Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.Das Riesenhaupt der Meduse draußen versteinert ihn nicht, er ist's, Das Universum stockt und starrt, Kein Puls des Lebens geht; Die Welt probirt, wie die Vernichtung Ihr zu Gesichte steht! Ja, ja, ich seh' ein Leichenfest; Ein zweiter Souverän Geht hinter seinem leeren Sarg Mit Sterblichkeitsgestöhn. Gib Acht, gib Acht! du parodirst Nicht ungestraft des Todes Mächte; Der falsche Sarg geht vor dir her, Doch auf dem Fuß folgt dir der rechte! Es setze sich kein Mensch die Sphinx Vor seines Lebens Pyramide -- Die ausdruckslose Ewigkeit Mit schlaflos-todtem Augenlide! Der Nil versumpft, der Sand dringt vor, Ruinen seh' ich rings Und Memphis, Sabbath, Pfaff und Volk Verschlang die graue Sphinx. -- Laßt ab! ihr nietet allzu fest Das Nicht-Sein an das Sein; Malt mir in's Leben keinen Zug, Den euch Gespenster leihn. -- Der Dichter liebt ein Volk, das kühn Religionen überlebt; Nicht liebt er die Religion, Die sitten-starr ein Volk begräbt. Wir haben uns nicht enthalten, diese Verse mitzutheilen; sie schie¬ D. B. VII. Der Amerika-Müde. 4
Das Rieſenhaupt der Meduſe draußen verſteinert ihn nicht, er iſt's, Das Univerſum ſtockt und ſtarrt, Kein Puls des Lebens geht; Die Welt probirt, wie die Vernichtung Ihr zu Geſichte ſteht! Ja, ja, ich ſeh' ein Leichenfeſt; Ein zweiter Souverän Geht hinter ſeinem leeren Sarg Mit Sterblichkeitsgeſtöhn. Gib Acht, gib Acht! du parodirſt Nicht ungeſtraft des Todes Mächte; Der falſche Sarg geht vor dir her, Doch auf dem Fuß folgt dir der rechte! Es ſetze ſich kein Menſch die Sphinx Vor ſeines Lebens Pyramide — Die ausdrucksloſe Ewigkeit Mit ſchlaflos-todtem Augenlide! Der Nil verſumpft, der Sand dringt vor, Ruinen ſeh' ich rings Und Memphis, Sabbath, Pfaff und Volk Verſchlang die graue Sphinx. — Laßt ab! ihr nietet allzu feſt Das Nicht-Sein an das Sein; Malt mir in's Leben keinen Zug, Den euch Geſpenſter leihn. — Der Dichter liebt ein Volk, das kühn Religionen überlebt; Nicht liebt er die Religion, Die ſitten-ſtarr ein Volk begräbt. Wir haben uns nicht enthalten, dieſe Verſe mitzutheilen; ſie ſchie¬ D. B. VII. Der Amerika-Müde. 4
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Das Rieſenhaupt der Meduſe draußen verſteinert ihn nicht, er iſt's,
der in ihre Züge die Seele wirft. Mit großen Blicken die große
Leerheit durchbohrend, ſagt er ihr folgendes:
Das Univerſum ſtockt und ſtarrt,
Kein Puls des Lebens geht;
Die Welt probirt, wie die Vernichtung
Ihr zu Geſichte ſteht!
Ja, ja, ich ſeh' ein Leichenfeſt;
Ein zweiter Souverän
Geht hinter ſeinem leeren Sarg
Mit Sterblichkeitsgeſtöhn.
Gib Acht, gib Acht! du parodirſt
Nicht ungeſtraft des Todes Mächte;
Der falſche Sarg geht vor dir her,
Doch auf dem Fuß folgt dir der rechte!
Es ſetze ſich kein Menſch die Sphinx
Vor ſeines Lebens Pyramide —
Die ausdrucksloſe Ewigkeit
Mit ſchlaflos-todtem Augenlide!
Der Nil verſumpft, der Sand dringt vor,
Ruinen ſeh' ich rings
Und Memphis, Sabbath, Pfaff und Volk
Verſchlang die graue Sphinx. —
Laßt ab! ihr nietet allzu feſt
Das Nicht-Sein an das Sein;
Malt mir in's Leben keinen Zug,
Den euch Geſpenſter leihn. —
Der Dichter liebt ein Volk, das kühn
Religionen überlebt;
Nicht liebt er die Religion,
Die ſitten-ſtarr ein Volk begräbt.
Wir haben uns nicht enthalten, dieſe Verſe mitzutheilen; ſie ſchie¬
nen uns beſſer, als wir's beſchreiben möchten, die eigenthümliche Pu¬
ritanerluft, in der ſie empfangen ſind, zu verſinnlichen. Mit ſchroffer,
liebloſer Kürze berührt das Lied ſchwere Gedanken ohne ſie auszu¬
D. B. VII. Der Amerika-Müde. 4
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