Amerikaner ist nicht der beste Zureiter. Aber es ist jung und ich werde es noch erziehen. Dann wollen wir in Huf und Gehirn manch schönen Rhythmus miteinander tanzen. Warum soll ich nicht eine eigne Gangart erfinden: die lyrische? Pegasus hat sie gehabt, aber sie ist seitdem vergessen worden; die Flügel sind nur ein Symbol da¬ von, ich will den Begriff selbst wieder herstellen. Apropos! die Art, wie das Thier zum Kaufe stand, ist originell genug. Es war einer jener charakteristischen Yankeepuffs, welche das hiesige Volksthum so weltbekannt kennzeichnen. In dem Harrisburger Advertiser las ich die Annonce: "Ein Pferd zu verkaufen gegen die Insertionsgebühr. Bei Mr. Bradley, Washington Square." Ein Pferd gegen die Insertions¬ gebühr! Mein erster Gedanke war: dieser Mr. Bradley sei selbst ein Puff; existirte er aber, so verdiente er sich jedenfalls einen Besuch. Und siehe! er existirte wirklich. Mr. Bradley in Washington Square war ein munterer alter Fuchs mit grauem Kopf, zwei hellen Aeuglein und einer glührothen Nase. Sein Thier kostete hundert Dollars. Darüber läßt sich sprechen, sagt' ich, für ein Reitpferd ist's ein Preis; aber für eine Insertionsgebühr? wie geht das zu, Mister, he? Sehr einfach, Mister, sagte der alte Schelm; kündige ich das Pferd mit seiner ganzen Beschreibung an, so brauch' ich die halbe Spalte und es kommt doch Niemand, die Sache ist zu gewöhnlich. Diese An¬ nonce dagegen spart mir Geld und zieht brav. Steht mir der Käufer einmal im Hause, so läßt sich schon eher ein Geschäft machen; die Hauptsache ist, daß er hereinkommt. -- Sehr wahr, Mister; aber der Zeitverlust von Seite des Publikums? Wißt Ihr auch, daß man Euch verklagen könnte auf den Wortlaut der Annonce und wahrscheinlich Recht behielte in diesem Lande, wo Zeit Geld ist? -- Gar nicht, Mister; ich würde in diesem Falle ein Redactionszeugniß vorlegen und beweisen, daß ich wirklich 100 Dollars Insertionsgebühr bezahlt; welcher Gerichtshof der Union kann dem Redacteur seine Preise vor¬ schreiben? -- Ist das nicht echt yankeesch? In der That wurden wir bald des Handels eins; es handelt sich wunderleicht mit dem Ameri¬ kaner, wenn er Menschen vor sich hat, die seinen Kram verstehen. Und meine gute ungarische Pferdekennerschaft ließ sich kein X für ein U machen. Das Thierchen ist übrigens wirklich preiswürdig, heißt auch Cäsar, wie in diesem bombastischen Lande überhaupt alle Pferde
Amerikaner iſt nicht der beſte Zureiter. Aber es iſt jung und ich werde es noch erziehen. Dann wollen wir in Huf und Gehirn manch ſchönen Rhythmus miteinander tanzen. Warum ſoll ich nicht eine eigne Gangart erfinden: die lyriſche? Pegaſus hat ſie gehabt, aber ſie iſt ſeitdem vergeſſen worden; die Flügel ſind nur ein Symbol da¬ von, ich will den Begriff ſelbſt wieder herſtellen. Apropos! die Art, wie das Thier zum Kaufe ſtand, iſt originell genug. Es war einer jener charakteriſtiſchen Yankeepuffs, welche das hieſige Volksthum ſo weltbekannt kennzeichnen. In dem Harrisburger Advertiſer las ich die Annonce: „Ein Pferd zu verkaufen gegen die Inſertionsgebühr. Bei Mr. Bradley, Waſhington Square.“ Ein Pferd gegen die Inſertions¬ gebühr! Mein erſter Gedanke war: dieſer Mr. Bradley ſei ſelbſt ein Puff; exiſtirte er aber, ſo verdiente er ſich jedenfalls einen Beſuch. Und ſiehe! er exiſtirte wirklich. Mr. Bradley in Waſhington Square war ein munterer alter Fuchs mit grauem Kopf, zwei hellen Aeuglein und einer glührothen Naſe. Sein Thier koſtete hundert Dollars. Darüber läßt ſich ſprechen, ſagt' ich, für ein Reitpferd iſt's ein Preis; aber für eine Inſertionsgebühr? wie geht das zu, Miſter, he? Sehr einfach, Miſter, ſagte der alte Schelm; kündige ich das Pferd mit ſeiner