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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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leer von Wild als von Wasser. Das Thier verschwand unter uns
Sieben fast auf Eine Mahlzeit, den Rest aber verloren wir Nachts bei
einer Ueberumplung oder vielmehr bei Beschleichung der elenden Grä¬
berindianer, welche uns das Fleisch mit wölfischer Gier stahlen, da das
miserable Volk keine andere Nahrung als getrocknete Ameisen gewohnt
ist. Leider ging uns bei dieser Attake auch unser Gefährte Sublette
unter. Wir sechs schleppten uns nun gänzlich unberitten weiter. Es
half uns nichts, daß wir längst unsers Irrthums inne wurden, wir
hatten bei einem Rückzug bereits eben so viel zu verlieren und vor¬
wärts leuchtete uns doch die Hoffnung. So krochen wir von Neuem
zwei lange, ewige Tage durch. Der Hunger packte uns wieder so
wüthend an, als zuvor, der Durst aber war martervoll über allen
Ausdruck. Die Lippen wurden uns glühend und aufgeschwollen, unsre
Augen unterliefen mit Blut, ein schwindelndes Unwohlsein befiel uns
in gewissen von Zeit zu Zeit wiederkehrenden Pausen. Mit dem Aus¬
drucke der Verzweiflung stierten wir Alle nach Rettung in die Wüste
hinaus. Da ließ der Spanier das Wort hören: Fleisch und Blut ist
uns vielleicht näher als wir denken; -- es klang aber nicht nach Trost,
sondern nach Entsetzen in seiner Stimme. Wir verstanden ihn wohl.
Wir ließen das Wort fallen und schleppten uns schweigend weiter.
Die drei Indianerinnen aber folgten uns in ergebenem Stumpfsinn.
Von Zeit zu Zelt bückten sie sich, um einen Käfer am Wege zu fan¬
gen, welchen sie gierig verschluckten. -- Am vierten Tage theilten wir
einander mit, daß wir wölfisch sahen. Unsere Gesichter waren ver¬
dummt und verquollen und Keiner sah mehr sich selbst ähnlich. Wir
schlugen Rath. Der Untergang lag uns dicht zu Füßen, es galt, etwas
zu thun so lange noch die letzten Funken unserer Kräfte flimmerten.
Wir beschlossen also uns zu trennen und anstatt in einer einzigen in
drei verschiedenen Richtungen nach Wild- oder Wasserspuren auszugehen.
Die Indianerinnen sollten zurückbleiben und eine große Rauchsäule an¬
zünden, die uns den Punkt der Wiedervereinigung bezeichnete. Das
geschah. Au Reste und ich, wir jagten vergebens. Als wir aber beim
letzten Tageslicht nach dem Rauchzeichen zurückkrochen, duftete uns schon
von Ferne Bratengeruch entgegen. Wir fanden den Spanier an einer
Herdstelle, er war glücklicher gewesen als wir, und hatte, wie er sagte,
eine Antilope geschossen. Wie fielen wir her über das Fleisch! So haben

leer von Wild als von Waſſer. Das Thier verſchwand unter uns
Sieben faſt auf Eine Mahlzeit, den Reſt aber verloren wir Nachts bei
einer Ueberumplung oder vielmehr bei Beſchleichung der elenden Grä¬
berindianer, welche uns das Fleiſch mit wölfiſcher Gier ſtahlen, da das
miſerable Volk keine andere Nahrung als getrocknete Ameiſen gewohnt
iſt. Leider ging uns bei dieſer Attake auch unſer Gefährte Sublette
unter. Wir ſechs ſchleppten uns nun gänzlich unberitten weiter. Es
half uns nichts, daß wir längſt unſers Irrthums inne wurden, wir
hatten bei einem Rückzug bereits eben ſo viel zu verlieren und vor¬
wärts leuchtete uns doch die Hoffnung. So krochen wir von Neuem
zwei lange, ewige Tage durch. Der Hunger packte uns wieder ſo
wüthend an, als zuvor, der Durſt aber war martervoll über allen
Ausdruck. Die Lippen wurden uns glühend und aufgeſchwollen, unſre
Augen unterliefen mit Blut, ein ſchwindelndes Unwohlſein befiel uns
in gewiſſen von Zeit zu Zeit wiederkehrenden Pauſen. Mit dem Aus¬
drucke der Verzweiflung ſtierten wir Alle nach Rettung in die Wüſte
hinaus. Da ließ der Spanier das Wort hören: Fleiſch und Blut iſt
uns vielleicht näher als wir denken; — es klang aber nicht nach Troſt,
ſondern nach Entſetzen in ſeiner Stimme. Wir verſtanden ihn wohl.
