Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

spricht ländliche Höflichkeit ans Herz. Es verlangte ihn jetzt nach einer Unterhaltung mit den schlichten Gebirgsleuten, und hatte seine Dazwischenkunft ihr eigenes Gespräch wahrscheinlich gestört, so war's um so mehr an ihm, ein neues dafür an die Bahn zu bringen. Der Stoff, den er wählen sollte, blieb ihm nicht lange zweifelhaft. Er hatte eine abergläubische Meinung aussprechen gehört, und überzeugt, daß diese Saite am Leichtesten töne, wenn man sie berühre im Volke, knüpfte er das Gespräch daran an.

Ihr haltet's also für gefährlich, nächtlicherweise sich umzusehen im Freien?

Ne; das Gegaff hinter sich bringt nichts Gutes, sagte der Sprecher auf der Ofenbank.

Hat man denn Beispiele, daß Der oder Jener was Schlimmes dabei gesehen?

Gesehen! Wie, Herr, gesehen? Mit dem Sehen läuft es so leicht nicht ab. Gemeiniglich häkelt sich da was an, das führt noch weiter.

Wie meint Ihr das?

Nun, ich setze das Beispiel, es will Einer den Drachen -- mit Verlaub, Herr, das Wort sollte man freilich nicht nennen; man sagt lieber das Matzchen: -- also es will Einer das Matzchen; ei, wie fängt er das an? Den Spruch kennt Niemand nicht; aber der Böse läßt sich am Wink genügen. Da kommt er denn oft schon, nur wenn man sich umsieht bei Nacht. Natürlich! Gott hat dem Menschen das Augenlicht vorne gegeben; was braucht er viel hinterrücks zu stieren? Das ist das Widerspiel. Der Blick vornaus ist Gottes, so ist der Blick rückwärts nothwendig des Teufels. Ich finde das einleuchtend.

Ei, sagte der Doctor, ich möcht' Euch fast beifallen, lieber Mann; es ist nicht ohne Verstand, was Ihr da sprecht. Und wißt Ihr, wie ich's verstehe? Ich denke mir das so: vornaus ist die Zukunft, und

spricht ländliche Höflichkeit ans Herz. Es verlangte ihn jetzt nach einer Unterhaltung mit den schlichten Gebirgsleuten, und hatte seine Dazwischenkunft ihr eigenes Gespräch wahrscheinlich gestört, so war's um so mehr an ihm, ein neues dafür an die Bahn zu bringen. Der Stoff, den er wählen sollte, blieb ihm nicht lange zweifelhaft. Er hatte eine abergläubische Meinung aussprechen gehört, und überzeugt, daß diese Saite am Leichtesten töne, wenn man sie berühre im Volke, knüpfte er das Gespräch daran an.

Ihr haltet's also für gefährlich, nächtlicherweise sich umzusehen im Freien?

Ne; das Gegaff hinter sich bringt nichts Gutes, sagte der Sprecher auf der Ofenbank.

Hat man denn Beispiele, daß Der oder Jener was Schlimmes dabei gesehen?

Gesehen! Wie, Herr, gesehen? Mit dem Sehen läuft es so leicht nicht ab. Gemeiniglich häkelt sich da was an, das führt noch weiter.

Wie meint Ihr das?

Nun, ich setze das Beispiel, es will Einer den Drachen — mit Verlaub, Herr, das Wort sollte man freilich nicht nennen; man sagt lieber das Matzchen: — also es will Einer das Matzchen; ei, wie fängt er das an? Den Spruch kennt Niemand nicht; aber der Böse läßt sich am Wink genügen. Da kommt er denn oft schon, nur wenn man sich umsieht bei Nacht. Natürlich! Gott hat dem Menschen das Augenlicht vorne gegeben; was braucht er viel hinterrücks zu stieren? Das ist das Widerspiel. Der Blick vornaus ist Gottes, so ist der Blick rückwärts nothwendig des Teufels. Ich finde das einleuchtend.

