selbst wohnlich für sie einzurichten, Du würdest die Hölle urbar gemacht haben. Und ich glaube, es wäre Dir gelungen.
Ich kann Dir nicht sagen, mein lieber Rector magnificus, wie ich mich freue auf Deinen Amtsantritt im Urwald. Es muß eine Lust sein, einen Mann, wie Du, sich rühren zu sehen. Ich glaube, die Alten hatten Recht, wenn sie die Landschaft vernachlässigten über den kräftigen und anmuthigen Menschen darin. Und das thaten sie doch mit griechischen Landschaften, was thäten sie erst mit amerikanischen! Höchstens ließen sie den Menschen auch daraus weg. Mein Wirth hier hat ein Söhnchen von wunderlieblicher Knabenschönheit; ich lächelte ihn freundlich an, faßte ihn sanft unterm Kinn und streichelte ihm die reizenden Goldlöckchen aus der kostbaren Antinous-Stirn. Das achtjährige Bübchen schnitt aber ein beleidigtes Gesicht dazu, und sah mich so pedantisch-altklug an, daß ich's in seinem Innern deutlich sprechen hörte: Darüber sind wir hinaus, du deutscher Narr, du schmeicheltest mir weit besser, wenn du mir das erste Primchen Kau¬ tabak in den Mund schöb'st. Es ist gräßlich, ein Volk, von dem man nicht einmal die Kinder lieben kann! -- Deß sattl' ich mein Gäulchen noch einmal so eifrig, und will nun in Ohio das Plätzchen auf¬ stöbern, wo weder das Fieber, noch die Langweile grassirt, wo es einem so recht bergesfrisch und waldheimlich und wasserkühl zu Muthe wird, daß ich mit gutem Gewissen sagen darf: liebe Deutsche, kommt zu mir, deutsche Feen haben das für euch geschaffen! denn ich hoffe, die Feen sind auch ein wenig emigrirt wie die Menschen.
Hol's der Teufel! Indem ich schreibe, wälzt mir der nächste Schlott eine Rauchsäule durch's offene Fenster, daß Herculanum und Pompeji dran ersticken könnten. Und schließ' ich das Fenster, so erstick' ich wieder. Ich schließe demnach dieses Briefpaquet, es bleibt nichts anders übrig. Adieu! ich hoffe vom Ohio soll Alles besser klingen. La belle riviere nannten die Franzosen den Ohio, und die Fran¬ zosen wissen was schön ist. Aber warum behaupteten sie ihn nicht? Geht's uns mit allem Schönen so? Du hast Recht: der Mensch kann nur beginnen!
ſelbſt wohnlich für ſie einzurichten, Du würdeſt die Hölle urbar gemacht haben. Und ich glaube, es wäre Dir gelungen.
Ich kann Dir nicht ſagen, mein lieber Rector magnificus, wie ich mich freue auf Deinen Amtsantritt im Urwald. Es muß eine Luſt ſein, einen Mann, wie Du, ſich rühren zu ſehen. Ich glaube, die Alten hatten Recht, wenn ſie die Landſchaft vernachläſſigten über den kräftigen und anmuthigen Menſchen darin. Und das thaten ſie doch mit griechiſchen Landſchaften, was thäten ſie erſt mit amerikaniſchen! Höchſtens ließen ſie den Menſchen auch daraus weg. Mein Wirth hier hat ein Söhnchen von wunderlieblicher Knabenſchönheit; ich lächelte ihn freundlich an, faßte ihn ſanft unterm Kinn und ſtreichelte ihm die reizenden Goldlöckchen aus der koſtbaren Antinous-Stirn. Das achtjährige Bübchen ſchnitt aber ein beleidigtes Geſicht dazu, und ſah mich ſo pedantiſch-altklug an, daß ich's in ſeinem Innern deutlich ſprechen hörte: Darüber ſind wir hinaus, du deutſcher Narr, du ſchmeichelteſt mir weit beſſer, wenn du mir das erſte Primchen Kau¬ tabak in den Mund ſchöb'ſt. Es iſt gräßlich, ein Volk, von dem man nicht einmal die Kinder lieben kann! — Deß ſattl' ich mein Gäulchen noch einmal ſo eifrig, und will nun in Ohio das Plätzchen auf¬ ſtöbern, wo weder das Fieber, noch die Langweile graſſirt, wo es einem ſo recht bergesfriſch und waldheimlich und waſſerkühl zu Muthe wird, daß ich mit gutem Gewiſſen ſagen darf: liebe Deutſche, kommt zu mir, deutſche Feen haben das für euch geſchaffen! denn ich hoffe, die Feen ſind auch ein wenig emigrirt wie die Menſchen.
