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Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seines Geldes verloren habe. Er sei genöthigt, Einiges von seinen Besitzthümern zu verkaufen, um die Reise fortsetzen zu können, und frage daher bei Baruch an, ob er geneigt sei, ihm die Zeugstoffe, die in dem mitgebrachten Ballen enthalten seien, zu einem mäßigen Preise abzukaufen. Der Jude verlangte die Stoffe zu sehen. Logotheti schnürte den Ballen auf und breitete vor jenem eine Anzahl der schönsten orientalischen Zeuge aus. Baruch musterte Alles mit scharfem, glänzendem Auge durch. Die kostbaren Schätze verfehlten nicht, auch auf die übrigen Bewohner des Hauses, die schon an Thür und Fenstern gelauscht hatten, ihren Eindruck hervorzubringen; bald waren die Handelnden von einem Kreise von Zuschauern, unter denen auch die Weiber nicht fehlten, umringt; man sah ihren Mienen das nur mühsam zurückgehaltene Entzücken über diese Herrlichkeiten an; Debora, die mit dabei stand und wenigstens für den Augenblick ihre frühere Heiterkeit wieder erhalten zu haben schien, brach gelegentlich in einen lauten Ruf der Bewunderung aus. Endlich hatte Baruch seine Musterung vollendet, äußerte dann aber, er sei nicht im Stande, so kostbare Stoffe zu bezahlen. Logotheti nahm ihn hierauf bei Seite und flüsterte ihm Allerlei mit leiser Stimme zu. Sie schienen sich endlich zu vereinigen. Logotheti mußte ihm besondere Aufschlüsse über die Herkunft der Stoffe ertheilt haben, denn Baruch rieb sich nun mit innerer Freude die Hände und meinte, wenn Jener wirklich keine höhere

seines Geldes verloren habe. Er sei genöthigt, Einiges von seinen Besitzthümern zu verkaufen, um die Reise fortsetzen zu können, und frage daher bei Baruch an, ob er geneigt sei, ihm die Zeugstoffe, die in dem mitgebrachten Ballen enthalten seien, zu einem mäßigen Preise abzukaufen. Der Jude verlangte die Stoffe zu sehen. Logotheti schnürte den Ballen auf und breitete vor jenem eine Anzahl der schönsten orientalischen Zeuge aus. Baruch musterte Alles mit scharfem, glänzendem Auge durch. Die kostbaren Schätze verfehlten nicht, auch auf die übrigen Bewohner des Hauses, die schon an Thür und Fenstern gelauscht hatten, ihren Eindruck hervorzubringen; bald waren die Handelnden von einem Kreise von Zuschauern, unter denen auch die Weiber nicht fehlten, umringt; man sah ihren Mienen das nur mühsam zurückgehaltene Entzücken über diese Herrlichkeiten an; Debora, die mit dabei stand und wenigstens für den Augenblick ihre frühere Heiterkeit wieder erhalten zu haben schien, brach gelegentlich in einen lauten Ruf der Bewunderung aus. Endlich hatte Baruch seine Musterung vollendet, äußerte dann aber, er sei nicht im Stande, so kostbare Stoffe zu bezahlen. Logotheti nahm ihn hierauf bei Seite und flüsterte ihm Allerlei mit leiser Stimme zu. Sie schienen sich endlich zu vereinigen. Logotheti mußte ihm besondere Aufschlüsse über die Herkunft der Stoffe ertheilt haben, denn Baruch rieb sich nun mit innerer Freude die Hände und meinte, wenn Jener wirklich keine höhere

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[0055] seines Geldes verloren habe. Er sei genöthigt, Einiges von seinen Besitzthümern zu verkaufen, um die Reise fortsetzen zu können, und frage daher bei Baruch an, ob er geneigt sei, ihm die Zeugstoffe, die in dem mitgebrachten Ballen enthalten seien, zu einem mäßigen Preise abzukaufen. Der Jude verlangte die Stoffe zu sehen. Logotheti schnürte den Ballen auf und breitete vor jenem eine Anzahl der schönsten orientalischen Zeuge aus. Baruch musterte Alles mit scharfem, glänzendem Auge durch. Die kostbaren Schätze verfehlten nicht, auch auf die übrigen Bewohner des Hauses, die schon an Thür und Fenstern gelauscht hatten, ihren Eindruck hervorzubringen; bald waren die Handelnden von einem Kreise von Zuschauern, unter denen auch die Weiber nicht fehlten, umringt; man sah ihren Mienen das nur mühsam zurückgehaltene Entzücken über diese Herrlichkeiten an; Debora, die mit dabei stand und wenigstens für den Augenblick ihre frühere Heiterkeit wieder erhalten zu haben schien, brach gelegentlich in einen lauten Ruf der Bewunderung aus. Endlich hatte Baruch seine Musterung vollendet, äußerte dann aber, er sei nicht im Stande, so kostbare Stoffe zu bezahlen. Logotheti nahm ihn hierauf bei Seite und flüsterte ihm Allerlei mit leiser Stimme zu. Sie schienen sich endlich zu vereinigen. Logotheti mußte ihm besondere Aufschlüsse über die Herkunft der Stoffe ertheilt haben, denn Baruch rieb sich nun mit innerer Freude die Hände und meinte, wenn Jener wirklich keine höhere

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:01:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:01:39Z)

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Zitationshilfe: Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/55>, abgerufen am 19.05.2024.