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Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896.

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Vermögen oder den Ernährer rauben, oder wenn Verhält-
nisse, Krankheiten oder Laster des Mannes sie zwingen, an
dem Verdienen theil zu nehmen, so wird sie dies in wür-
diger und besserer Weise können, als die bedauernswerthe
Frau, die ohne etwas gelernt zu haben, oft vor die schwie-
rige Aufgabe der Ernährung einer Familie gestellt wird.
Man muss das Elend armer Wittwen, verlassener Frauen,
gesehen haben, um die ganze Tragweite dieser Frage be-
urtheilen zu können! Die Concurrenzfrage mit dem Manne
tritt in diesem Falle ganz hinter die Wohlthat zurück, die
der Gemeinde durch die gute Versorgung und Erziehung
einer Anzahl Kinder abgenommen wird, welche ihr sonst
vielleicht zur Last fielen. Und wenn die Frau mit der
gründlichen Berufsbildung nicht zu jenen glücklichen 40 Procent
gehört, denen das Schicksal unter unseren jetzigen Verhält-
nissen einen Mann bescheert, so wird sie nicht als Parasit
und Ballast der Gesellschaft leben, keine verbissene alte
Jungfer werden, die ihre nutzlosen Tage mit Unzufrieden-
heit und Nichtsthun verbringt, sondern sie wird in einem
arbeitsamen und zufriedenen Leben der menschlichen Gemein-
schaft ihre Kräfte widmen und wird, wie ich in sehr vielen
Fällen schon gesehen habe, Verwandte und Freunde unter-
stützen und manchen Mann durch ihre Hülfe befähigen, ein
nützlicheres Mitglied der Gesellschaft zu werden, und auch
in solchen Fällen durch ihre Leistungen für das Gemeinwohl,
die Concurrenz, die dem Manne ersteht, wett machen.

Wenn ich nun von Berufsbildung spreche, so denke
ich absolut nicht einseitig an gelehrte Berufe, sondern auch an
praktische, nicht zum geringsten an den Beruf der Frau im
Hause und in der Familie. Nach dem Gesetze der Ver-
erbung sind entschieden viele Frauen mit einer Neigung
für die Beschäftigung des Haushaltes und Familienlebens
geboren, viele Frauen, keineswegs die Mehrzahl, noch viel
weniger hat meines Erachtens der brutale Spruch recht:
"Die Frau gehört in's Haus". Sie gehörte ins Haus, als

Vermögen oder den Ernährer rauben, oder wenn Verhält-
nisse, Krankheiten oder Laster des Mannes sie zwingen, an
dem Verdienen theil zu nehmen, so wird sie dies in wür-
diger und besserer Weise können, als die bedauernswerthe
Frau, die ohne etwas gelernt zu haben, oft vor die schwie-
rige Aufgabe der Ernährung einer Familie gestellt wird.
Man muss das Elend armer Wittwen, verlassener Frauen,
gesehen haben, um die ganze Tragweite dieser Frage be-
urtheilen zu können! Die Concurrenzfrage mit dem Manne
tritt in diesem Falle ganz hinter die Wohlthat zurück, die
der Gemeinde durch die gute Versorgung und Erziehung
einer Anzahl Kinder abgenommen wird, welche ihr sonst
vielleicht zur Last fielen. Und wenn die Frau mit der
gründlichen Berufsbildung nicht zu jenen glücklichen 40 Procent
gehört, denen das Schicksal unter unseren jetzigen Verhält-
nissen einen Mann bescheert, so wird sie nicht als Parasit
und Ballast der Gesellschaft leben, keine verbissene alte
Jungfer werden, die ihre nutzlosen Tage mit Unzufrieden-
heit und Nichtsthun verbringt, sondern sie wird in einem
arbeitsamen und zufriedenen Leben der menschlichen Gemein-
schaft ihre Kräfte widmen und wird, wie ich in sehr vielen
Fällen schon gesehen habe, Verwandte und Freunde unter-
stützen und manchen Mann durch ihre Hülfe befähigen, ein
nützlicheres Mitglied der Gesellschaft zu werden, und auch
in solchen Fällen durch ihre Leistungen für das Gemeinwohl,
die Concurrenz, die dem Manne ersteht, wett machen.

Wenn ich nun von Berufsbildung spreche, so denke
ich absolut nicht einseitig an gelehrte Berufe, sondern auch an
praktische, nicht zum geringsten an den Beruf der Frau im
Hause und in der Familie. Nach dem Gesetze der Ver-
erbung sind entschieden viele Frauen mit einer Neigung
für die Beschäftigung des Haushaltes und Familienlebens
geboren, viele Frauen, keineswegs die Mehrzahl, noch viel
weniger hat meines Erachtens der brutale Spruch recht:
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[14/0015] Vermögen oder den Ernährer rauben, oder wenn Verhält- nisse, Krankheiten oder Laster des Mannes sie zwingen, an dem Verdienen theil zu nehmen, so wird sie dies in wür- diger und besserer Weise können, als die bedauernswerthe Frau, die ohne etwas gelernt zu haben, oft vor die schwie- rige Aufgabe der Ernährung einer Familie gestellt wird. Man muss das Elend armer Wittwen, verlassener Frauen, gesehen haben, um die ganze Tragweite dieser Frage be- urtheilen zu können! Die Concurrenzfrage mit dem Manne tritt in diesem Falle ganz hinter die Wohlthat zurück, die der Gemeinde durch die gute Versorgung und Erziehung einer Anzahl Kinder abgenommen wird, welche ihr sonst vielleicht zur Last fielen. Und wenn die Frau mit der gründlichen Berufsbildung nicht zu jenen glücklichen 40 Procent gehört, denen das Schicksal unter unseren jetzigen Verhält- nissen einen Mann bescheert, so wird sie nicht als Parasit und Ballast der Gesellschaft leben, keine verbissene alte Jungfer werden, die ihre nutzlosen Tage mit Unzufrieden- heit und Nichtsthun verbringt, sondern sie wird in einem arbeitsamen und zufriedenen Leben der menschlichen Gemein- schaft ihre Kräfte widmen und wird, wie ich in sehr vielen Fällen schon gesehen habe, Verwandte und Freunde unter- stützen und manchen Mann durch ihre Hülfe befähigen, ein nützlicheres Mitglied der Gesellschaft zu werden, und auch in solchen Fällen durch ihre Leistungen für das Gemeinwohl, die Concurrenz, die dem Manne ersteht, wett machen. Wenn ich nun von Berufsbildung spreche, so denke ich absolut nicht einseitig an gelehrte Berufe, sondern auch an praktische, nicht zum geringsten an den Beruf der Frau im Hause und in der Familie. Nach dem Gesetze der Ver- erbung sind entschieden viele Frauen mit einer Neigung für die Beschäftigung des Haushaltes und Familienlebens geboren, viele Frauen, keineswegs die Mehrzahl, noch viel weniger hat meines Erachtens der brutale Spruch recht: „Die Frau gehört in’s Haus“. Sie gehörte ins Haus, als

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Zitationshilfe: Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuhnow_gedanken_1896/15>, abgerufen am 21.11.2024.