ganzen Beſchreibung an, ſo brauch' ich die halbe Spalte und es kommt doch Niemand, die Sache iſt zu gewöhnlich. Dieſe An¬ nonce dagegen ſpart mir Geld und zieht brav. Steht mir der Käufer einmal im Hauſe, ſo läßt ſich ſchon eher ein Geſchäft machen; die Hauptſache iſt, daß er hereinkommt. — Sehr wahr, Miſter; aber der Zeitverluſt von Seite des Publikums? Wißt Ihr auch, daß man Euch verklagen könnte auf den Wortlaut der Annonce und wahrſcheinlich Recht behielte in dieſem Lande, wo Zeit Geld iſt? — Gar nicht, Miſter; ich würde in dieſem Falle ein Redactionszeugniß vorlegen und beweiſen, daß ich wirklich 100 Dollars Inſertionsgebühr bezahlt; welcher Gerichtshof der Union kann dem Redacteur ſeine Preiſe vor¬ ſchreiben? — Iſt das nicht echt yankeeſch? In der That wurden wir bald des Handels eins; es handelt ſich wunderleicht mit dem Ameri¬ kaner, wenn er Menſchen vor ſich hat, die ſeinen Kram verſtehen. Und meine gute ungariſche Pferdekennerſchaft ließ ſich kein X für ein U machen. Das Thierchen iſt übrigens wirklich preiswürdig, heißt auch Cäſar, wie in dieſem bombaſtiſchen Lande überhaupt alle Pferde
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[282/0300]
Amerikaner iſt nicht der beſte Zureiter. Aber es iſt jung und ich
werde es noch erziehen. Dann wollen wir in Huf und Gehirn manch
ſchönen Rhythmus miteinander tanzen. Warum ſoll ich nicht eine
eigne Gangart erfinden: die lyriſche? Pegaſus hat ſie gehabt, aber
ſie iſt ſeitdem vergeſſen worden; die Flügel ſind nur ein Symbol da¬
von, ich will den Begriff ſelbſt wieder herſtellen. Apropos! die Art,
wie das Thier zum Kaufe ſtand, iſt originell genug. Es war einer
jener charakteriſtiſchen Yankeepuffs, welche das hieſige Volksthum ſo
weltbekannt kennzeichnen. In dem Harrisburger Advertiſer las ich die
Annonce: „Ein Pferd zu verkaufen gegen die Inſertionsgebühr. Bei
Mr. Bradley, Waſhington Square.“ Ein Pferd gegen die Inſertions¬
gebühr! Mein erſter Gedanke war: dieſer Mr. Bradley ſei ſelbſt ein
Puff; exiſtirte er aber, ſo verdiente er ſich jedenfalls einen Beſuch.
Und ſiehe! er exiſtirte wirklich. Mr. Bradley in Waſhington Square
war ein munterer alter Fuchs mit grauem Kopf, zwei hellen Aeuglein
und einer glührothen Naſe. Sein Thier koſtete hundert Dollars.
Darüber läßt ſich ſprechen, ſagt' ich, für ein Reitpferd iſt's ein
Preis; aber für eine Inſertionsgebühr? wie geht das zu, Miſter, he?
Sehr einfach, Miſter, ſagte der alte Schelm; kündige ich das Pferd
mit ſeiner ganzen Beſchreibung an, ſo brauch' ich die halbe Spalte
und es kommt doch Niemand, die Sache iſt zu gewöhnlich. Dieſe An¬
nonce dagegen ſpart mir Geld und zieht brav. Steht mir der Käufer
einmal im Hauſe, ſo läßt ſich ſchon eher ein Geſchäft machen; die
Hauptſache iſt, daß er hereinkommt. — Sehr wahr, Miſter; aber der
Zeitverluſt von Seite des Publikums? Wißt Ihr auch, daß man Euch
verklagen könnte auf den Wortlaut der Annonce und wahrſcheinlich
Recht behielte in dieſem Lande, wo Zeit Geld iſt? — Gar nicht,
Miſter; ich würde in dieſem Falle ein Redactionszeugniß vorlegen und
beweiſen, daß ich wirklich 100 Dollars Inſertionsgebühr bezahlt;
welcher Gerichtshof der Union kann dem Redacteur ſeine Preiſe vor¬
ſchreiben? — Iſt das nicht echt yankeeſch? In der That wurden wir
bald des Handels eins; es handelt ſich wunderleicht mit dem Ameri¬
kaner, wenn er Menſchen vor ſich hat, die ſeinen Kram verſtehen.
Und meine gute ungariſche Pferdekennerſchaft ließ ſich kein X für ein
U machen. Das Thierchen iſt übrigens wirklich preiswürdig, heißt
auch Cäſar, wie in dieſem bombaſtiſchen Lande überhaupt alle Pferde
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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