier in Newyork schließt die Enga¬ gements ab und befördert gegen Vorauslage der Kosten an den Be¬ stimmungsort. Anmeldungen Murray-Street No. 218. Ich dachte an Sie, Herr Merbach.
Der Aufgeforderte antwortete langsam und unschlüssig: Ja -- aber -- in Freiberg baut man auf Silber Herr Rector. Ich weiß nicht --
Kupfer oder Silber, in euern Neugroschen läuft's auf eins hinaus, warf der Schriftsetzer dazwischen.
Benthal erwiederte: Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr Merbach, ein amerikanischer Kohlengräber aus Pennsylvanien baut in ein paar Wochen auf alles Mögliche. Er fragt nicht: bist du fähig? er greift zu und denkt: du wirst fähig. Aber freilich, wenn Sie diese Beschei¬ denheit in's Aufnahmsbureau mitbringen, so kostet sie Dollars. Man engagirt Sie nach der Höhe oder Niedrigkeit Ihres Selbstgefühls. Entdecken Sie dann an Ort und Stelle, daß Ihre deutsche Sinnigkeit viel gewandter sich in's Fremdartige findet, als Sie sich zugetraut, so steigern Sie zu spät. Im tiefsten Hinterland, abgeschnitten von aller Welt, ohne Reisegeld, sind Sie in den Händen des Geschäfts zu jedem Preis.
Der Sachse antwortete: Aufschneiden kann ich nicht, aber in mei¬ nem Fach soll mich Keiner klein bringen.
Benthal fuhr fort: Die Reise nach Albany kostet drei Dollars. Auf dem Eriekanal etwa fünf bis sechs. Von Buffalo nach Chicago, tausend englische Meilen, zahlt man nicht mehr als dreißig Dollars. Alles mit Verpflegung. Ich empfehle Ihnen, diese Preise zu merken, sonst
Aſche vor uns; Alles kommt auf den Geiſteshauch an, der die Funken drinn anbläſt. Ihr Muth, Ihr Wille, Ihre tapfere Entſchloſſenheit iſt Alles, dieſe Papierſchnitzel Nichts. Ein deutſcher Profeſſor, der ein deutſcher Charakter war, pflegte ſeine Studioſen zu begrüßen: Guten Morgen, Henker, Büttel, Gerichtsdiener, Richter, Staatsſecretäre, Miniſter, Kanzler! denn das Alles werden Sie machen aus ſich, je nachdem Sie Ihr Collegium hören. Meine Herren, ich denke wir ſtimmen dem alten Taubmann bei; und ſo wollen wir zu unſrer Tagesordnung übergehen.
Er ſichtete ſeine Papiere zurecht und fuhr fort: Ich habe in Er¬ fahrung gebracht, daß in den Kupferminen am obern See Bergleute geſucht werden. Eine Geſellſchaft hier in Newyork ſchließt die Enga¬ gements ab und befördert gegen Vorauslage der Koſten an den Be¬ ſtimmungsort. Anmeldungen Murray-Street No. 218. Ich dachte an Sie, Herr Merbach.
Der Aufgeforderte antwortete langſam und unſchlüſſig: Ja — aber — in Freiberg baut man auf Silber Herr Rector. Ich weiß nicht —
Kupfer oder Silber, in euern Neugroſchen läuft's auf eins hinaus, warf der Schriftſetzer dazwiſchen.
Benthal erwiederte: Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr Merbach, ein amerikaniſcher Kohlengräber aus Pennſylvanien baut in ein paar Wochen auf alles Mögliche. Er fragt nicht: biſt du fähig? er greift zu und denkt: du wirſt fähig. Aber freilich, wenn Sie dieſe Beſchei¬ denheit in's Aufnahmsbureau mitbringen, ſo koſtet ſie Dollars. Man engagirt Sie nach der Höhe oder Niedrigkeit Ihres Selbſtgefühls. Entdecken Sie dann an Ort und Stelle, daß Ihre deutſche Sinnigkeit viel gewandter ſich in's Fremdartige findet, als Sie ſich zugetraut, ſo ſteigern Sie zu ſpät. Im tiefſten Hinterland, abgeſchnitten von aller Welt, ohne Reiſegeld, ſind Sie in den Händen des Geſchäfts zu jedem Preis.
Der Sachſe antwortete: Aufſchneiden kann ich nicht, aber in mei¬ nem Fach ſoll mich Keiner klein bringen.
