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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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ihnen einen öffentlichen Charakter verliehe. Kurz, ich kann mich zu
dieser Avance nicht entschließen. Auch denk' ich der dringendsten Nö¬
thigung überhoben zu sein. Die eigentlichen Kämpfe sind bestanden.

Moorfeld ahnte in letzterem Worte, was gleich im Entree dieses
Hauses zum lebhaftesten Gefühle kommt, und versagte seinem Wirthe
die Anerkennung nicht, es laut auszusprechen. Er bewunderte vor
allem Bennet's Muth, seine Kunstpflege so rein durchgeführt zu ha¬
ben, daß er auch dem höchsten aber zartesten Stoff der Kunst, den
Darstellungen des Nackten, nicht aus dem Wege gegangen sei, ein
Muth, der den flüchtigsten Kenner der hiesigen Sitten noch mehr über¬
raschte, als das Vorhandensein dieser Kunstpflege selbst. Und ich bin
ein Mann, der drei Töchter hat! antwortete Bennet, gedenken wir
dieses Umstands nicht zuletzt, mein Herr. Jede Verdammungsthesis
wider mich fand ihren Vorder-, Mittel- und Schlußsatz in meinem
eigenen Hause. Ja, mein Herr, General Jackson hat viel Muth bei
New-Orleans bewiesen, gegen die Bank noch mehr, aber gegen die
Prüderie ich den meisten. Und doch macht mich Niemand zum Prä¬
sidenten dafür, ich bin froh, daß ich das Leben davontrage, das nackte
Leben! scherzte der aufgeweckte Mann mit einem wohlangebrachten
Sinnspiele. Er fuhr sich mit einem echt französischen Wurf durch den
Busch seiner Stirnhaare, wobei der Solitär an seiner Hand, gleich
einem Stern aus Wolken blitzte, und sagte, wie im Andenken großer
Erinnerungen: Zweimal spielt' ich va banque mit meinem Leben,
zweimal warf ich den Würfel eines kühnen Entschlusses über meine bürger¬
liche Existenz. Das erstemal war's eine Handelsunternehmung. Ich be¬
frachtete mit einem kleinen oder auch großen Capital -- denn es war
mein ganzes väterliches Erbe -- ein Schiff nach der Habanna in
Seide. Ich war vierzehn Jahre, mein Steuermann siebenzehn. Wir
hatten einen luckigen Eindecker, der kaum noch See hielt, dazu Gegen¬
wind aus Südwest, und um schneller reich zu werden, sparte ich auch
noch die Assecuranz. Kurz, ein completer Knabenstreich. In Europa
hätte man uns mit der Ruthe nach Hause gejagt, hier standen die
Leute am Ufer und wetteten um den Punkt, wo wir scheitern mußten.
By Jasus! am Cap Hatteras! schrie der Eine; Good damn! sie
kommen nicht über Shandy-Hoock, fluchte der Andre; 'pon honour!
im Florida-Golfstrom gehen sie auf den Grund, betheuerte der Dritte.

ihnen einen öffentlichen Charakter verliehe. Kurz, ich kann mich zu
dieſer Avance nicht entſchließen. Auch denk' ich der dringendſten Nö¬
thigung überhoben zu ſein. Die eigentlichen Kämpfe ſind beſtanden.

