Ich weiß nicht, sagte sie, ich glaub', wir taugen nicht recht zu¬ sammen, wir zwei Beide. Ich will nicht von den vielen Haken reden, die die Sach' hat und die mich schon oft traurig gemacht haben. Aber wer mein Schatz sein will, der darf mich nicht so anfahren und darf mich nicht gleich beschuldigen, daß ich auf unrechten Wegen sei, eh' er sich nur Zeit nimmt die Augen aufzuthun. Wenn Einer auf seinen Schatz nichts hält, so thut's nicht gut zwischen ihnen. Mein Vater und meine Mutter sind oft hart gegen mich; wenn mein Schatz auch so wär', was hätt' ich dann gewonnen? Mit meinem Schatz will ich ein besseres Leben führen oder lieber will ich bleiben wie ich bin. Es ist mir ohnehin nicht so besonders drum zu thun; ich kann allein sein, und ich glaub', ich will's auch.
Obgleich er sich gestehen mußte, daß das Mädchen vollkommen Recht habe, und obgleich sie ihm in diesem Augenblicke mit ihrer gan¬ zen Art zu denken und zu reden unsäglich gefiel, denn das war nicht mehr das schüchterne kindische Wesen, das andere Leute für sich reden ließ, so gestattete ihm doch sein starrer Trotz nicht, aus ihren Worten etwas Anderes als einen bittern Bescheid herauszulesen. Wenn man mir so ausbietet, sagte er, dann will ich nicht überlästig sein.
Sie schwieg ohne aufzublicken.
Es ist also Ernst? wiederholte er. Ich soll gehen?
Wer mir's so macht, den werd' ich nicht bleiben heißen, ant¬ wortete sie entschlossen, aber zugleich drangen ihr die Thränen in die Augen.
Nein! rief er wild und die seinigen rollten, während er das Messer zog. So geh' ich nicht fort! Hier auf dem Platz muß es sich zwi¬ schen uns entscheiden. Sag' Ja oder Nein, willst du mich oder willst mich nicht? Wenn du mich willst, so versprech' ich dir, daß dergleichen Dummheiten, wie gestern Nacht, von nun an nicht wieder vorkommen sollen, du bist ohnehin ganz allein Schuld daran gewesen, weil du mich ganz wild und falsch gemacht hast die Zeit daher, und unartig will ich auch nicht mehr gegen dich sein, will dich vielmehr auf den Händen tragen und ein Leben mit dir führen, daß ganz Ebersbach ein Exempel dran nehmen soll. Willst du mich aber nicht, so verzeih' mir's Gott, du kommst nicht lebendig von der Stell'. Sieh' das Messer hier, das bis jetzt bloß unvernünftigen Geschöpfen den Lebens¬
Ich weiß nicht, ſagte ſie, ich glaub', wir taugen nicht recht zu¬ ſammen, wir zwei Beide. Ich will nicht von den vielen Haken reden, die die Sach' hat und die mich ſchon oft traurig gemacht haben. Aber wer mein Schatz ſein will, der darf mich nicht ſo anfahren und darf mich nicht gleich beſchuldigen, daß ich auf unrechten Wegen ſei, eh' er ſich nur Zeit nimmt die Augen aufzuthun. Wenn Einer auf ſeinen Schatz nichts hält, ſo thut's nicht gut zwiſchen ihnen. Mein Vater und meine Mutter ſind oft hart gegen mich; wenn mein Schatz auch ſo wär', was hätt' ich dann gewonnen? Mit meinem Schatz will ich ein beſſeres Leben führen oder lieber will ich bleiben wie ich bin. Es iſt mir ohnehin nicht ſo beſonders drum zu thun; ich kann allein ſein, und ich glaub', ich will's auch.
Obgleich er ſich geſtehen mußte, daß das Mädchen vollkommen Recht habe, und obgleich ſie ihm in dieſem Augenblicke mit ihrer gan¬ zen Art zu denken und zu reden unſäglich gefiel, denn das war nicht mehr das ſchüchterne kindiſche Weſen, das andere Leute für ſich reden ließ, ſo geſtattete ihm doch ſein ſtarrer Trotz nicht, aus ihren Worten etwas Anderes als einen bittern Beſcheid herauszuleſen. Wenn man mir ſo ausbietet, ſagte er, dann will ich nicht überläſtig ſein.
