Das ist ja nicht möglich! Wovon leben denn die Weiber?
Vom Putz und von der Bibel.
Leider, Sie scheinen Recht zu haben. Aber Sie -- wovon leben Sie selbst.
Von meiner Pauline.
Gott segne sie! Es muß ein herrliches Mädchen sein, das Sie bei so viel Heldenkraft erhält. Ich bitte, erzählen Sie mir von ihr.
Es war einmal ein schönes Mädchen. Ich habe erzählt.
Klassischer Lacedemonier! Kleindeutschland hat Ihnen diesen Styl angewöhnt? Ein wahrer Pallisaden-Styl. Schroff, starr, Männer dahinter! Indeß der Frühling frägt nichts nach Pallisaden. Brauchen Sie zur Freundin einen Freund? Sie haben sich ihn heute erworben. Dann aber -- Herz um Herz! Gilt's?
Benthal antwortete: Es hat gegolten, in jenem ersten Augenblicke schon, als Sie in Mr. Mockingbird's Schule eintraten. Ihre ganze Erscheinung war mir ein Freimaurerzeichen, das ich zu beantworten dürstete. Ich bin stolz darauf, daß Sie das, was ich in Kleindeutsch¬ land zu wirken versuche, für meine Antwort halten wollen. Aber von Paulinen wollten Sie hören. Sie ist, wie Sie leicht schließen werden, keine Amerikanerin, sie ist eine Deutsche. Auf dem Auswanderer¬ schiffe wurde ich bekannt mit ihr. Und da es mir schwer werden dürfte, von einer so verschlossenen, nur in Thaten sich äußernden Na¬ tur Ihnen ein Bild zu entwerfen, so will ich lieber das Geschichtchen dieser Bekanntschaft selbst erzählen.
Sie finden den dankbarsten Zuhörer, antwortete Moorfeld.
Benthal fuhr fort:
Meine Geschichte spielt auf dem Verdecke des Kauffahrers, der mich von Havre nach Newyork bringt. Da zähle ich die Schritte auf und nieder, und sehe in das viele Wasser hinaus. Möwen, Delphine, fliegende Fische und das übrige Etcätera der See ist die einfache Aus¬ stattung der Scene. Bei heiterem Wetter kriechen aus Cajüte und Zwischendeck nach einander all die wohlbekannten Gesichter hervor, die man täglich mit stiller Freundlichkeit, mit resignirter Geduld grüßt, indem sich Jeder inwendig denkt: Ich wollte, ich sähe einmal was Anderes. Unter den Passagieren der Cajüte wandelt dann mit ihrem stillen, sittigen Frauenschritt eine ältere Dame -- unendlich ruhig, un¬
Das iſt ja nicht möglich! Wovon leben denn die Weiber?
Vom Putz und von der Bibel.
Leider, Sie ſcheinen Recht zu haben. Aber Sie — wovon leben Sie ſelbſt.
Von meiner Pauline.
Gott ſegne ſie! Es muß ein herrliches Mädchen ſein, das Sie bei ſo viel Heldenkraft erhält. Ich bitte, erzählen Sie mir von ihr.
Es war einmal ein ſchönes Mädchen. Ich habe erzählt.
Klaſſiſcher Lacedemonier! Kleindeutſchland hat Ihnen dieſen Styl angewöhnt? Ein wahrer Palliſaden-Styl. Schroff, ſtarr, Männer dahinter! Indeß der Frühling frägt nichts nach Palliſaden. Brauchen Sie zur Freundin einen Freund? Sie haben ſich ihn heute erworben. Dann aber — Herz um Herz! Gilt's?
Benthal antwortete: Es hat gegolten, in jenem erſten Augenblicke ſchon, als Sie in Mr. Mockingbird's Schule eintraten. Ihre ganze Erſcheinung war mir ein Freimaurerzeichen, das ich zu beantworten dürſtete. Ich bin ſtolz darauf, daß Sie das, was ich in Kleindeutſch¬ land zu wirken verſuche, für meine Antwort halten wollen. Aber von Paulinen wollten Sie hören. Sie iſt, wie Sie leicht ſchließen werden, keine Amerikanerin, ſie iſt eine Deutſche. Auf dem Auswanderer¬ ſchiffe wurde ich bekannt mit ihr. Und da es mir ſchwer werden dürfte, von einer ſo verſchloſſenen, nur in Thaten ſich äußernden Na¬ tur Ihnen ein Bild zu entwerfen, ſo will ich lieber das Geſchichtchen dieſer Bekanntſchaft ſelbſt erzählen.
