zwischen Kindern und Eltern in Amerika -- leider! kam er jetzt auch in meiner Familie vor! Hohnlachend stürzte der Vater vor seine Tochter. Gut gemacht, Lady, gut gemacht! Und das soll Bennet's Blut sein! -- Es ist's, Sir! Eine Bennet ist lieber die Herrin eines Narren, als die Sklavin eines Genies! Bennet erblaßte. Es ahnte ihm zum erstenmale, daß sein Kind ein Charakter. -- So, mein Herr, ist Miß Cöleste Braut geworden.
In diesem Augenblicke fiel ein Schuß auf der Straße.
Werther! rief Moorfeld emporfahrend.
Es ist seit gestern und heute ein wenig unruhig in der Stadt, ein Riot scheint im Anzuge, sagte Mrs. Bennet mit tiefer Gleichgiltigkeit.
Moorfeld kam zu sich. Glücklicherweise -- wußte er -- klingt Werther zumeist Worther im Englischen; das gräßliche Streiflicht über sein Inneres konnte unzündend abgeblitzt sein.
Er kehrte an seinen Platz zurück.
Die gebeugte Frau war mit ihrer Mittheilung zu Ende. Mühsam nahm Moorfeld das Wort: Ich muß mich mäßigen, Madame, mein Mitgefühl Ihnen auszusprechen. Sie haben mir gezeigt, was an dem Fluche unserer Poesie der Antheil der Frauen ist; könnte es Ihnen zum Troste gereichen, so würde ich Sie auffordern zu einem Rück¬ schluß auf uns selbst. Sie würden Schuld und Strafe, dünkt mir, in einer schauerlichen Harmonie finden. Doch nichts davon! Tragen Sie den Widerschein eines Unglücks als ein ganzes und volles Unglück, ich will nichts verkürzen daran. Nur noch meinen Dank für Ihre Schonung. Daß ich in diese Verhältnisse als ein verkörperter Nero über Ihre Schwelle trat, daß die Aussicht auf einen Wintercursus mit dem Kritiker von "Schäfer's Botschaft" das Maß füllen mußte schon vor Saratoga -- Sie haben es mir, verehrteste Frau --
Verzeihung, Herr Doctor, unterbrach Mistreß Bennet. Ihr Auge ruhte mit jener Anerkennung auf Moorfeld's Gestalt, wie nur die Französin, im Besitze souveräner und berechtigter Geschmacksherrschaft, blicken darf. Allerdings konnte Ihre Erscheinung nicht ungezählt blei¬ ben in unserm Hause. Aber gefürchtet wurde sie nicht. Das Gegen¬ theil ist wahr. Cöleste, die sich zuweilen in Paradoxien gefällt, sagte gradezu: Ich vertraue diesem Europäer, er wird Poet genug sein, gegen die Poesie mich zu schützen.
zwiſchen Kindern und Eltern in Amerika — leider! kam er jetzt auch in meiner Familie vor! Hohnlachend ſtürzte der Vater vor ſeine Tochter. Gut gemacht, Lady, gut gemacht! Und das ſoll Bennet's Blut ſein! — Es iſt's, Sir! Eine Bennet iſt lieber die Herrin eines Narren, als die Sklavin eines Genies! Bennet erblaßte. Es ahnte ihm zum erſtenmale, daß ſein Kind ein Charakter. — So, mein Herr, iſt Miß Cöleſte Braut geworden.
In dieſem Augenblicke fiel ein Schuß auf der Straße.
Werther! rief Moorfeld emporfahrend.
Es iſt ſeit geſtern und heute ein wenig unruhig in der Stadt, ein Riot ſcheint im Anzuge, ſagte Mrs. Bennet mit tiefer Gleichgiltigkeit.
Moorfeld kam zu ſich. Glücklicherweiſe — wußte er — klingt Werther zumeiſt Worther im Engliſchen; das gräßliche Streiflicht über ſein Inneres konnte unzündend abgeblitzt ſein.
Er kehrte an ſeinen Platz zurück.
