Engagements! Fahren Sie nur fort in den Shout-Shops Arbeit zu suchen; aber lassen Sie sich merken, daß Sie die Verhältnisse kennen, daß Sie noch Subsistenzmittel haben, ziehen Sie ein patentes Röckchen an, auch wenn's geborgt wäre, -- und man wird Sie gerne an¬ nehmen, ohne daß Sie dem Teufel für die magre Season Ihre fette verschreiben. Probiren Sie's nur so.
Mir scheint, ich bin in dem gleichen Falle mit Herrn Eckerlein, hörte man die schwere Stimme eines Westphalen, die zu der schwäbischen Mundart des Würtembergers so markig contrastirte, daß Alles fast erschrocken aufblickte.
Sie sind? fragte Benthal.
In Deutschland war ich Tapezierer, antwortete der Westphale, was ich hier bin weiß Gott, ich nicht. Mein Bruder, der als Zimmer¬ maler im bischöflichen Schlosse zu Münster Brod hatte, wurde abge¬ dankt, weil er sich die Protestantin nicht ausreden ließ, da man ihm ein katholisch' Küchenmädchen zugedacht hatte. Indem er sich nun wegen der Auswanderung erkundigte, hieß es einstimmig: für Zim¬ mermaler wär's nichts, man hätte nur Tapeten drüben. Hollah, dacht' ich, denn ich stand schon zuvor sprungfertig, der Eimer, der nicht Wasser hält, mißt doch Hafer; das ist eine Hacke auf deinen Stiel. Ich geh' also voraus auf meine Profession, da sie die bessere ist, und sollte mich umthun, wie der zu Hause nachzubugsiren wäre: aber was find' ich? wollte Gott, ich säh' selbst wieder die Lippe fließen, statt North- und East-River! Die Tapezierer, oder wie man's hier heißt, die Paperhangers, haben nur drei Monat' im Jahr: April, Mai, Juni; -- das war just die Zeit meiner Ueberfahrt. Ich mußte also frischweg neun Monate warten -- Bagatell! in neun Monaten wird sonst zwei aus eins; ich aber wurde Null. Daß dich der Schwed! dacht' ich, sollte denn die Papierleimerei das ganze Geschäft hier sein? Matratzen haben Sie doch! So frag' ich nach Polstererarbeit. Die macht der Möbelschreiner, hieß es. Auch nicht übel! Ich geh' nun zum Möbelschreiner. Ob ich anstreichen und malen könnte! Mich trifft der Don¬ ner! Anstreichen und malen! ich mal' euch was! Am Ende fragt das Beest, ob der Tapezierer ein Glockengießer ist! Aber so geht's hier; Herr Bertling hat Recht, wahre Rattenkönige von Handwerk findet man hier. Das eine Fach ist oft auseinandergeschlagen, daß man die Scherben in
Engagements! Fahren Sie nur fort in den Shout-Shops Arbeit zu ſuchen; aber laſſen Sie ſich merken, daß Sie die Verhältniſſe kennen, daß Sie noch Subſiſtenzmittel haben, ziehen Sie ein patentes Röckchen an, auch wenn's geborgt wäre, — und man wird Sie gerne an¬ nehmen, ohne daß Sie dem Teufel für die magre Seaſon Ihre fette verſchreiben. Probiren Sie's nur ſo.
Mir ſcheint, ich bin in dem gleichen Falle mit Herrn Eckerlein, hörte man die ſchwere Stimme eines Weſtphalen, die zu der ſchwäbiſchen Mundart des Würtembergers ſo markig contraſtirte, daß Alles faſt erſchrocken aufblickte.
Sie ſind? fragte Benthal.
