bleich, entstellt, überwacht, die Gesichtsmuskel abgespannt wie die eines Hinzurichtenden, aber das Auge darüber schneidig, blitzfunkelnd, wie ein Henkerbeil.
Der Reiter ist Moorfeld.
Wir erzählen seine, seit dem Nachtlager am Eriesee durchlebten Stunden durch -- Schweigen. Diese Orestie sei der Phantasie des Lesers überlassen! Genug, daß den Furien, die ihn jagten, kein Weg zu unwegsam, kein Dickicht zu dicht, kein Dorn zu dornig, keine Nacht zu nächtlich war, sie fegten dies Herz über den herzlosen Boden Ame¬ rika's wie ein dürres Baumblatt im Winde. Aber es war kein dürres Baumblatt, es lebte und blutete, und blutend schleifte es sich von dem methodistischen camp-meeting, von Gadshill, von Anhorst's Grabhügel jetzt seiner verlassenen Hütte zu.
Es war späte Nachtstunde, als Moorfeld sein ödes Heimwesen wieder erreichte.
Wie ein abgetakeltes Wrack trieb Roß und Reiter in den nacht¬ bedeckten Hafen. Kein Salutirschuß der Freundschaft empfängt den Heimkehrenden freudig oder ehrenvoll; als schliche er sich in einen Piratenhafen, ist's traurig-stumm bei seiner Annäherung. Ach, er liegt ja im Grabe, der Mann, für den Moorfeld Dank und Freund¬ schaft hier ausgesäet! Hinter jenen Blockwänden lungert theilnahmlos ein Miethling.
Aber das Blockhaus ist erleuchtet und zwar ungewöhnlich wie es scheint. Noch mehr, lärmende Zecherstimmen hallen daraus durch die Waldnacht.
Moorfeld staunt.
Seltsames Beispiel von Dienertreue! Der trübsinnige Schottländer kennt also doch die Freuden des Trinkgelages; nur -- hinter dem Rücken des Herrn! Oder ist ihm ein Schwarm wilder, ungebetener Gäste in's Haus gefallen, ein Schlag von Backwood-Rowdies, die er anders nicht los wird? Das war Moorfeld's besserer Gedanke.
In diesem Augenblicke stürzte Cäsar über ein paar querliegende Baumstämme. Moorfeld fiel und sah im Finstern den Boden rings bedeckt von frisch geschlagenem Stammholz. Es war wie eine Art Barrikade.
Halloh! Ballan heraus! rief Moorfeld mit hellem Waldruf.
bleich, entſtellt, überwacht, die Geſichtsmuskel abgeſpannt wie die eines Hinzurichtenden, aber das Auge darüber ſchneidig, blitzfunkelnd, wie ein Henkerbeil.
Der Reiter iſt Moorfeld.
Wir erzählen ſeine, ſeit dem Nachtlager am Erieſee durchlebten Stunden durch — Schweigen. Dieſe Oreſtie ſei der Phantaſie des Leſers überlaſſen! Genug, daß den Furien, die ihn jagten, kein Weg zu unwegſam, kein Dickicht zu dicht, kein Dorn zu dornig, keine Nacht zu nächtlich war, ſie fegten dies Herz über den herzloſen Boden Ame¬ rika's wie ein dürres Baumblatt im Winde. Aber es war kein dürres Baumblatt, es lebte und blutete, und blutend ſchleifte es ſich von dem methodiſtiſchen camp-meeting, von Gadshill, von Anhorſt's Grabhügel jetzt ſeiner verlaſſenen Hütte zu.
Es war ſpäte Nachtſtunde, als Moorfeld ſein ödes Heimweſen wieder erreichte.
Wie ein abgetakeltes Wrack trieb Roß und Reiter in den nacht¬ bedeckten Hafen. Kein Salutirſchuß der Freundſchaft empfängt den Heimkehrenden freudig oder ehrenvoll; als ſchliche er ſich in einen Piratenhafen, iſt's traurig-ſtumm bei ſeiner Annäherung. Ach, er liegt ja im Grabe, der Mann, für den Moorfeld Dank und Freund¬ ſchaft hier ausgeſäet! Hinter jenen Blockwänden lungert theilnahmlos ein Miethling.
