erscheint wie ein Nützlichkeitsprincip, wie eine dynamische Kraft nach Ihren Worten. Aber freilich sprechen Sie nicht von der Liebe, son¬ dern von einer Liebe. Uns lyrischen Luxusmenschen ist Liebe, nicht Preis und Ziel eines Kampfes, sondern in sich selbst Kampf, ja, der Siede¬ punkt jenes Kampfes, welchen Geist und Natur (denn das sind ja Mann und Weib) in ihrer ewigen Gegensätzlichkeit mit einander aus¬ zukämpfen haben. Das ist eine heiße Bataille. Es ist etwas Dämonisches um die Liebe; was sag' ich, geradezu Feindliches, auf gegenseitige Ver¬ nichtung Ausgehendes; aber darin liegt eben der Genuß; das ist die be¬ rühmte Süßigkeit der Liebe, daß sie eine Extremität bezeichnet, eine Affaire, wo's um den Hals geht. So versteh' ich von Europa her die Liebe, wo man seine Kräfte hat, um den Himmel zu stürmen, und die Hölle zu verdienen. Hier wo es gilt, die Erde in Besitz zu nehmen, ist's freilich was Anderes. Hier gibt's außerhalb Kampf genug; hier sind allerdings Sie im Rechte, wenn Sie die Weiblichkeit als etwas Fertiges empfinden, als reine einfache Beseligung.
Ich nehme Ihren poetischen Protest doch nicht ungern zu Protocoll, antwortete Benthal. Ach, so wohlthuend ist die Erscheinung hier, die Sie lyrischer Luxusmensch nennen! Ueberhaupt macht der Euro¬ päer in Amerika den vornehmen Eindruck eines grand Seigneur. Da ist so viel Ueberfluß, so viel Unnöthiges, Unfruchtbares! Seine ganze moralische Landschaft ist wie eine Parkanlage; ein Sperling fin¬ det kein Kirschchen darin, aber ein Torquato Tasso die Stanzen des befreiten Jerusalems.
Bravo, rief Moorfeld, einen Lorbeerkranz für dieses Wort! Ich glaube, Sie werden vollständig die Aufgabe lösen, die Sie unsern Landslenten dort proclamirt haben: deutscher Geist, amerikanischer Arm!
Ich möchte es versuchen, sagte Benthal. Ja, lassen Sie mich's machen wie der Ruderer: -- das Ufer, dem er zusteuert, hat er im Rücken, wovon er abstößt, im Angesicht. Lassen Sie mich in Amerika anlanden, das Auge geheftet auf Europa und seine besten Vertreter. Er drückte seinem Begleiter die Hand.
Was mich betrifft, antwortete Moorfeld, so bin ich fast in gleicher Lage, nur umgekehrt. Wir müssen nothwendig mit einander gehen.
Unsere neuen Freunde waren während dieses Gespräches wieder in der Nähe des Theaters, von welchem Moorfeld ausgegangen, ange¬
erſcheint wie ein Nützlichkeitsprincip, wie eine dynamiſche Kraft nach Ihren Worten. Aber freilich ſprechen Sie nicht von der Liebe, ſon¬ dern von einer Liebe. Uns lyriſchen Luxusmenſchen iſt Liebe, nicht Preis und Ziel eines Kampfes, ſondern in ſich ſelbſt Kampf, ja, der Siede¬ punkt jenes Kampfes, welchen Geiſt und Natur (denn das ſind ja Mann und Weib) in ihrer ewigen Gegenſätzlichkeit mit einander aus¬ zukämpfen haben. Das iſt eine heiße Bataille. Es iſt etwas Dämoniſches um die Liebe; was ſag' ich, geradezu Feindliches, auf gegenſeitige Ver¬ nichtung Ausgehendes; aber darin liegt eben der Genuß; das iſt die be¬ rühmte Süßigkeit der Liebe, daß ſie eine Extremität bezeichnet, eine Affaire, wo's um den Hals geht. So verſteh' ich von Europa her die Liebe, wo man ſeine Kräfte hat, um den Himmel zu ſtürmen, und die Hölle zu verdienen. Hier wo es gilt, die Erde in Beſitz zu nehmen, iſt's freilich was Anderes. Hier gibt's außerhalb Kampf genug; hier ſind allerdings Sie im Rechte, wenn Sie die Weiblichkeit als etwas Fertiges empfinden, als reine einfache Beſeligung.
