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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Kamerad ein festes Herz hatte! Denselben Winter, fuhr der Canadier
fort, wär' es uns auf ein Haar selbst so passirt, wie dem alten Bill
Williams. Ich spreche von Au Reste und mir. Denn wir zwei waren
von den Fünfen allein übrig geblieben. Einer hatte sich verirrt, zwei
waren am nächtlichen Wachtfeuer hungernd und frierend eingeschlafen,
und ein Indianerknabe, der sie beschlich, hatte sie mit Pfeilen getödtet
wie Sperlinge. Wir beide also Au Reste und ich --

Moorfeld sah wohl, daß dieser Geist voll Erinnerungen eine ein¬
fache Frage nicht anders als durch eine Reihe von Abentheuern zu
beantworten im Stande war. Sein gespannter Geist und sein er¬
schöpfter Körper lagen bereits in einem bedenklichen Conflict, den die
ruhende Lage und die behagliche Feuerwärme mit jeder Minute mehr
zu Gunsten des letztern entschied. Unumwunden: es fielen ihm die
Augen zu. Indeß recitirte der Improvisator im schlimmsten Falle noch
während Moorfeld schon schlief und er hatte dann doch die Genug¬
thuung, daß sich sein Wirth gut unterhalte, wenn gleich die einzige
Frage, die er selbst mit wirklichem Interesse gestellt, leer ausging.
So streckte er sich auf sein Büffellager hin und überließ sich zwischen
den Forderungen der Natur und der Kunst, ihn wach zu erhalten,
ganz der Neutralität.

Au Reste und ich, erzählte also der Trapper, hatten uns vergebens
bemüht, einen Paß über das Gebirge auszukundschaften und in eine
Region mit Wild und Weide zu gelangen. Der Winter war unge¬
wöhnlich früh und rauh angebrochen; Frost, Hunger und Erschöpfung
überraschten uns, eh' wirs dachten. Von unsern Pferden war eins
gefallen, das andere schlachteten wir selbst und verzehrten es: ein
weiteres Vordringen war damit aufgegeben. Ueberdies wurde Au Reste
krank um diese Zeit, eine Kugel hatte ihn kürzlich an der Ferse ver¬
wundet und war noch nicht ausgezogen. Durch das Gehen und die
übermäßige Kälte verschlimmerte sich die Wunde, nahm ein häßliches
Aussehen an, und machte ihn bald unfähig zu jeder anhaltenden Be¬
wegung. So sahen wir uns genöthigt, in die Tiefschlucht des Creeks
wieder zurückzukehren, auf die kleine versteckte Prairie, wo wir den
alten Bill Williams begraben. Hier mußten wir uns entschließen zu
überwintern. Wir bauten uns eine kleine Hütte, Au Reste wurde auf
ein Lager von Fichtenzweigen gebettet, mein Geschäft sollte es sein,

Kamerad ein feſtes Herz hatte! Denſelben Winter, fuhr der Canadier
fort, wär' es uns auf ein Haar ſelbſt ſo paſſirt, wie dem alten Bill
Williams. Ich ſpreche von Au Reſte und mir. Denn wir zwei waren
von den Fünfen allein übrig geblieben. Einer hatte ſich verirrt, zwei
waren am nächtlichen Wachtfeuer hungernd und frierend eingeſchlafen,
und ein Indianerknabe, der ſie beſchlich, hatte ſie mit Pfeilen getödtet
wie Sperlinge. Wir beide alſo Au Reſte und ich —

Moorfeld ſah wohl, daß dieſer Geiſt voll Erinnerungen eine ein¬
fache Frage nicht anders als durch eine Reihe von Abentheuern zu
beantworten im Stande war. Sein geſpannter Geiſt und ſein er¬
ſchöpfter Körper lagen bereits in einem bedenklichen Conflict, den die
ruhende Lage und die behagliche Feuerwärme mit jeder Minute mehr
zu Gunſten des letztern entſchied. Unumwunden: es fielen ihm die
Augen zu. Indeß recitirte der Improviſator im ſchlimmſten Falle noch
während Moorfeld ſchon ſchlief und er hatte dann doch die Genug¬
thuung, daß ſich ſein Wirth gut unterhalte, wenn gleich die einzige
Frage, die er ſelbſt mit wirklichem Intereſſe geſtellt, leer ausging.
So ſtreckte er ſich auf ſein Büffellager hin und überließ ſich zwiſchen
den Forderungen der Natur und der Kunſt, ihn wach zu erhalten,
ganz der Neutralität.