Sie finden den dankbarſten Zuhörer, antwortete Moorfeld.
Benthal fuhr fort:
Meine Geſchichte ſpielt auf dem Verdecke des Kauffahrers, der mich von Havre nach Newyork bringt. Da zähle ich die Schritte auf und nieder, und ſehe in das viele Waſſer hinaus. Möwen, Delphine, fliegende Fiſche und das übrige Etcätera der See iſt die einfache Aus¬ ſtattung der Scene. Bei heiterem Wetter kriechen aus Cajüte und Zwiſchendeck nach einander all die wohlbekannten Geſichter hervor, die man täglich mit ſtiller Freundlichkeit, mit reſignirter Geduld grüßt, indem ſich Jeder inwendig denkt: Ich wollte, ich ſähe einmal was Anderes. Unter den Paſſagieren der Cajüte wandelt dann mit ihrem ſtillen, ſittigen Frauenſchritt eine ältere Dame — unendlich ruhig, un¬
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Das iſt ja nicht möglich! Wovon leben denn die Weiber?
Vom Putz und von der Bibel.
Leider, Sie ſcheinen Recht zu haben. Aber Sie — wovon leben
Sie ſelbſt.
Von meiner Pauline.
Gott ſegne ſie! Es muß ein herrliches Mädchen ſein, das Sie bei
ſo viel Heldenkraft erhält. Ich bitte, erzählen Sie mir von ihr.
Es war einmal ein ſchönes Mädchen. Ich habe erzählt.
Klaſſiſcher Lacedemonier! Kleindeutſchland hat Ihnen dieſen Styl
angewöhnt? Ein wahrer Palliſaden-Styl. Schroff, ſtarr, Männer
dahinter! Indeß der Frühling frägt nichts nach Palliſaden. Brauchen
Sie zur Freundin einen Freund? Sie haben ſich ihn heute erworben.
Dann aber — Herz um Herz! Gilt's?
Benthal antwortete: Es hat gegolten, in jenem erſten Augenblicke
ſchon, als Sie in Mr. Mockingbird's Schule eintraten. Ihre ganze
Erſcheinung war mir ein Freimaurerzeichen, das ich zu beantworten
dürſtete. Ich bin ſtolz darauf, daß Sie das, was ich in Kleindeutſch¬
land zu wirken verſuche, für meine Antwort halten wollen. Aber von
Paulinen wollten Sie hören. Sie iſt, wie Sie leicht ſchließen werden,
keine Amerikanerin, ſie iſt eine Deutſche. Auf dem Auswanderer¬
ſchiffe wurde ich bekannt mit ihr. Und da es mir ſchwer werden
dürfte, von einer ſo verſchloſſenen, nur in Thaten ſich äußernden Na¬
tur Ihnen ein Bild zu entwerfen, ſo will ich lieber das Geſchichtchen
dieſer Bekanntſchaft ſelbſt erzählen.
Sie finden den dankbarſten Zuhörer, antwortete Moorfeld.
Benthal fuhr fort:
Meine Geſchichte ſpielt auf dem Verdecke des Kauffahrers, der mich
von Havre nach Newyork bringt. Da zähle ich die Schritte auf und
nieder, und ſehe in das viele Waſſer hinaus. Möwen, Delphine,
fliegende Fiſche und das übrige Etcätera der See iſt die einfache Aus¬
ſtattung der Scene. Bei heiterem Wetter kriechen aus Cajüte und
Zwiſchendeck nach einander all die wohlbekannten Geſichter hervor, die
man täglich mit ſtiller Freundlichkeit, mit reſignirter Geduld grüßt,
indem ſich Jeder inwendig denkt: Ich wollte, ich ſähe einmal was
Anderes. Unter den Paſſagieren der Cajüte wandelt dann mit ihrem
ſtillen, ſittigen Frauenſchritt eine ältere Dame — unendlich ruhig, un¬
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/155>, abgerufen am 24.11.2024.
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