Hol's der Teufel! Indem ich ſchreibe, wälzt mir der nächſte Schlott eine Rauchſäule durch's offene Fenſter, daß Herculanum und Pompeji dran erſticken könnten. Und ſchließ' ich das Fenſter, ſo erſtick' ich wieder. Ich ſchließe demnach dieſes Briefpaquet, es bleibt nichts anders übrig. Adieu! ich hoffe vom Ohio ſoll Alles beſſer klingen. La belle rivière nannten die Franzoſen den Ohio, und die Fran¬ zoſen wiſſen was ſchön iſt. Aber warum behaupteten ſie ihn nicht? Geht's uns mit allem Schönen ſo? Du haſt Recht: der Menſch kann nur beginnen!
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ſelbſt wohnlich für ſie einzurichten, Du würdeſt die Hölle urbar
gemacht haben. Und ich glaube, es wäre Dir gelungen.
Ich kann Dir nicht ſagen, mein lieber Rector magnificus, wie ich
mich freue auf Deinen Amtsantritt im Urwald. Es muß eine Luſt
ſein, einen Mann, wie Du, ſich rühren zu ſehen. Ich glaube, die
Alten hatten Recht, wenn ſie die Landſchaft vernachläſſigten über den
kräftigen und anmuthigen Menſchen darin. Und das thaten ſie doch
mit griechiſchen Landſchaften, was thäten ſie erſt mit amerikaniſchen!
Höchſtens ließen ſie den Menſchen auch daraus weg. Mein Wirth
hier hat ein Söhnchen von wunderlieblicher Knabenſchönheit; ich lächelte
ihn freundlich an, faßte ihn ſanft unterm Kinn und ſtreichelte ihm
die reizenden Goldlöckchen aus der koſtbaren Antinous-Stirn. Das
achtjährige Bübchen ſchnitt aber ein beleidigtes Geſicht dazu, und ſah
mich ſo pedantiſch-altklug an, daß ich's in ſeinem Innern deutlich
ſprechen hörte: Darüber ſind wir hinaus, du deutſcher Narr, du
ſchmeichelteſt mir weit beſſer, wenn du mir das erſte Primchen Kau¬
tabak in den Mund ſchöb'ſt. Es iſt gräßlich, ein Volk, von dem man
nicht einmal die Kinder lieben kann! — Deß ſattl' ich mein Gäulchen
noch einmal ſo eifrig, und will nun in Ohio das Plätzchen auf¬
ſtöbern, wo weder das Fieber, noch die Langweile graſſirt, wo
es einem ſo recht bergesfriſch und waldheimlich und waſſerkühl zu
Muthe wird, daß ich mit gutem Gewiſſen ſagen darf: liebe Deutſche,
kommt zu mir, deutſche Feen haben das für euch geſchaffen! denn ich
hoffe, die Feen ſind auch ein wenig emigrirt wie die Menſchen.
Hol's der Teufel! Indem ich ſchreibe, wälzt mir der nächſte Schlott
eine Rauchſäule durch's offene Fenſter, daß Herculanum und Pompeji
dran erſticken könnten. Und ſchließ' ich das Fenſter, ſo erſtick' ich
wieder. Ich ſchließe demnach dieſes Briefpaquet, es bleibt nichts
anders übrig. Adieu! ich hoffe vom Ohio ſoll Alles beſſer klingen.
La belle rivière nannten die Franzoſen den Ohio, und die Fran¬
zoſen wiſſen was ſchön iſt. Aber warum behaupteten ſie ihn nicht?
Geht's uns mit allem Schönen ſo? Du haſt Recht: der Menſch
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/317>, abgerufen am 22.11.2024.
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