In Deutſchland war ich Tapezierer, antwortete der Weſtphale, was ich hier bin weiß Gott, ich nicht. Mein Bruder, der als Zimmer¬ maler im biſchöflichen Schloſſe zu Münſter Brod hatte, wurde abge¬ dankt, weil er ſich die Proteſtantin nicht ausreden ließ, da man ihm ein katholiſch' Küchenmädchen zugedacht hatte. Indem er ſich nun wegen der Auswanderung erkundigte, hieß es einſtimmig: für Zim¬ mermaler wär's nichts, man hätte nur Tapeten drüben. Hollah, dacht' ich, denn ich ſtand ſchon zuvor ſprungfertig, der Eimer, der nicht Waſſer hält, mißt doch Hafer; das iſt eine Hacke auf deinen Stiel. Ich geh' alſo voraus auf meine Profeſſion, da ſie die beſſere iſt, und ſollte mich umthun, wie der zu Hauſe nachzubugſiren wäre: aber was find' ich? wollte Gott, ich ſäh' ſelbſt wieder die Lippe fließen, ſtatt North- und Eaſt-River! Die Tapezierer, oder wie man's hier heißt, die Paperhangers, haben nur drei Monat' im Jahr: April, Mai, Juni; — das war juſt die Zeit meiner Ueberfahrt. Ich mußte alſo friſchweg neun Monate warten — Bagatell! in neun Monaten wird ſonſt zwei aus eins; ich aber wurde Null. Daß dich der Schwed! dacht' ich, ſollte denn die Papierleimerei das ganze Geſchäft hier ſein? Matratzen haben Sie doch! So frag' ich nach Polſtererarbeit. Die macht der Möbelſchreiner, hieß es. Auch nicht übel! Ich geh' nun zum Möbelſchreiner. Ob ich anſtreichen und malen könnte! Mich trifft der Don¬ ner! Anſtreichen und malen! ich mal' euch was! Am Ende fragt das Beeſt, ob der Tapezierer ein Glockengießer iſt! Aber ſo geht's hier; Herr Bertling hat Recht, wahre Rattenkönige von Handwerk findet man hier. Das eine Fach iſt oft auseinandergeſchlagen, daß man die Scherben in
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Engagements! Fahren Sie nur fort in den Shout-Shops Arbeit zu
ſuchen; aber laſſen Sie ſich merken, daß Sie die Verhältniſſe kennen,
daß Sie noch Subſiſtenzmittel haben, ziehen Sie ein patentes Röckchen
an, auch wenn's geborgt wäre, — und man wird Sie gerne an¬
nehmen, ohne daß Sie dem Teufel für die magre Seaſon Ihre fette
verſchreiben. Probiren Sie's nur ſo.
Mir ſcheint, ich bin in dem gleichen Falle mit Herrn Eckerlein,
hörte man die ſchwere Stimme eines Weſtphalen, die zu der ſchwäbiſchen
Mundart des Würtembergers ſo markig contraſtirte, daß Alles faſt
erſchrocken aufblickte.
Sie ſind? fragte Benthal.
In Deutſchland war ich Tapezierer, antwortete der Weſtphale, was
ich hier bin weiß Gott, ich nicht. Mein Bruder, der als Zimmer¬
maler im biſchöflichen Schloſſe zu Münſter Brod hatte, wurde abge¬
dankt, weil er ſich die Proteſtantin nicht ausreden ließ, da man ihm
ein katholiſch' Küchenmädchen zugedacht hatte. Indem er ſich nun
wegen der Auswanderung erkundigte, hieß es einſtimmig: für Zim¬
mermaler wär's nichts, man hätte nur Tapeten drüben. Hollah, dacht'
ich, denn ich ſtand ſchon zuvor ſprungfertig, der Eimer, der nicht
Waſſer hält, mißt doch Hafer; das iſt eine Hacke auf deinen Stiel.
Ich geh' alſo voraus auf meine Profeſſion, da ſie die beſſere iſt, und
ſollte mich umthun, wie der zu Hauſe nachzubugſiren wäre: aber was
find' ich? wollte Gott, ich ſäh' ſelbſt wieder die Lippe fließen, ſtatt
North- und Eaſt-River! Die Tapezierer, oder wie man's hier heißt,
die Paperhangers, haben nur drei Monat' im Jahr: April, Mai,
Juni; — das war juſt die Zeit meiner Ueberfahrt. Ich mußte alſo
friſchweg neun Monate warten — Bagatell! in neun Monaten wird
ſonſt zwei aus eins; ich aber wurde Null. Daß dich der Schwed!
dacht' ich, ſollte denn die Papierleimerei das ganze Geſchäft hier ſein?
Matratzen haben Sie doch! So frag' ich nach Polſtererarbeit. Die
macht der Möbelſchreiner, hieß es. Auch nicht übel! Ich geh' nun zum
Möbelſchreiner. Ob ich anſtreichen und malen könnte! Mich trifft der Don¬
ner! Anſtreichen und malen! ich mal' euch was! Am Ende fragt das Beeſt,
ob der Tapezierer ein Glockengießer iſt! Aber ſo geht's hier; Herr Bertling
hat Recht, wahre Rattenkönige von Handwerk findet man hier. Das
eine Fach iſt oft auseinandergeſchlagen, daß man die Scherben in
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/141>, abgerufen am 24.11.2024.
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