Wir ließen das Wort fallen und ſchleppten uns ſchweigend weiter.
Die drei Indianerinnen aber folgten uns in ergebenem Stumpfſinn.
Von Zeit zu Zelt bückten ſie ſich, um einen Käfer am Wege zu fan¬
gen, welchen ſie gierig verſchluckten. — Am vierten Tage theilten wir
einander mit, daß wir wölfiſch ſahen. Unſere Geſichter waren ver¬
dummt und verquollen und Keiner ſah mehr ſich ſelbſt ähnlich. Wir
ſchlugen Rath. Der Untergang lag uns dicht zu Füßen, es galt, etwas
zu thun ſo lange noch die letzten Funken unſerer Kräfte flimmerten.
Wir beſchloſſen alſo uns zu trennen und anſtatt in einer einzigen in
drei verſchiedenen Richtungen nach Wild- oder Waſſerſpuren auszugehen.
Die Indianerinnen ſollten zurückbleiben und eine große Rauchſäule an¬
zünden, die uns den Punkt der Wiedervereinigung bezeichnete. Das
geſchah. Au Reſte und ich, wir jagten vergebens. Als wir aber beim
letzten Tageslicht nach dem Rauchzeichen zurückkrochen, duftete uns ſchon
von Ferne Bratengeruch entgegen. Wir fanden den Spanier an einer
Herdſtelle, er war glücklicher geweſen als wir, und hatte, wie er ſagte,
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[422/0440] leer von Wild als von Waſſer. Das Thier verſchwand unter uns Sieben faſt auf Eine Mahlzeit, den Reſt aber verloren wir Nachts bei einer Ueberumplung oder vielmehr bei Beſchleichung der elenden Grä¬ berindianer, welche uns das Fleiſch mit wölfiſcher Gier ſtahlen, da das miſerable Volk keine andere Nahrung als getrocknete Ameiſen gewohnt iſt. Leider ging uns bei dieſer Attake auch unſer Gefährte Sublette unter. Wir ſechs ſchleppten uns nun gänzlich unberitten weiter. Es half uns nichts, daß wir längſt unſers Irrthums inne wurden, wir hatten bei einem Rückzug bereits eben ſo viel zu verlieren und vor¬ wärts leuchtete uns doch die Hoffnung. So krochen wir von Neuem zwei lange, ewige Tage durch. Der Hunger packte uns wieder ſo wüthend an, als zuvor, der Durſt aber war martervoll über allen Ausdruck. Die Lippen wurden uns glühend und aufgeſchwollen, unſre Augen unterliefen mit Blut, ein ſchwindelndes Unwohlſein befiel uns in gewiſſen von Zeit zu Zeit wiederkehrenden Pauſen. Mit dem Aus¬ drucke der Verzweiflung ſtierten wir Alle nach Rettung in die Wüſte hinaus. Da ließ der Spanier das Wort hören: Fleiſch und Blut iſt uns vielleicht näher als wir denken; — es klang aber nicht nach Troſt, ſondern nach Entſetzen in ſeiner Stimme. Wir verſtanden ihn wohl. Wir ließen das Wort fallen und ſchleppten uns ſchweigend weiter. Die drei Indianerinnen aber folgten uns in ergebenem Stumpfſinn. Von Zeit zu Zelt bückten ſie ſich, um einen Käfer am Wege zu fan¬ gen, welchen ſie gierig verſchluckten. — Am vierten Tage theilten wir einander mit, daß wir wölfiſch ſahen. Unſere Geſichter waren ver¬ dummt und verquollen und Keiner ſah mehr ſich ſelbſt ähnlich. Wir ſchlugen Rath. Der Untergang lag uns dicht zu Füßen, es galt, etwas zu thun ſo lange noch die letzten Funken unſerer Kräfte flimmerten. Wir beſchloſſen alſo uns zu trennen und anſtatt in einer einzigen in drei verſchiedenen Richtungen nach Wild- oder Waſſerſpuren auszugehen. Die Indianerinnen ſollten zurückbleiben und eine große Rauchſäule an¬ zünden, die uns den Punkt der Wiedervereinigung bezeichnete. Das geſchah. Au Reſte und ich, wir jagten vergebens. Als wir aber beim letzten Tageslicht nach dem Rauchzeichen zurückkrochen, duftete uns ſchon von Ferne Bratengeruch entgegen. Wir fanden den Spanier an einer Herdſtelle, er war glücklicher geweſen als wir, und hatte, wie er ſagte, eine Antilope geſchoſſen. Wie fielen wir her über das Fleiſch! So haben

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/440>, abgerufen am 23.11.2024.