Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Klafter tief im Elend, als daß er's beim Matzchen aushält. Und mein Rudolf selbst -- Das geht doch über die Hutschnur! Schreit er verwichen, als wollt' er Todte aufwecken: alle guten Geister, das Matzchen! und rennt auf und davon. Er kam mir über eine Dose -- doch, Sie sind ein Gelehrter, Sie kennen Alles. Der Bauer hielt ein Schächtelchen hin und fragte: Was für ein Vöglein ist da drinnen! -- Ei siehe, ein Kolibri! rief der Doctor überrascht von dem schmucken Anblick. -- Richtig, ein Kolibri; so nannt's der Brasilianer auch. Er bracht' es mit allerlei Andenken von Rio Janeiro mit, ich schmiß aber den Kram in die Elbe im ersten Zorn, als ich gefoppt war. Nur das Dings da verkümmelte sich, und weil's ein so galantes Geschöpfchen ist, so wollt' ich's den Kindern zum Spielen geben. Nachgerade wurmte mich aber doch Alles, was mich an den gelben Hallunken erinnerte, ich stellte mir's aus den Augen zu dem anderen Gemüle aufs Gesims. Das ist nun ein Matzchen, sichtlich und greiflich, ein Prachtstück, das sich gewaschen hat! He, Herr Doctor? -- Der Doctor fuhr sich wie im Traume über die Stirne und murmelte für sich: Ja, so entstehen die Sagen! -- Der Kranke, ganz mit seinem Grame beschäftigt, fuhr fort: Hätte mir doch Einer das gleich , gesagt! Damals war's noch Zeit; -- ich subhaftirte meine Habe und zog in die Fremde. Gegentheils nun unterschrieb ich Tag für Tag einen anderen Kauf- und Baucontract, pachtete Gemeinheiten, ging ins Geschirr mit meinem ganzen Vermögen, -- und wie ich meine, die Mahlzeit wär' angericht't und es sollt' uns nun schmecken, so gut es noch kann: da schmeißt mir der Satan das Matzchen in den Topf! Daß euch das heilige Donnerwetter! Der Höllenbalg war schon halb crepirt, -- wer sprach noch vom Matzchen? Schäfer und alte Weiber! Aber Bosheit ist dabei, sag' ich Ihnen. Sie stellen sich zu Fleiß so. Die zwei Kern- Klafter tief im Elend, als daß er's beim Matzchen aushält. Und mein Rudolf selbst — Das geht doch über die Hutschnur! Schreit er verwichen, als wollt' er Todte aufwecken: alle guten Geister, das Matzchen! und rennt auf und davon. Er kam mir über eine Dose — doch, Sie sind ein Gelehrter, Sie kennen Alles. Der Bauer hielt ein Schächtelchen hin und fragte: Was für ein Vöglein ist da drinnen! — Ei siehe, ein Kolibri! rief der Doctor überrascht von dem schmucken Anblick. — Richtig, ein Kolibri; so nannt's der Brasilianer auch. Er bracht' es mit allerlei Andenken von Rio Janeiro mit, ich schmiß aber den Kram in die Elbe im ersten Zorn, als ich gefoppt war. Nur das Dings da verkümmelte sich, und weil's ein so galantes Geschöpfchen ist, so wollt' ich's den Kindern zum Spielen geben. Nachgerade wurmte mich aber doch Alles, was mich an den gelben Hallunken erinnerte, ich stellte mir's aus den Augen zu dem anderen Gemüle aufs Gesims. Das ist nun ein Matzchen, sichtlich und greiflich, ein Prachtstück, das sich gewaschen hat! He, Herr Doctor? — Der Doctor fuhr sich wie im Traume über die Stirne und murmelte für sich: Ja, so entstehen die Sagen! — Der Kranke, ganz mit seinem Grame beschäftigt, fuhr fort: Hätte mir doch Einer das gleich , gesagt! Damals war's noch Zeit; — ich subhaftirte meine Habe und zog in die Fremde. Gegentheils nun unterschrieb ich Tag für Tag einen anderen Kauf- und Baucontract, pachtete Gemeinheiten, ging ins Geschirr mit meinem ganzen Vermögen, — und wie ich meine, die Mahlzeit wär' angericht't und es sollt' uns nun schmecken, so gut es noch kann: da schmeißt mir der Satan das Matzchen in den Topf! Daß euch das heilige Donnerwetter! Der Höllenbalg war schon halb crepirt, — wer sprach noch vom Matzchen? Schäfer und alte Weiber! Aber Bosheit ist dabei, sag' ich Ihnen. Sie stellen sich zu Fleiß so. Die zwei Kern- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0042"/> Klafter tief im Elend, als daß er's beim Matzchen