Benthal fuhr fort: Die Reiſe nach Albany koſtet drei Dollars. Auf dem Eriekanal etwa fünf bis ſechs. Von Buffalo nach Chicago, tauſend engliſche Meilen, zahlt man nicht mehr als dreißig Dollars. Alles mit Verpflegung. Ich empfehle Ihnen, dieſe Preiſe zu merken, ſonſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0127"n="109"/>
Aſche vor uns; Alles kommt auf den Geiſteshauch an, der die Funken<lb/>
drinn anbläſt. Ihr Muth, Ihr Wille, Ihre tapfere Entſchloſſenheit<lb/>
iſt Alles, dieſe Papierſchnitzel Nichts. Ein deutſcher Profeſſor, der<lb/>
ein deutſcher Charakter war, pflegte ſeine Studioſen zu begrüßen:<lb/>
Guten Morgen, Henker, Büttel, Gerichtsdiener, Richter, Staatsſecretäre,<lb/>
Miniſter, Kanzler! denn das Alles werden Sie machen aus ſich, je<lb/>
nachdem Sie Ihr Collegium hören. Meine Herren, ich denke wir<lb/>ſtimmen dem alten Taubmann bei; und ſo wollen wir zu unſrer<lb/>
Tagesordnung übergehen.</p><lb/><p>Er ſichtete ſeine Papiere zurecht und fuhr fort: Ich habe in Er¬<lb/>
fahrung gebracht, daß in den Kupferminen am obern See Bergleute<lb/>
geſucht werden. Eine Geſellſchaft hier in Newyork ſchließt die Enga¬<lb/>
gements ab und befördert gegen Vorauslage der Koſten an den Be¬<lb/>ſtimmungsort. Anmeldungen <hirendition="#aq">Murray-Street</hi> No. 218. Ich dachte<lb/>
an Sie, Herr Merbach.</p><lb/><p>Der Aufgeforderte antwortete langſam und unſchlüſſig: Ja — aber<lb/>— in Freiberg baut man auf Silber Herr <hirendition="#aq">Rector</hi>. Ich weiß nicht —</p><lb/><p>Kupfer oder Silber, in euern Neugroſchen läuft's auf eins hinaus,<lb/>
warf der Schriftſetzer dazwiſchen.</p><lb/><p>Benthal erwiederte: Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr Merbach,<lb/>
ein amerikaniſcher Kohlengräber aus Pennſylvanien baut in ein paar<lb/>
Wochen auf alles Mögliche. Er fragt nicht: biſt du fähig? er greift<lb/>
zu und denkt: du wirſt fähig. Aber freilich, wenn Sie dieſe Beſchei¬<lb/>
denheit in's Aufnahmsbureau mitbringen, ſo koſtet ſie Dollars. Man<lb/>
engagirt Sie nach der Höhe oder Niedrigkeit Ihres Selbſtgefühls.<lb/>
Entdecken Sie dann an Ort und Stelle, daß Ihre deutſche Sinnigkeit<lb/>
viel gewandter ſich in's Fremdartige findet, als Sie ſich zugetraut, ſo<lb/>ſteigern Sie zu ſpät. Im tiefſten Hinterland, abgeſchnitten von aller<lb/>
Welt, ohne Reiſegeld, ſind Sie in den Händen des Geſchäfts zu<lb/>
jedem Preis.</p><lb/><p>Der Sachſe antwortete: Aufſchneiden kann ich nicht, aber in mei¬<lb/>
nem Fach ſoll mich Keiner klein bringen.</p><lb/><p>Benthal fuhr fort: Die Reiſe nach Albany koſtet drei Dollars. Auf<lb/>
dem Eriekanal etwa fünf bis ſechs. Von Buffalo nach Chicago, tauſend<lb/>
engliſche Meilen, zahlt man nicht mehr als dreißig Dollars. Alles<lb/>
mit Verpflegung. Ich empfehle Ihnen, dieſe Preiſe zu merken, ſonſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[109/0127]
Aſche vor uns; Alles kommt auf den Geiſteshauch an, der die Funken
drinn anbläſt. Ihr Muth, Ihr Wille, Ihre tapfere Entſchloſſenheit
iſt Alles, dieſe Papierſchnitzel Nichts. Ein deutſcher Profeſſor, der
ein deutſcher Charakter war, pflegte ſeine Studioſen zu begrüßen:
Guten Morgen, Henker, Büttel, Gerichtsdiener, Richter, Staatsſecretäre,
Miniſter, Kanzler! denn das Alles werden Sie machen aus ſich, je
nachdem Sie Ihr Collegium hören. Meine Herren, ich denke wir
ſtimmen dem alten Taubmann bei; und ſo wollen wir zu unſrer
Tagesordnung übergehen.
Er ſichtete ſeine Papiere zurecht und fuhr fort: Ich habe in Er¬
fahrung gebracht, daß in den Kupferminen am obern See Bergleute
geſucht werden. Eine Geſellſchaft hier in Newyork ſchließt die Enga¬
gements ab und befördert gegen Vorauslage der Koſten an den Be¬
ſtimmungsort. Anmeldungen Murray-Street No. 218. Ich dachte
an Sie, Herr Merbach.
Der Aufgeforderte antwortete langſam und unſchlüſſig: Ja — aber
— in Freiberg baut man auf Silber Herr Rector. Ich weiß nicht —
Kupfer oder Silber, in euern Neugroſchen läuft's auf eins hinaus,
warf der Schriftſetzer dazwiſchen.
Benthal erwiederte: Ich gebe Ihnen mein Wort, Herr Merbach,
ein amerikaniſcher Kohlengräber aus Pennſylvanien baut in ein paar
Wochen auf alles Mögliche. Er fragt nicht: biſt du fähig? er greift
zu und denkt: du wirſt fähig. Aber freilich, wenn Sie dieſe Beſchei¬
denheit in's Aufnahmsbureau mitbringen, ſo koſtet ſie Dollars. Man
engagirt Sie nach der Höhe oder Niedrigkeit Ihres Selbſtgefühls.
Entdecken Sie dann an Ort und Stelle, daß Ihre deutſche Sinnigkeit
viel gewandter ſich in's Fremdartige findet, als Sie ſich zugetraut, ſo
ſteigern Sie zu ſpät. Im tiefſten Hinterland, abgeſchnitten von aller
Welt, ohne Reiſegeld, ſind Sie in den Händen des Geſchäfts zu
jedem Preis.
Der Sachſe antwortete: Aufſchneiden kann ich nicht, aber in mei¬
nem Fach ſoll mich Keiner klein bringen.
Benthal fuhr fort: Die Reiſe nach Albany koſtet drei Dollars. Auf
dem Eriekanal etwa fünf bis ſechs. Von Buffalo nach Chicago, tauſend
engliſche Meilen, zahlt man nicht mehr als dreißig Dollars. Alles
mit Verpflegung. Ich empfehle Ihnen, dieſe Preiſe zu merken, ſonſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/127>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.