Sie ſchwieg ohne aufzublicken.
Es iſt alſo Ernſt? wiederholte er. Ich ſoll gehen?
Wer mir's ſo macht, den werd' ich nicht bleiben heißen, ant¬ wortete ſie entſchloſſen, aber zugleich drangen ihr die Thränen in die Augen.
Nein! rief er wild und die ſeinigen rollten, während er das Meſſer zog. So geh' ich nicht fort! Hier auf dem Platz muß es ſich zwi¬ ſchen uns entſcheiden. Sag' Ja oder Nein, willſt du mich oder willſt mich nicht? Wenn du mich willſt, ſo verſprech' ich dir, daß dergleichen Dummheiten, wie geſtern Nacht, von nun an nicht wieder vorkommen ſollen, du biſt ohnehin ganz allein Schuld daran geweſen, weil du mich ganz wild und falſch gemacht haſt die Zeit daher, und unartig will ich auch nicht mehr gegen dich ſein, will dich vielmehr auf den Händen tragen und ein Leben mit dir führen, daß ganz Ebersbach ein Exempel dran nehmen ſoll. Willſt du mich aber nicht, ſo verzeih' mir's Gott, du kommſt nicht lebendig von der Stell'. Sieh' das Meſſer hier, das bis jetzt bloß unvernünftigen Geſchöpfen den Lebens¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0138"n="122"/><p>Ich weiß nicht, ſagte ſie, ich glaub', wir taugen nicht recht zu¬<lb/>ſammen, wir zwei Beide. Ich will nicht von den vielen Haken reden,<lb/>
die die Sach' hat und die mich ſchon oft traurig gemacht haben.<lb/>
Aber wer mein Schatz ſein will, der darf mich nicht ſo anfahren und<lb/>
darf mich nicht gleich beſchuldigen, daß ich auf unrechten Wegen ſei,<lb/>
eh' er ſich nur Zeit nimmt die Augen aufzuthun. Wenn Einer auf<lb/>ſeinen Schatz nichts hält, ſo thut's nicht gut zwiſchen ihnen. Mein<lb/>
Vater und meine Mutter ſind oft hart gegen mich; wenn mein Schatz<lb/>
auch ſo wär', was hätt' ich dann gewonnen? Mit meinem Schatz<lb/>
will ich ein beſſeres Leben führen oder lieber will ich bleiben wie ich<lb/>
bin. Es iſt mir ohnehin nicht ſo beſonders drum zu thun; ich kann<lb/>
allein ſein, und ich glaub', ich will's auch.</p><lb/><p>Obgleich er ſich geſtehen mußte, daß das Mädchen vollkommen<lb/>
Recht habe, und obgleich ſie ihm in dieſem Augenblicke mit ihrer gan¬<lb/>
zen Art zu denken und zu reden unſäglich gefiel, denn das war nicht<lb/>
mehr das ſchüchterne kindiſche Weſen, das andere Leute für ſich reden<lb/>
ließ, ſo geſtattete ihm doch ſein ſtarrer Trotz nicht, aus ihren Worten<lb/>
etwas Anderes als einen bittern Beſcheid herauszuleſen. Wenn man<lb/>
mir <hirendition="#g">ſo</hi> ausbietet, ſagte er, dann will ich nicht überläſtig ſein.</p><lb/><p>Sie ſchwieg ohne aufzublicken.</p><lb/><p>Es iſt alſo Ernſt? wiederholte er. Ich ſoll gehen?</p><lb/><p>Wer mir's <hirendition="#g">ſo</hi> macht, den werd' ich nicht bleiben heißen, ant¬<lb/>
wortete ſie entſchloſſen, aber zugleich drangen ihr die Thränen in<lb/>
die Augen.</p><lb/><p>Nein! rief er wild und die ſeinigen rollten, während er das Meſſer<lb/>
zog. <hirendition="#g">So</hi> geh' ich nicht fort! Hier auf dem Platz muß es ſich zwi¬<lb/>ſchen uns entſcheiden. Sag' Ja oder Nein, willſt du mich oder willſt<lb/>
mich nicht? Wenn du mich willſt, ſo verſprech' ich dir, daß dergleichen<lb/>
