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Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ordnung, sagte der Kreishauptmann, da läßt sich nichts machen. Darauf mußt' ich meine Legitimationen vorlegen und die ganze lange Formalität aushalten, die mich nun doch nichts mehr anging, die eigentliche Testamentseröffnung. Ich saß dabei wie ein Mäuschen und wischte mir, glaub' ich, manchmal die Augen. Als Alles überstanden war, bat ich den Amtshauptmann demüthig, er möchte nur keinen Lärm damit machen; ich würd' auch die anderen Herren darum bitten. Das ist nicht nöthig, sagt er, die schweigen gewiß. Wenig Ehre macht es ihnen, die sich zu Eurem Verzicht als Notare und als Zeugen hergegeben.

Denn sehen Sie, daß die Geschichte nicht aufkäme, daran lag mir jetzt Alles, wie Sie als ein denkender Mann wohl einsehen werden. Was fruchtete es, wenn ich mir selber den Fehler vergab und, wo's nicht gehen wollte, ein Fläschchen extra trank zur Herzermunterung? Die Kinder wachsen auf. Jetzt sind sie im Himmel, daß wir Bäben und Blinsen backen außer der Zeit, und daß sie Gemaltes und Vergoldtes zum Spiele haben, mehr als das ganze Erzgebirg. Aber kommt ihnen einst die Vernunft und ich sitz' als Auszügler im Hinterstübchen -- gnad' mir Gott! Wir könnten ein Rittergut haben und den Adel dazu, und wären in der ersten Kammer am Landtag, hätt' unsern Alten nicht der Dummbeutel geschlagen: das würden die täglichen Fettaugen auf meiner Gnadensuppe sein. Ach Herr, auf dem Lande ist erst recht kein Gemüth bei den Kindern: sie treten uns klein auf die Zehe und groß aufs Herz -- es ist ein Sprichwort und Wahrwort. Und das Gehänsel und Gehetz von der übrigen Sippschaft, und wie sich jeder Neidhart an mir letzen würde und mir den Narren stechen, nicht darum, weil ich mich selber verkürzt, sondern weil ich noch immer länger bin als das andere Grummet: das stand mir gleich in Pirna vor meinem Geist, und darnach hielt

Ordnung, sagte der Kreishauptmann, da läßt sich nichts machen. Darauf mußt' ich meine Legitimationen vorlegen und die ganze lange Formalität aushalten, die mich nun doch nichts mehr anging, die eigentliche Testamentseröffnung. Ich saß dabei wie ein Mäuschen und wischte mir, glaub' ich, manchmal die Augen. Als Alles überstanden war, bat ich den Amtshauptmann demüthig, er möchte nur keinen Lärm damit machen; ich würd' auch die anderen Herren darum bitten. Das ist nicht nöthig, sagt er, die schweigen gewiß. Wenig Ehre macht es ihnen, die sich zu Eurem Verzicht als Notare und als Zeugen hergegeben.

Denn sehen Sie, daß die Geschichte nicht aufkäme, daran lag mir jetzt Alles, wie Sie als ein denkender Mann wohl einsehen werden. Was fruchtete es, wenn ich mir selber den Fehler vergab und, wo's nicht gehen wollte, ein Fläschchen extra trank zur Herzermunterung? Die Kinder wachsen auf. Jetzt sind sie im Himmel, daß wir Bäben und Blinsen backen außer der Zeit, und daß sie Gemaltes und Vergoldtes zum Spiele haben, mehr als das ganze Erzgebirg. Aber kommt ihnen einst die Vernunft und ich sitz' als Auszügler im Hinterstübchen — gnad' mir Gott! Wir könnten ein Rittergut haben und den Adel dazu, und wären in der ersten Kammer am Landtag, hätt' unsern Alten nicht der Dummbeutel geschlagen: das würden die täglichen Fettaugen auf meiner Gnadensuppe sein. Ach Herr, auf dem Lande ist erst recht kein Gemüth bei den Kindern: sie treten uns klein auf die Zehe und groß aufs Herz — es ist ein Sprichwort und Wahrwort. Und das Gehänsel und Gehetz von der übrigen Sippschaft, und wie sich jeder Neidhart an mir letzen würde und mir den Narren stechen, nicht darum, weil ich mich selber verkürzt, sondern weil ich noch immer länger bin als das andere Grummet: das stand mir gleich in Pirna vor meinem Geist, und darnach hielt

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:57:16Z)

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/40>, abgerufen am 21.11.2024.