Bürgerkriege wohl nicht sämmtlich Männer von Washington's Tugend oder Mittelmäßigkeit sein. Militär-Dictatur war immer der Steig¬ bügel zur Monarchie und wie die genannten Staaten die besitzreichsten sind, diejenigen die am meisten zu verlieren haben, so wird ihr stär¬ keres Interesse für den Frieden sie auch am ehesten geneigt machen, abzuschließen und unter irgend einer Form, ich sage unter irgend einer ihr wichtiges Güterleben in Sicherheit zu bringen. Vielleicht, daß sogar schon die erste Panique über den Bruch der Union, über die Entzauberung ihres allmächtigen Talismans sie zur Beute des Usurpators macht. Derselbe wird ja ohnedies als Republikaner an¬ fangen; er wird hier Protector, dort Consul, am dritten Orte Prä¬ sident heißen, er wird hier rascher, dort langsamer an seiner Krone schmieden, überall aber wird sie fertig werden."
Hier legte Benthal sein Manuscript nieder und sagte: An diesem Punkte bin ich einstweilen zu Ende mit meiner Lectüre, wenngleich nicht mit dem Aufsatze selbst. Ich werde im Folgenden noch der Sclaven-Verhältnisse gedenken, die ich bei den Schlagwörtern Carolina- Fieber und Nullification im Contexte noch zur Seite liegen ließ. Es gebührte diesem Thema eine eigene Ausführung. Es ist in doppelter Beziehung verhängnißvoll für den Bestand der Union, nämlich erstens als religiös-humanistische Frage, wobei der Norden die Bekämpfung des Südens als Gewissenssache führt; dann aber auch als national¬ ökonomische, wobei Sclaven- und Nicht-Sclavenstaaten dadurch feindlich zusammentreffen, daß jene für den Freihandel, diese aber für den Zoll¬ tarif interessirt sind. Ohne das Sallmann'sche Pamphlet hätte ich diese Schlußstelle wahrscheinlich heute noch ausgeführt; entschuldigen Sie nun, daß Sie ein Bruchstück gehört haben.
Bei Gott, ein Bruchstück! rief Moorfeld unter der Last des Ge¬ hörten -- Alles geht ja hier in die Brüche!
Bei diesem Worte wendete sich Pauline an Benthal: Hast du nicht etwas zu streng geurtheilt? fragte sie bescheiden. Moorfeld fühlte die ganze Aufmerksamkeit dieser Frage für sich. Er vergalt der Fragenden mit einem dankbaren Blicke. Aber des Mädchens Auge war niedergeschlagen, sie konnte seinen Blick nicht gesehen haben. Deßungeachtet erröthete sie.
Benthal sagte zu Moorfeld: Nun, richten Sie den Richter! Wie passiren mir meine Negationen?
Bürgerkriege wohl nicht ſämmtlich Männer von Waſhington's Tugend oder Mittelmäßigkeit ſein. Militär-Dictatur war immer der Steig¬ bügel zur Monarchie und wie die genannten Staaten die beſitzreichſten ſind, diejenigen die am meiſten zu verlieren haben, ſo wird ihr ſtär¬ keres Intereſſe für den Frieden ſie auch am eheſten geneigt machen, abzuſchließen und unter irgend einer Form, ich ſage unter irgend einer ihr wichtiges Güterleben in Sicherheit zu bringen. Vielleicht, daß ſogar ſchon die erſte Panique über den Bruch der Union, über die Entzauberung ihres allmächtigen Talismans ſie zur Beute des Uſurpators macht. Derſelbe wird ja ohnedies als Republikaner an¬ fangen; er wird hier Protector, dort Conſul, am dritten Orte Prä¬ ſident heißen, er wird hier raſcher, dort langſamer an ſeiner Krone ſchmieden, überall aber wird ſie fertig werden.“
Hier legte Benthal ſein Manuſcript nieder und ſagte: An dieſem Punkte bin ich einſtweilen zu Ende mit meiner Lectüre, wenngleich nicht mit dem Aufſatze ſelbſt. Ich werde im Folgenden noch der Sclaven-Verhältniſſe gedenken, die ich bei den Schlagwörtern Carolina- Fieber und Nullification im Contexte noch zur Seite liegen ließ. Es gebührte dieſem Thema eine eigene Ausführung. Es iſt in doppelter Beziehung verhängnißvoll für den Beſtand der Union, nämlich erſtens als religiös-humaniſtiſche Frage, wobei der Norden die Bekämpfung des Südens als Gewiſſensſache führt; dann aber auch als national¬ ökonomiſche, wobei Sclaven- und Nicht-Sclavenſtaaten dadurch feindlich zuſammentreffen, daß jene für den Freihandel, dieſe aber für den Zoll¬ tarif intereſſirt ſind. Ohne das Sallmann'ſche Pamphlet hätte ich dieſe Schlußſtelle wahrſcheinlich heute noch ausgeführt; entſchuldigen Sie nun, daß Sie ein Bruchſtück gehört haben.
Bei Gott, ein Bruchſtück! rief Moorfeld unter der Laſt des Ge¬ hörten — Alles geht ja hier in die Brüche!
Bei dieſem Worte wendete ſich Pauline an Benthal: Haſt du nicht etwas zu ſtreng geurtheilt? fragte ſie beſcheiden. Moorfeld fühlte die ganze Aufmerkſamkeit dieſer Frage für ſich. Er vergalt der Fragenden mit einem dankbaren Blicke. Aber des Mädchens Auge war niedergeſchlagen, ſie konnte ſeinen Blick nicht geſehen haben. Deßungeachtet erröthete ſie.
Benthal ſagte zu Moorfeld: Nun, richten Sie den Richter! Wie paſſiren mir meine Negationen?
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0192"n="174"/>
Bürgerkriege wohl nicht ſämmtlich Männer von Waſhington's Tugend<lb/>
oder Mittelmäßigkeit ſein. Militär-Dictatur war immer der Steig¬<lb/>
bügel zur Monarchie und wie die genannten Staaten die beſitzreichſten<lb/>ſind, diejenigen die am meiſten zu verlieren haben, ſo wird ihr ſtär¬<lb/>
keres Intereſſe für den Frieden ſie auch am eheſten geneigt machen,<lb/>
abzuſchließen und unter irgend einer Form, ich ſage unter <hirendition="#g">irgend<lb/>
einer</hi> ihr wichtiges Güterleben in Sicherheit zu bringen. Vielleicht,<lb/>
daß ſogar ſchon die erſte Panique über den Bruch der Union, über<lb/>
die Entzauberung ihres allmächtigen Talismans ſie zur Beute des<lb/>
Uſurpators macht. Derſelbe wird ja ohnedies als Republikaner an¬<lb/>
fangen; er wird hier Protector, dort Conſul, am dritten Orte Prä¬<lb/>ſident heißen, er wird hier raſcher, dort langſamer an ſeiner Krone<lb/>ſchmieden, überall aber wird ſie fertig werden.“</p><lb/><p>Hier legte Benthal ſein Manuſcript nieder und ſagte: An dieſem<lb/>
Punkte bin ich einſtweilen zu Ende mit meiner Lectüre, wenngleich<lb/>
nicht mit dem Aufſatze ſelbſt. Ich werde im Folgenden noch der<lb/>
Sclaven-Verhältniſſe gedenken, die ich bei den Schlagwörtern Carolina-<lb/>
Fieber und Nullification im Contexte noch zur Seite liegen ließ. Es<lb/>
gebührte dieſem Thema eine eigene Ausführung. Es iſt in doppelter<lb/>
Beziehung verhängnißvoll für den Beſtand der Union, nämlich erſtens<lb/>
als religiös-humaniſtiſche Frage, wobei der Norden die Bekämpfung<lb/>
des Südens als Gewiſſensſache führt; dann aber auch als national¬<lb/>
ökonomiſche, wobei Sclaven- und Nicht-Sclavenſtaaten dadurch feindlich<lb/>
zuſammentreffen, daß jene für den Freihandel, dieſe aber für den Zoll¬<lb/>
tarif intereſſirt ſind. Ohne das Sallmann'ſche Pamphlet hätte ich<lb/>
dieſe Schlußſtelle wahrſcheinlich heute noch ausgeführt; entſchuldigen<lb/>
Sie nun, daß Sie ein Bruchſtück gehört haben.</p><lb/><p>Bei Gott, ein <hirendition="#g">Bruch</hi>ſtück! rief Moorfeld unter der Laſt des Ge¬<lb/>
hörten — Alles geht ja hier in die Brüche!</p><lb/><p>Bei dieſem Worte wendete ſich Pauline an Benthal: Haſt du nicht<lb/>
etwas zu ſtreng geurtheilt? fragte ſie beſcheiden. Moorfeld fühlte die ganze<lb/>