Au Reſte und ich, erzählte alſo der Trapper, hatten uns vergebens
bemüht, einen Paß über das Gebirge auszukundſchaften und in eine
Region mit Wild und Weide zu gelangen. Der Winter war unge¬
wöhnlich früh und rauh angebrochen; Froſt, Hunger und Erſchöpfung
überraſchten uns, eh' wirs dachten. Von unſern Pferden war eins
gefallen, das andere ſchlachteten wir ſelbſt und verzehrten es: ein
weiteres Vordringen war damit aufgegeben. Ueberdies wurde Au Reſte
krank um dieſe Zeit, eine Kugel hatte ihn kürzlich an der Ferſe ver¬
wundet und war noch nicht ausgezogen. Durch das Gehen und die
übermäßige Kälte verſchlimmerte ſich die Wunde, nahm ein häßliches
Ausſehen an, und machte ihn bald unfähig zu jeder anhaltenden Be¬
wegung. So ſahen wir uns genöthigt, in die Tiefſchlucht des Creeks
wieder zurückzukehren, auf die kleine verſteckte Prairie, wo wir den
alten Bill Williams begraben. Hier mußten wir uns entſchließen zu
überwintern. Wir bauten uns eine kleine Hütte, Au Reſte wurde auf
ein Lager von Fichtenzweigen gebettet, mein Geſchäft ſollte es ſein,

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[418/0436] Kamerad ein feſtes Herz hatte! Denſelben Winter, fuhr der Canadier fort, wär' es uns auf ein Haar ſelbſt ſo paſſirt, wie dem alten Bill Williams. Ich ſpreche von Au Reſte und mir. Denn wir zwei waren von den Fünfen allein übrig geblieben. Einer hatte ſich verirrt, zwei waren am nächtlichen Wachtfeuer hungernd und frierend eingeſchlafen, und ein Indianerknabe, der ſie beſchlich, hatte ſie mit Pfeilen getödtet wie Sperlinge. Wir beide alſo Au Reſte und ich — Moorfeld ſah wohl, daß dieſer Geiſt voll Erinnerungen eine ein¬ fache Frage nicht anders als durch eine Reihe von Abentheuern zu beantworten im Stande war. Sein geſpannter Geiſt und ſein er¬ ſchöpfter Körper lagen bereits in einem bedenklichen Conflict, den die ruhende Lage und die behagliche Feuerwärme mit jeder Minute mehr zu Gunſten des letztern entſchied. Unumwunden: es fielen ihm die Augen zu. Indeß recitirte der Improviſator im ſchlimmſten Falle noch während Moorfeld ſchon ſchlief und er hatte dann doch die Genug¬ thuung, daß ſich ſein Wirth gut unterhalte, wenn gleich die einzige Frage, die er ſelbſt mit wirklichem Intereſſe geſtellt, leer ausging. So ſtreckte er ſich auf ſein Büffellager hin und überließ ſich zwiſchen den Forderungen der Natur und der Kunſt, ihn wach zu erhalten, ganz der Neutralität. Au Reſte und ich, erzählte alſo der Trapper, hatten uns vergebens bemüht, einen Paß über das Gebirge auszukundſchaften und in eine Region mit Wild und Weide zu gelangen. Der Winter war unge¬ wöhnlich früh und rauh angebrochen; Froſt, Hunger und Erſchöpfung überraſchten uns, eh' wirs dachten. Von unſern Pferden war eins gefallen, das andere ſchlachteten wir ſelbſt und verzehrten es: ein weiteres Vordringen war damit aufgegeben. Ueberdies wurde Au Reſte krank um dieſe Zeit, eine Kugel hatte ihn kürzlich an der Ferſe ver¬ wundet und war noch nicht ausgezogen. Durch das Gehen und die übermäßige Kälte verſchlimmerte ſich die Wunde, nahm ein häßliches Ausſehen an, und machte ihn bald unfähig zu jeder anhaltenden Be¬ wegung. So ſahen wir uns genöthigt, in die Tiefſchlucht des Creeks wieder zurückzukehren, auf die kleine verſteckte Prairie, wo wir den alten Bill Williams begraben. Hier mußten wir uns entſchließen zu überwintern. Wir bauten uns eine kleine Hütte, Au Reſte wurde auf ein Lager von Fichtenzweigen gebettet, mein Geſchäft ſollte es ſein,

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/436>, abgerufen am 24.11.2024.