Ich nehme Ihren poetiſchen Proteſt doch nicht ungern zu Protocoll, antwortete Benthal. Ach, ſo wohlthuend iſt die Erſcheinung hier, die Sie lyriſcher Luxusmenſch nennen! Ueberhaupt macht der Euro¬ päer in Amerika den vornehmen Eindruck eines grand Seigneur. Da iſt ſo viel Ueberfluß, ſo viel Unnöthiges, Unfruchtbares! Seine ganze moraliſche Landſchaft iſt wie eine Parkanlage; ein Sperling fin¬ det kein Kirſchchen darin, aber ein Torquato Taſſo die Stanzen des befreiten Jeruſalems.
Bravo, rief Moorfeld, einen Lorbeerkranz für dieſes Wort! Ich glaube, Sie werden vollſtändig die Aufgabe löſen, die Sie unſern Landslenten dort proclamirt haben: deutſcher Geiſt, amerikaniſcher Arm!
Ich möchte es verſuchen, ſagte Benthal. Ja, laſſen Sie mich's machen wie der Ruderer: — das Ufer, dem er zuſteuert, hat er im Rücken, wovon er abſtößt, im Angeſicht. Laſſen Sie mich in Amerika anlanden, das Auge geheftet auf Europa und ſeine beſten Vertreter. Er drückte ſeinem Begleiter die Hand.
Was mich betrifft, antwortete Moorfeld, ſo bin ich faſt in gleicher Lage, nur umgekehrt. Wir müſſen nothwendig mit einander gehen.
Unſere neuen Freunde waren während dieſes Geſpräches wieder in der Nähe des Theaters, von welchem Moorfeld ausgegangen, ange¬
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Ihren Worten. Aber freilich ſprechen Sie nicht von der Liebe, ſon¬
dern von einer Liebe. Uns lyriſchen Luxusmenſchen iſt Liebe, nicht Preis
und Ziel eines Kampfes, ſondern in ſich ſelbſt Kampf, ja, der Siede¬
punkt jenes Kampfes, welchen Geiſt und Natur (denn das ſind ja
Mann und Weib) in ihrer ewigen Gegenſätzlichkeit mit einander aus¬
zukämpfen haben. Das iſt eine heiße Bataille. Es iſt etwas Dämoniſches
um die Liebe; was ſag' ich, geradezu Feindliches, auf gegenſeitige Ver¬
nichtung Ausgehendes; aber darin liegt eben der Genuß; das iſt die be¬
rühmte Süßigkeit der Liebe, daß ſie eine Extremität bezeichnet, eine Affaire,
wo's um den Hals geht. So verſteh' ich von Europa her die Liebe, wo
man ſeine Kräfte hat, um den Himmel zu ſtürmen, und die Hölle zu
verdienen. Hier wo es gilt, die Erde in Beſitz zu nehmen, iſt's freilich was
Anderes. Hier gibt's außerhalb Kampf genug; hier ſind allerdings Sie
im Rechte, wenn Sie die Weiblichkeit als etwas Fertiges empfinden,
als reine einfache Beſeligung.
Ich nehme Ihren poetiſchen Proteſt doch nicht ungern zu Protocoll,
antwortete Benthal. Ach, ſo wohlthuend iſt die Erſcheinung hier,
die Sie lyriſcher Luxusmenſch nennen! Ueberhaupt macht der Euro¬
päer in Amerika den vornehmen Eindruck eines grand Seigneur.
Da iſt ſo viel Ueberfluß, ſo viel Unnöthiges, Unfruchtbares! Seine
ganze moraliſche Landſchaft iſt wie eine Parkanlage; ein Sperling fin¬
det kein Kirſchchen darin, aber ein Torquato Taſſo die Stanzen des
befreiten Jeruſalems.
Bravo, rief Moorfeld, einen Lorbeerkranz für dieſes Wort! Ich
glaube, Sie werden vollſtändig die Aufgabe löſen, die Sie unſern
Landslenten dort proclamirt haben: deutſcher Geiſt, amerikaniſcher Arm!
Ich möchte es verſuchen, ſagte Benthal. Ja, laſſen Sie mich's
machen wie der Ruderer: — das Ufer, dem er zuſteuert, hat er im
Rücken, wovon er abſtößt, im Angeſicht. Laſſen Sie mich in Amerika
anlanden, das Auge geheftet auf Europa und ſeine beſten Vertreter.
Er drückte ſeinem Begleiter die Hand.
Was mich betrifft, antwortete Moorfeld, ſo bin ich faſt in gleicher
Lage, nur umgekehrt. Wir müſſen nothwendig mit einander gehen.
Unſere neuen Freunde waren während dieſes Geſpräches wieder in
der Nähe des Theaters, von welchem Moorfeld ausgegangen, ange¬
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/160>, abgerufen am 24.11.2024.
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