Aufmerkſamkeit dieſer Frage für ſich. Er vergalt der Fragenden mit einem<lb/>
dankbaren Blicke. Aber des Mädchens Auge war niedergeſchlagen, ſie<lb/>
konnte ſeinen Blick nicht geſehen haben. Deßungeachtet erröthete ſie.</p><lb/><p>Benthal ſagte zu Moorfeld: Nun, richten Sie den Richter! Wie<lb/>
paſſiren mir meine Negationen?</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[174/0192]
Bürgerkriege wohl nicht ſämmtlich Männer von Waſhington's Tugend
oder Mittelmäßigkeit ſein. Militär-Dictatur war immer der Steig¬
bügel zur Monarchie und wie die genannten Staaten die beſitzreichſten
ſind, diejenigen die am meiſten zu verlieren haben, ſo wird ihr ſtär¬
keres Intereſſe für den Frieden ſie auch am eheſten geneigt machen,
abzuſchließen und unter irgend einer Form, ich ſage unter irgend
einer ihr wichtiges Güterleben in Sicherheit zu bringen. Vielleicht,
daß ſogar ſchon die erſte Panique über den Bruch der Union, über
die Entzauberung ihres allmächtigen Talismans ſie zur Beute des
Uſurpators macht. Derſelbe wird ja ohnedies als Republikaner an¬
fangen; er wird hier Protector, dort Conſul, am dritten Orte Prä¬
ſident heißen, er wird hier raſcher, dort langſamer an ſeiner Krone
ſchmieden, überall aber wird ſie fertig werden.“
Hier legte Benthal ſein Manuſcript nieder und ſagte: An dieſem
Punkte bin ich einſtweilen zu Ende mit meiner Lectüre, wenngleich
nicht mit dem Aufſatze ſelbſt. Ich werde im Folgenden noch der
Sclaven-Verhältniſſe gedenken, die ich bei den Schlagwörtern Carolina-
Fieber und Nullification im Contexte noch zur Seite liegen ließ. Es
gebührte dieſem Thema eine eigene Ausführung. Es iſt in doppelter
Beziehung verhängnißvoll für den Beſtand der Union, nämlich erſtens
als religiös-humaniſtiſche Frage, wobei der Norden die Bekämpfung
des Südens als Gewiſſensſache führt; dann aber auch als national¬
ökonomiſche, wobei Sclaven- und Nicht-Sclavenſtaaten dadurch feindlich
zuſammentreffen, daß jene für den Freihandel, dieſe aber für den Zoll¬
tarif intereſſirt ſind. Ohne das Sallmann'ſche Pamphlet hätte ich
dieſe Schlußſtelle wahrſcheinlich heute noch ausgeführt; entſchuldigen
Sie nun, daß Sie ein Bruchſtück gehört haben.
Bei Gott, ein Bruchſtück! rief Moorfeld unter der Laſt des Ge¬
hörten — Alles geht ja hier in die Brüche!
Bei dieſem Worte wendete ſich Pauline an Benthal: Haſt du nicht
etwas zu ſtreng geurtheilt? fragte ſie beſcheiden. Moorfeld fühlte die ganze
Aufmerkſamkeit dieſer Frage für ſich. Er vergalt der Fragenden mit einem
dankbaren Blicke. Aber des Mädchens Auge war niedergeſchlagen, ſie
konnte ſeinen Blick nicht geſehen haben. Deßungeachtet erröthete ſie.
Benthal ſagte zu Moorfeld: Nun, richten Sie den Richter! Wie
paſſiren mir meine Negationen?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/192>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.