Ei, sagte der Doctor, ich möcht' Euch fast beifallen, lieber Mann; es ist nicht ohne Verstand, was Ihr da sprecht. Und wißt Ihr, wie ich's verstehe? Ich denke mir das so: vornaus ist die Zukunft, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0009"/>
spricht ländliche Höflichkeit ans Herz. Es verlangte ihn      jetzt nach einer Unterhaltung mit den schlichten Gebirgsleuten, und hatte seine Dazwischenkunft      ihr eigenes Gespräch wahrscheinlich gestört, so war's um so mehr an ihm, ein neues dafür an die      Bahn zu bringen. Der Stoff, den er wählen sollte, blieb ihm nicht lange zweifelhaft. Er hatte      eine abergläubische Meinung aussprechen gehört, und überzeugt, daß diese Saite am Leichtesten      töne, wenn man sie berühre im Volke, knüpfte er das Gespräch daran an.</p><lb/>
        <p>Ihr haltet's also für gefährlich, nächtlicherweise sich umzusehen im Freien?</p><lb/>
        <p>Ne; das Gegaff hinter sich bringt nichts Gutes, sagte der Sprecher auf der Ofenbank.</p><lb/>
        <p>Hat man denn Beispiele, daß Der oder Jener was Schlimmes dabei gesehen?</p><lb/>
        <p>Gesehen! Wie, Herr, gesehen? Mit dem Sehen läuft es so leicht nicht ab. Gemeiniglich häkelt      sich da was an, das führt noch weiter.</p><lb/>
        <p>Wie meint Ihr das?</p><lb/>
        <p>Nun, ich setze das Beispiel, es will Einer den Drachen &#x2014; mit Verlaub, Herr, das Wort sollte      man freilich nicht nennen; man sagt lieber das Matzchen: &#x2014; also es will Einer das Matzchen; ei,      wie fängt er das an? Den Spruch kennt Niemand nicht; aber der Böse läßt sich am Wink genügen.      Da kommt er denn oft schon, nur wenn man sich umsieht bei Nacht. Natürlich! Gott hat dem      Menschen das Augenlicht vorne gegeben; was braucht er viel hinterrücks zu stieren? Das ist das      Widerspiel. Der Blick vornaus ist Gottes, so ist der Blick rückwärts nothwendig des Teufels.      Ich finde das einleuchtend.</p><lb/>
        <p>Ei, sagte der Doctor, ich möcht' Euch fast beifallen, lieber Mann; es ist nicht ohne      Verstand, was Ihr da sprecht. Und wißt Ihr, wie ich's verstehe? Ich denke mir das so: vornaus      ist die Zukunft, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] spricht ländliche Höflichkeit ans Herz. Es verlangte ihn jetzt nach einer Unterhaltung mit den schlichten Gebirgsleuten, und hatte seine Dazwischenkunft ihr eigenes Gespräch wahrscheinlich gestört, so war's um so mehr an ihm, ein neues dafür an die Bahn zu bringen. Der Stoff, den er wählen sollte, blieb ihm nicht lange zweifelhaft. Er hatte eine abergläubische Meinung aussprechen gehört, und überzeugt, daß diese Saite am Leichtesten töne, wenn man sie berühre im Volke, knüpfte er das Gespräch daran an. Ihr haltet's also für gefährlich, nächtlicherweise sich umzusehen im Freien? Ne; das Gegaff hinter sich bringt nichts Gutes, sagte der Sprecher auf der Ofenbank. Hat man denn Beispiele, daß Der oder Jener was Schlimmes dabei gesehen? Gesehen! Wie, Herr, gesehen? Mit dem Sehen läuft es so leicht nicht ab. Gemeiniglich häkelt sich da was an, das führt noch weiter. Wie meint Ihr das? Nun, ich setze das Beispiel, es will Einer den Drachen — mit Verlaub, Herr, das Wort sollte man freilich nicht nennen; man sagt lieber das Matzchen: — also es will Einer das Matzchen; ei, wie fängt er das an? Den Spruch kennt Niemand nicht; aber der Böse läßt sich am Wink genügen. Da kommt er denn oft schon, nur wenn man sich umsieht bei Nacht. Natürlich! Gott hat dem Menschen das Augenlicht vorne gegeben; was braucht er viel hinterrücks zu stieren? Das ist das Widerspiel. Der Blick vornaus ist Gottes, so ist der Blick rückwärts nothwendig des Teufels. Ich finde das einleuchtend. Ei, sagte der Doctor, ich möcht' Euch fast beifallen, lieber Mann; es ist nicht ohne Verstand, was Ihr da sprecht. Und wißt Ihr, wie ich's verstehe? Ich denke mir das so: vornaus ist die Zukunft, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:57:16Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/9
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/9>, abgerufen am 21.11.2024.