Moorfeld ahnte in letzterem Worte, was gleich im Entree dieſes
Hauſes zum lebhafteſten Gefühle kommt, und verſagte ſeinem Wirthe
die Anerkennung nicht, es laut auszuſprechen. Er bewunderte vor
allem Bennet's Muth, ſeine Kunſtpflege ſo rein durchgeführt zu ha¬
ben, daß er auch dem höchſten aber zarteſten Stoff der Kunſt, den
Darſtellungen des Nackten, nicht aus dem Wege gegangen ſei, ein
Muth, der den flüchtigſten Kenner der hieſigen Sitten noch mehr über¬
raſchte, als das Vorhandenſein dieſer Kunſtpflege ſelbſt. Und ich bin
ein Mann, der drei Töchter hat! antwortete Bennet, gedenken wir
dieſes Umſtands nicht zuletzt, mein Herr. Jede Verdammungstheſis
wider mich fand ihren Vorder-, Mittel- und Schlußſatz in meinem
eigenen Hauſe. Ja, mein Herr, General Jackſon hat viel Muth bei
New-Orleans bewieſen, gegen die Bank noch mehr, aber gegen die
Prüderie ich den meiſten. Und doch macht mich Niemand zum Prä¬
ſidenten dafür, ich bin froh, daß ich das Leben davontrage, das nackte
Leben! ſcherzte der aufgeweckte Mann mit einem wohlangebrachten
Sinnſpiele. Er fuhr ſich mit einem echt franzöſiſchen Wurf durch den
Buſch ſeiner Stirnhaare, wobei der Solitär an ſeiner Hand, gleich
einem Stern aus Wolken blitzte, und ſagte, wie im Andenken großer
Erinnerungen: Zweimal ſpielt' ich va banque mit meinem Leben,
zweimal warf ich den Würfel eines kühnen Entſchluſſes über meine bürger¬
liche Exiſtenz. Das erſtemal war's eine Handelsunternehmung. Ich be¬
frachtete mit einem kleinen oder auch großen Capital — denn es war
mein ganzes väterliches Erbe — ein Schiff nach der Habanna in
Seide. Ich war vierzehn Jahre, mein Steuermann ſiebenzehn. Wir
hatten einen luckigen Eindecker, der kaum noch See hielt, dazu Gegen¬
wind aus Südweſt, und um ſchneller reich zu werden, ſparte ich auch
noch die Aſſecuranz. Kurz, ein completer Knabenſtreich. In Europa
hätte man uns mit der Ruthe nach Hauſe gejagt, hier ſtanden die
Leute am Ufer und wetteten um den Punkt, wo wir ſcheitern mußten.
By Jasus! am Cap Hatteras! ſchrie der Eine; Good damn! ſie
kommen nicht über Shandy-Hoock, fluchte der Andre; 'pon honour!
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[187/0205] ihnen einen öffentlichen Charakter verliehe. Kurz, ich kann mich zu dieſer Avance nicht entſchließen. Auch denk' ich der dringendſten Nö¬ thigung überhoben zu ſein. Die eigentlichen Kämpfe ſind beſtanden. Moorfeld ahnte in letzterem Worte, was gleich im Entree dieſes Hauſes zum lebhafteſten Gefühle kommt, und verſagte ſeinem Wirthe die Anerkennung nicht, es laut auszuſprechen. Er bewunderte vor allem Bennet's Muth, ſeine Kunſtpflege ſo rein durchgeführt zu ha¬ ben, daß er auch dem höchſten aber zarteſten Stoff der Kunſt, den Darſtellungen des Nackten, nicht aus dem Wege gegangen ſei, ein Muth, der den flüchtigſten Kenner der hieſigen Sitten noch mehr über¬ raſchte, als das Vorhandenſein dieſer Kunſtpflege ſelbſt. Und ich bin ein Mann, der drei Töchter hat! antwortete Bennet, gedenken wir dieſes Umſtands nicht zuletzt, mein Herr. Jede Verdammungstheſis wider mich fand ihren Vorder-, Mittel- und Schlußſatz in meinem eigenen Hauſe. Ja, mein Herr, General Jackſon hat viel Muth bei New-Orleans bewieſen, gegen die Bank noch mehr, aber gegen die Prüderie ich den meiſten. Und doch macht mich Niemand zum Prä¬ ſidenten dafür, ich bin froh, daß ich das Leben davontrage, das nackte Leben! ſcherzte der aufgeweckte Mann mit einem wohlangebrachten Sinnſpiele. Er fuhr ſich mit einem echt franzöſiſchen Wurf durch den Buſch ſeiner Stirnhaare, wobei der Solitär an ſeiner Hand, gleich einem Stern aus Wolken blitzte, und ſagte, wie im Andenken großer Erinnerungen: Zweimal ſpielt' ich va banque mit meinem Leben, zweimal warf ich den Würfel eines kühnen Entſchluſſes über meine bürger¬ liche Exiſtenz. Das erſtemal war's eine Handelsunternehmung. Ich be¬ frachtete mit einem kleinen oder auch großen Capital — denn es war mein ganzes väterliches Erbe — ein Schiff nach der Habanna in Seide. Ich war vierzehn Jahre, mein Steuermann ſiebenzehn. Wir hatten einen luckigen Eindecker, der kaum noch See hielt, dazu Gegen¬ wind aus Südweſt, und um ſchneller reich zu werden, ſparte ich auch noch die Aſſecuranz. Kurz, ein completer Knabenſtreich. In Europa hätte man uns mit der Ruthe nach Hauſe gejagt, hier ſtanden die Leute am Ufer und wetteten um den Punkt, wo wir ſcheitern mußten. By Jasus! am Cap Hatteras! ſchrie der Eine; Good damn! ſie kommen nicht über Shandy-Hoock, fluchte der Andre; 'pon honour! im Florida-Golfſtrom gehen ſie auf den Grund, betheuerte der Dritte.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/205>, abgerufen am 21.11.2024.