Die gebeugte Frau war mit ihrer Mittheilung zu Ende. Mühſam nahm Moorfeld das Wort: Ich muß mich mäßigen, Madame, mein Mitgefühl Ihnen auszuſprechen. Sie haben mir gezeigt, was an dem Fluche unſerer Poeſie der Antheil der Frauen iſt; könnte es Ihnen zum Troſte gereichen, ſo würde ich Sie auffordern zu einem Rück¬ ſchluß auf uns ſelbſt. Sie würden Schuld und Strafe, dünkt mir, in einer ſchauerlichen Harmonie finden. Doch nichts davon! Tragen Sie den Widerſchein eines Unglücks als ein ganzes und volles Unglück, ich will nichts verkürzen daran. Nur noch meinen Dank für Ihre Schonung. Daß ich in dieſe Verhältniſſe als ein verkörperter Nero über Ihre Schwelle trat, daß die Ausſicht auf einen Wintercurſus mit dem Kritiker von „Schäfer's Botſchaft“ das Maß füllen mußte ſchon vor Saratoga — Sie haben es mir, verehrteſte Frau —
Verzeihung, Herr Doctor, unterbrach Miſtreß Bennet. Ihr Auge ruhte mit jener Anerkennung auf Moorfeld's Geſtalt, wie nur die Franzöſin, im Beſitze ſouveräner und berechtigter Geſchmacksherrſchaft, blicken darf. Allerdings konnte Ihre Erſcheinung nicht ungezählt blei¬ ben in unſerm Hauſe. Aber gefürchtet wurde ſie nicht. Das Gegen¬ theil iſt wahr. Cöleſte, die ſich zuweilen in Paradoxien gefällt, ſagte gradezu: Ich vertraue dieſem Europäer, er wird Poet genug ſein, gegen die Poeſie mich zu ſchützen.
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zwiſchen Kindern und Eltern in Amerika — leider! kam er jetzt auch
in meiner Familie vor! Hohnlachend ſtürzte der Vater vor ſeine
Tochter. Gut gemacht, Lady, gut gemacht! Und das ſoll Bennet's
Blut ſein! — Es iſt's, Sir! Eine Bennet iſt lieber die Herrin eines
Narren, als die Sklavin eines Genies! Bennet erblaßte. Es ahnte
ihm zum erſtenmale, daß ſein Kind ein Charakter. — So, mein
Herr, iſt Miß Cöleſte Braut geworden.
In dieſem Augenblicke fiel ein Schuß auf der Straße.
Werther! rief Moorfeld emporfahrend.
Es iſt ſeit geſtern und heute ein wenig unruhig in der Stadt, ein
Riot ſcheint im Anzuge, ſagte Mrs. Bennet mit tiefer Gleichgiltigkeit.
Moorfeld kam zu ſich. Glücklicherweiſe — wußte er — klingt
Werther zumeiſt Worther im Engliſchen; das gräßliche Streiflicht über
ſein Inneres konnte unzündend abgeblitzt ſein.
Er kehrte an ſeinen Platz zurück.
Die gebeugte Frau war mit ihrer Mittheilung zu Ende. Mühſam
nahm Moorfeld das Wort: Ich muß mich mäßigen, Madame, mein
Mitgefühl Ihnen auszuſprechen. Sie haben mir gezeigt, was an dem
Fluche unſerer Poeſie der Antheil der Frauen iſt; könnte es Ihnen
zum Troſte gereichen, ſo würde ich Sie auffordern zu einem Rück¬
ſchluß auf uns ſelbſt. Sie würden Schuld und Strafe, dünkt mir, in
einer ſchauerlichen Harmonie finden. Doch nichts davon! Tragen Sie
den Widerſchein eines Unglücks als ein ganzes und volles Unglück,
ich will nichts verkürzen daran. Nur noch meinen Dank für Ihre
Schonung. Daß ich in dieſe Verhältniſſe als ein verkörperter Nero
über Ihre Schwelle trat, daß die Ausſicht auf einen Wintercurſus mit
dem Kritiker von „Schäfer's Botſchaft“ das Maß füllen mußte ſchon
vor Saratoga — Sie haben es mir, verehrteſte Frau —
Verzeihung, Herr Doctor, unterbrach Miſtreß Bennet. Ihr Auge
ruhte mit jener Anerkennung auf Moorfeld's Geſtalt, wie nur die
Franzöſin, im Beſitze ſouveräner und berechtigter Geſchmacksherrſchaft,
blicken darf. Allerdings konnte Ihre Erſcheinung nicht ungezählt blei¬
ben in unſerm Hauſe. Aber gefürchtet wurde ſie nicht. Das Gegen¬
theil iſt wahr. Cöleſte, die ſich zuweilen in Paradoxien gefällt, ſagte
gradezu: Ich vertraue dieſem Europäer, er wird Poet genug ſein,
gegen die Poeſie mich zu ſchützen.
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/509>, abgerufen am 21.11.2024.
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