Dummheiten, wie geſtern Nacht, von nun an nicht wieder vorkommen<lb/>ſollen, du biſt ohnehin ganz allein Schuld daran geweſen, weil du<lb/>
mich ganz wild und falſch gemacht haſt die Zeit daher, und unartig<lb/>
will ich auch nicht mehr gegen dich ſein, will dich vielmehr auf den<lb/>
Händen tragen und ein Leben mit dir führen, daß ganz Ebersbach ein<lb/>
Exempel dran nehmen ſoll. Willſt du mich aber nicht, ſo verzeih'<lb/>
mir's Gott, du kommſt nicht lebendig von der Stell'. Sieh' das<lb/>
Meſſer hier, das bis jetzt bloß unvernünftigen Geſchöpfen den Lebens¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[122/0138]
Ich weiß nicht, ſagte ſie, ich glaub', wir taugen nicht recht zu¬
ſammen, wir zwei Beide. Ich will nicht von den vielen Haken reden,
die die Sach' hat und die mich ſchon oft traurig gemacht haben.
Aber wer mein Schatz ſein will, der darf mich nicht ſo anfahren und
darf mich nicht gleich beſchuldigen, daß ich auf unrechten Wegen ſei,
eh' er ſich nur Zeit nimmt die Augen aufzuthun. Wenn Einer auf
ſeinen Schatz nichts hält, ſo thut's nicht gut zwiſchen ihnen. Mein
Vater und meine Mutter ſind oft hart gegen mich; wenn mein Schatz
auch ſo wär', was hätt' ich dann gewonnen? Mit meinem Schatz
will ich ein beſſeres Leben führen oder lieber will ich bleiben wie ich
bin. Es iſt mir ohnehin nicht ſo beſonders drum zu thun; ich kann
allein ſein, und ich glaub', ich will's auch.
Obgleich er ſich geſtehen mußte, daß das Mädchen vollkommen
Recht habe, und obgleich ſie ihm in dieſem Augenblicke mit ihrer gan¬
zen Art zu denken und zu reden unſäglich gefiel, denn das war nicht
mehr das ſchüchterne kindiſche Weſen, das andere Leute für ſich reden
ließ, ſo geſtattete ihm doch ſein ſtarrer Trotz nicht, aus ihren Worten
etwas Anderes als einen bittern Beſcheid herauszuleſen. Wenn man
mir ſo ausbietet, ſagte er, dann will ich nicht überläſtig ſein.
Sie ſchwieg ohne aufzublicken.
Es iſt alſo Ernſt? wiederholte er. Ich ſoll gehen?
Wer mir's ſo macht, den werd' ich nicht bleiben heißen, ant¬
wortete ſie entſchloſſen, aber zugleich drangen ihr die Thränen in
die Augen.
Nein! rief er wild und die ſeinigen rollten, während er das Meſſer
zog. So geh' ich nicht fort! Hier auf dem Platz muß es ſich zwi¬
ſchen uns entſcheiden. Sag' Ja oder Nein, willſt du mich oder willſt
mich nicht? Wenn du mich willſt, ſo verſprech' ich dir, daß dergleichen
Dummheiten, wie geſtern Nacht, von nun an nicht wieder vorkommen
ſollen, du biſt ohnehin ganz allein Schuld daran geweſen, weil du
mich ganz wild und falſch gemacht haſt die Zeit daher, und unartig
will ich auch nicht mehr gegen dich ſein, will dich vielmehr auf den
Händen tragen und ein Leben mit dir führen, daß ganz Ebersbach ein
Exempel dran nehmen ſoll. Willſt du mich aber nicht, ſo verzeih'
mir's Gott, du kommſt nicht lebendig von der Stell'. Sieh' das
Meſſer hier, das bis jetzt bloß unvernünftigen Geſchöpfen den Lebens¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/138>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.