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Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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besonders Gestalten aus dem Sagenkreise von Troja dargestellt zu sein: außer jener Helena glaubte Stuart hier zunächst einen Paris zu erkennen; ein vom Adler emporgetragener Jüngling, an einem dritten Pfeiler, konnte nur den Ganymed vorstellen. Auf der Rückseite waren Gestalten der bacchischen Mythe enthalten. Stuart untersuchte Alles genau, nahm die nöthigsten Maße und machte sich dann an die bildliche Aufnahme der einzelnen Gestalten. Die gründliche Durchführung der Zeichnungen erforderte eine längere Zeit und veranlaßte ihn mehrere Wochen hindurch zur täglichen Wiederkehr.

Begreiflicherweise hatte das Unternehmen des Engländers die lebhafteste Neugier bei sämmtlichen Bewohnern des Hauses erregt, die sich zur staunenden Verwunderung steigerte, als man die ausführlichen Zeichnungen der Bildwerke, Spiegelbildern gleich, unter seiner Hand entstehen sah. Schon fing man an, ihm bei der Arbeit selbst lästig und hinderlich zu werden; doch genügte ein hingeworfenes Wort über diese Unbequemlichkeit gegen Baruch, um das Gerüst sofort von allen überflüssigen Besuchern frei zu halten. Ueberhaupt war der Alte unausgesetzt bemüht, sich gegen ihn in zuvorkommender Weise zu benehmen. Täglich erschien jener kleine Diener auf dem Gerüste, dem fleißigen Maler irgend eine Erfrischung, eingemachte Früchte oder Aehnliches, zu bringen. Bald auch führte Baruch ihn, zum Zeichen besonderer Werthschätzung und Vertraulichkeit, in sein Familiengemach ein, wo Stuart,

besonders Gestalten aus dem Sagenkreise von Troja dargestellt zu sein: außer jener Helena glaubte Stuart hier zunächst einen Paris zu erkennen; ein vom Adler emporgetragener Jüngling, an einem dritten Pfeiler, konnte nur den Ganymed vorstellen. Auf der Rückseite waren Gestalten der bacchischen Mythe enthalten. Stuart untersuchte Alles genau, nahm die nöthigsten Maße und machte sich dann an die bildliche Aufnahme der einzelnen Gestalten. Die gründliche Durchführung der Zeichnungen erforderte eine längere Zeit und veranlaßte ihn mehrere Wochen hindurch zur täglichen Wiederkehr.

Begreiflicherweise hatte das Unternehmen des Engländers die lebhafteste Neugier bei sämmtlichen Bewohnern des Hauses erregt, die sich zur staunenden Verwunderung steigerte, als man die ausführlichen Zeichnungen der Bildwerke, Spiegelbildern gleich, unter seiner Hand entstehen sah. Schon fing man an, ihm bei der Arbeit selbst lästig und hinderlich zu werden; doch genügte ein hingeworfenes Wort über diese Unbequemlichkeit gegen Baruch, um das Gerüst sofort von allen überflüssigen Besuchern frei zu halten. Ueberhaupt war der Alte unausgesetzt bemüht, sich gegen ihn in zuvorkommender Weise zu benehmen. Täglich erschien jener kleine Diener auf dem Gerüste, dem fleißigen Maler irgend eine Erfrischung, eingemachte Früchte oder Aehnliches, zu bringen. Bald auch führte Baruch ihn, zum Zeichen besonderer Werthschätzung und Vertraulichkeit, in sein Familiengemach ein, wo Stuart,

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[0046] besonders Gestalten aus dem Sagenkreise von Troja dargestellt zu sein: außer jener Helena glaubte Stuart hier zunächst einen Paris zu erkennen; ein vom Adler emporgetragener Jüngling, an einem dritten Pfeiler, konnte nur den Ganymed vorstellen. Auf der Rückseite waren Gestalten der bacchischen Mythe enthalten. Stuart untersuchte Alles genau, nahm die nöthigsten Maße und machte sich dann an die bildliche Aufnahme der einzelnen Gestalten. Die gründliche Durchführung der Zeichnungen erforderte eine längere Zeit und veranlaßte ihn mehrere Wochen hindurch zur täglichen Wiederkehr. Begreiflicherweise hatte das Unternehmen des Engländers die lebhafteste Neugier bei sämmtlichen Bewohnern des Hauses erregt, die sich zur staunenden Verwunderung steigerte, als man die ausführlichen Zeichnungen der Bildwerke, Spiegelbildern gleich, unter seiner Hand entstehen sah. Schon fing man an, ihm bei der Arbeit selbst lästig und hinderlich zu werden; doch genügte ein hingeworfenes Wort über diese Unbequemlichkeit gegen Baruch, um das Gerüst sofort von allen überflüssigen Besuchern frei zu halten. Ueberhaupt war der Alte unausgesetzt bemüht, sich gegen ihn in zuvorkommender Weise zu benehmen. Täglich erschien jener kleine Diener auf dem Gerüste, dem fleißigen Maler irgend eine Erfrischung, eingemachte Früchte oder Aehnliches, zu bringen. Bald auch führte Baruch ihn, zum Zeichen besonderer Werthschätzung und Vertraulichkeit, in sein Familiengemach ein, wo Stuart,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:01:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:01:39Z)

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Zitationshilfe: Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/46>, abgerufen am 03.12.2024.