Aber das Blockhaus iſt erleuchtet und zwar ungewöhnlich wie es ſcheint. Noch mehr, lärmende Zecherſtimmen hallen daraus durch die Waldnacht.
Moorfeld ſtaunt.
Seltſames Beiſpiel von Dienertreue! Der trübſinnige Schottländer kennt alſo doch die Freuden des Trinkgelages; nur — hinter dem Rücken des Herrn! Oder iſt ihm ein Schwarm wilder, ungebetener Gäſte in's Haus gefallen, ein Schlag von Backwood-Rowdies, die er anders nicht los wird? Das war Moorfeld's beſſerer Gedanke.
In dieſem Augenblicke ſtürzte Cäſar über ein paar querliegende Baumſtämme. Moorfeld fiel und ſah im Finſtern den Boden rings bedeckt von friſch geſchlagenem Stammholz. Es war wie eine Art Barrikade.
Halloh! Ballan heraus! rief Moorfeld mit hellem Waldruf.
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bleich, entſtellt, überwacht, die Geſichtsmuskel abgeſpannt wie die eines
Hinzurichtenden, aber das Auge darüber ſchneidig, blitzfunkelnd, wie
ein Henkerbeil.
Der Reiter iſt Moorfeld.
Wir erzählen ſeine, ſeit dem Nachtlager am Erieſee durchlebten
Stunden durch — Schweigen. Dieſe Oreſtie ſei der Phantaſie des
Leſers überlaſſen! Genug, daß den Furien, die ihn jagten, kein Weg
zu unwegſam, kein Dickicht zu dicht, kein Dorn zu dornig, keine Nacht
zu nächtlich war, ſie fegten dies Herz über den herzloſen Boden Ame¬
rika's wie ein dürres Baumblatt im Winde. Aber es war kein dürres
Baumblatt, es lebte und blutete, und blutend ſchleifte es ſich von dem
methodiſtiſchen camp-meeting, von Gadshill, von Anhorſt's Grabhügel
jetzt ſeiner verlaſſenen Hütte zu.
Es war ſpäte Nachtſtunde, als Moorfeld ſein ödes Heimweſen
wieder erreichte.
Wie ein abgetakeltes Wrack trieb Roß und Reiter in den nacht¬
bedeckten Hafen. Kein Salutirſchuß der Freundſchaft empfängt den
Heimkehrenden freudig oder ehrenvoll; als ſchliche er ſich in einen
Piratenhafen, iſt's traurig-ſtumm bei ſeiner Annäherung. Ach, er
liegt ja im Grabe, der Mann, für den Moorfeld Dank und Freund¬
ſchaft hier ausgeſäet! Hinter jenen Blockwänden lungert theilnahmlos
ein Miethling.
Aber das Blockhaus iſt erleuchtet und zwar ungewöhnlich wie es
ſcheint. Noch mehr, lärmende Zecherſtimmen hallen daraus durch die
Waldnacht.
Moorfeld ſtaunt.
Seltſames Beiſpiel von Dienertreue! Der trübſinnige Schottländer
kennt alſo doch die Freuden des Trinkgelages; nur — hinter dem
Rücken des Herrn! Oder iſt ihm ein Schwarm wilder, ungebetener
Gäſte in's Haus gefallen, ein Schlag von Backwood-Rowdies, die er
anders nicht los wird? Das war Moorfeld's beſſerer Gedanke.
In dieſem Augenblicke ſtürzte Cäſar über ein paar querliegende
Baumſtämme. Moorfeld fiel und ſah im Finſtern den Boden rings
bedeckt von friſch geſchlagenem Stammholz. Es war wie eine Art
Barrikade.
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/445>, abgerufen am 23.11.2024.
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