aushält. Und mein Rudolf selbst — Das geht doch über die Hutschnur! Schreit er verwichen, als wollt' er Todte aufwecken: alle guten Geister, das Matzchen! und rennt auf und davon. Er kam mir über eine Dose — doch, Sie sind ein Gelehrter, Sie kennen Alles. Der Bauer hielt ein Schächtelchen hin und fragte: Was für ein Vöglein ist da drinnen! — Ei siehe, ein Kolibri! rief der Doctor überrascht von dem schmucken Anblick. — Richtig, ein Kolibri; so nannt's der Brasilianer auch. Er bracht' es mit allerlei Andenken von Rio Janeiro mit, ich schmiß aber den Kram in die Elbe im ersten Zorn, als ich gefoppt war. Nur das Dings da verkümmelte sich, und weil's ein so galantes Geschöpfchen ist, so wollt' ich's den Kindern zum Spielen geben. Nachgerade wurmte mich aber doch Alles, was mich an den gelben Hallunken erinnerte, ich stellte mir's aus den Augen zu dem anderen Gemüle aufs Gesims. Das ist nun ein Matzchen, sichtlich und greiflich, ein Prachtstück, das sich gewaschen hat! He, Herr Doctor? — Der Doctor fuhr sich wie im Traume über die Stirne und murmelte für sich: Ja, so entstehen die Sagen! — Der Kranke, ganz mit seinem Grame beschäftigt, fuhr fort: Hätte mir doch Einer das gleich , gesagt! Damals war's noch Zeit; — ich subhaftirte meine Habe und zog in die Fremde. Gegentheils nun unterschrieb ich Tag für Tag einen anderen Kauf- und Baucontract, pachtete Gemeinheiten, ging ins Geschirr mit meinem ganzen Vermögen, — und wie ich meine, die Mahlzeit wär' angericht't und es sollt' uns nun schmecken, so gut es noch kann: da schmeißt mir der Satan das Matzchen in den Topf! Daß euch das heilige Donnerwetter! Der Höllenbalg war schon halb crepirt, — wer sprach noch vom Matzchen? Schäfer und alte Weiber! Aber Bosheit ist dabei, sag' ich Ihnen. Sie stellen sich zu Fleiß so. Die zwei Kern-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
Klafter tief im Elend, als daß er's beim Matzchen aushält. Und mein Rudolf selbst — Das geht doch über die Hutschnur! Schreit er verwichen, als wollt' er Todte aufwecken: alle guten Geister, das Matzchen! und rennt auf und davon. Er kam mir über eine Dose — doch, Sie sind ein Gelehrter, Sie kennen Alles. Der Bauer hielt ein Schächtelchen hin und fragte: Was für ein Vöglein ist da drinnen! — Ei siehe, ein Kolibri! rief der Doctor überrascht von dem schmucken Anblick. — Richtig, ein Kolibri; so nannt's der Brasilianer auch. Er bracht' es mit allerlei Andenken von Rio Janeiro mit, ich schmiß aber den Kram in die Elbe im ersten Zorn, als ich gefoppt war. Nur das Dings da verkümmelte sich, und weil's ein so galantes Geschöpfchen ist, so wollt' ich's den Kindern zum Spielen geben. Nachgerade wurmte mich aber doch Alles, was mich an den gelben Hallunken erinnerte, ich stellte mir's aus den Augen zu dem anderen Gemüle aufs Gesims. Das ist nun ein Matzchen, sichtlich und greiflich, ein Prachtstück, das sich gewaschen hat! He, Herr Doctor? — Der Doctor fuhr sich wie im Traume über die Stirne und murmelte für sich: Ja, so entstehen die Sagen! — Der Kranke, ganz mit seinem Grame beschäftigt, fuhr fort: Hätte mir doch Einer das gleich , gesagt! Damals war's noch Zeit; — ich subhaftirte meine Habe und zog in die Fremde. Gegentheils nun unterschrieb ich Tag für Tag einen anderen Kauf- und Baucontract, pachtete Gemeinheiten, ging ins Geschirr mit meinem ganzen Vermögen, — und wie ich meine, die Mahlzeit wär' angericht't und es sollt' uns nun schmecken, so gut es noch kann: da schmeißt mir der Satan das Matzchen in den Topf! Daß euch das heilige Donnerwetter! Der Höllenbalg war schon halb crepirt, — wer sprach noch vom Matzchen? Schäfer und alte Weiber! Aber Bosheit ist dabei, sag' ich Ihnen. Sie stellen sich zu Fleiß so. Die zwei Kern-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:57:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:57:16Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |