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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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was er mit seinem Sohne vorhabe. Hierzu hatte er einen doppelten
Grund. Einmal beanspruchte die Obrigkeit dieselbe unbedingte Gewalt
über den Bürger, welche dieser über das Thun und Lassen seiner
Kinder, selbst in ihren eigensten Angelegenheiten und noch im erwach¬
senen Alter, auszuüben sich berechtigt glaubte, und es wäre sehr übel
vermerkt worden, wenn man in einem Hause auch nur eine Familien¬
sache ins Werk zu setzen gewagt hätte, ohne sich vorher den Rath des
gestrengen Herrn unter der Leitung seiner noch gestrengeren Frau zu
erbitten oder ihnen wenigstens der äußeren Form nach die Ehre der
Gutheißung zu lassen. Außerdem aber wollte der Sonnenwirth durch
diese Unterwürfigkeit für den Fall, daß sein Sohn den Widerspänstigen
machen würde, sich des amtlichen Beistandes versichern.

Die Amtmännin nahm das Geschenk und die Mittheilung der
Sonnenwirthin mit Wohlgefallen auf. Sie gestand ihr offen, daß es
ihr jedesmal übel werde, wenn sie den ungeschliffenen Flegel nur von
weitem sehen müsse. Auch war sie der Ansicht, daß für die Ruhe
des Fleckens nicht besser gesorgt werden könne, als durch seine gänz¬
liche Entfernung auf immer oder doch auf möglichst lange Zeit; denn,
meinte sie, ein so gewaltthätiger Mensch, der kein Gesetz achte, könnte
am Ende, wenn nicht Alles nach seinem Kopfe gehe, wohl noch im
Stande sein, Mord und Todtschlag zu verüben oder gar den Leuten
die Häuser über dem Kopfe anzuzünden. Sie verhehlte der Sonnen¬
wirthin nicht, daß gar mancherlei über ihn gemurmelt werde. Man
sage, er habe an Sylvester nicht nur beinahe die ganze Nacht auf
höchst gefährliche Weise im Flecken geschossen, sondern auch seinen Fein¬
den einen Mordschlag gelegt, der so Menschen als Gebäuden einen
erheblichen Schaden hätte bringen können; anderer Greuelthaten zu
geschweigen. Alles dieses werde mit leichten Stücken zu beweisen sein,
so wie man ihm nur ernstlich zu Leibe gehen wolle, und das Amt
halte also bereits wieder neue Blitze gegen ihn in der Hand. Es sei
sonach eine wahre Wohlthat für den ungerathenen Jungen, wenn man
ihn diesen Blitzen noch zu rechter Zeit entziehe, und möge er dann fortbleiben,
oder, was sie zwar nicht hoffe, später geschult und gebessert zurückkehren,
so sei jedenfalls die Sonne vor dem Unglück behütet, durch eine so
unanständige Heirath zu einem Pöbelwirthshause zu werden, aus wel¬
chem ehrbare Leute wegbleiben müßten. Die Sonnenwirthin stimmte

was er mit ſeinem Sohne vorhabe. Hierzu hatte er einen doppelten
Grund. Einmal beanſpruchte die Obrigkeit dieſelbe unbedingte Gewalt
über den Bürger, welche dieſer über das Thun und Laſſen ſeiner
Kinder, ſelbſt in ihren eigenſten Angelegenheiten und noch im erwach¬
ſenen Alter, auszuüben ſich berechtigt glaubte, und es wäre ſehr übel
vermerkt worden, wenn man in einem Hauſe auch nur eine Familien¬
ſache ins Werk zu ſetzen gewagt hätte, ohne ſich vorher den Rath des
geſtrengen Herrn unter der Leitung ſeiner noch geſtrengeren Frau zu
erbitten oder ihnen wenigſtens der äußeren Form nach die Ehre der
Gutheißung zu laſſen. Außerdem aber wollte der Sonnenwirth durch
dieſe Unterwürfigkeit für den Fall, daß ſein Sohn den Widerſpänſtigen
machen würde, ſich des amtlichen Beiſtandes verſichern.

Die Amtmännin nahm das Geſchenk und die Mittheilung der
Sonnenwirthin mit Wohlgefallen auf. Sie geſtand ihr offen, daß es
ihr jedesmal übel werde, wenn ſie den ungeſchliffenen Flegel nur von
weitem ſehen müſſe. Auch war ſie der Anſicht, daß für die Ruhe
des Fleckens nicht beſſer geſorgt werden könne, als durch ſeine gänz¬
liche Entfernung auf immer oder doch auf möglichſt lange Zeit; denn,
meinte ſie, ein ſo gewaltthätiger Menſch, der kein Geſetz achte, könnte
am Ende, wenn nicht Alles nach ſeinem Kopfe gehe, wohl noch im
Stande ſein, Mord und Todtſchlag zu verüben oder gar den Leuten
die Häuſer über dem Kopfe anzuzünden. Sie verhehlte der Sonnen¬
wirthin nicht, daß gar mancherlei über ihn gemurmelt werde. Man
ſage, er habe an Sylveſter nicht nur beinahe die ganze Nacht auf
höchſt gefährliche Weiſe im Flecken geſchoſſen, ſondern auch ſeinen Fein¬
den einen Mordſchlag gelegt, der ſo Menſchen als Gebäuden einen
erheblichen Schaden hätte bringen können; anderer Greuelthaten zu
geſchweigen. Alles dieſes werde mit leichten Stücken zu beweiſen ſein,
ſo wie man ihm nur ernſtlich zu Leibe gehen wolle, und das Amt
halte alſo bereits wieder neue Blitze gegen ihn in der Hand. Es ſei
ſonach eine wahre Wohlthat für den ungerathenen Jungen, wenn man
ihn dieſen Blitzen noch zu rechter Zeit entziehe, und möge er dann fortbleiben,
oder, was ſie zwar nicht hoffe, ſpäter geſchult und gebeſſert zurückkehren,
ſo ſei jedenfalls die Sonne vor dem Unglück behütet, durch eine ſo
unanſtändige Heirath zu einem Pöbelwirthshauſe zu werden, aus wel¬
chem ehrbare Leute wegbleiben müßten. Die Sonnenwirthin ſtimmte

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[141/0157] was er mit ſeinem Sohne vorhabe. Hierzu hatte er einen doppelten Grund. Einmal beanſpruchte die Obrigkeit dieſelbe unbedingte Gewalt über den Bürger, welche dieſer über das Thun und Laſſen ſeiner Kinder, ſelbſt in ihren eigenſten Angelegenheiten und noch im erwach¬ ſenen Alter, auszuüben ſich berechtigt glaubte, und es wäre ſehr übel vermerkt worden, wenn man in einem Hauſe auch nur eine Familien¬ ſache ins Werk zu ſetzen gewagt hätte, ohne ſich vorher den Rath des geſtrengen Herrn unter der Leitung ſeiner noch geſtrengeren Frau zu erbitten oder ihnen wenigſtens der äußeren Form nach die Ehre der Gutheißung zu laſſen. Außerdem aber wollte der Sonnenwirth durch dieſe Unterwürfigkeit für den Fall, daß ſein Sohn den Widerſpänſtigen machen würde, ſich des amtlichen Beiſtandes verſichern. Die Amtmännin nahm das Geſchenk und die Mittheilung der Sonnenwirthin mit Wohlgefallen auf. Sie geſtand ihr offen, daß es ihr jedesmal übel werde, wenn ſie den ungeſchliffenen Flegel nur von weitem ſehen müſſe. Auch war ſie der Anſicht, daß für die Ruhe des Fleckens nicht beſſer geſorgt werden könne, als durch ſeine gänz¬ liche Entfernung auf immer oder doch auf möglichſt lange Zeit; denn, meinte ſie, ein ſo gewaltthätiger Menſch, der kein Geſetz achte, könnte am Ende, wenn nicht Alles nach ſeinem Kopfe gehe, wohl noch im Stande ſein, Mord und Todtſchlag zu verüben oder gar den Leuten die Häuſer über dem Kopfe anzuzünden. Sie verhehlte der Sonnen¬ wirthin nicht, daß gar mancherlei über ihn gemurmelt werde. Man ſage, er habe an Sylveſter nicht nur beinahe die ganze Nacht auf höchſt gefährliche Weiſe im Flecken geſchoſſen, ſondern auch ſeinen Fein¬ den einen Mordſchlag gelegt, der ſo Menſchen als Gebäuden einen erheblichen Schaden hätte bringen können; anderer Greuelthaten zu geſchweigen. Alles dieſes werde mit leichten Stücken zu beweiſen ſein, ſo wie man ihm nur ernſtlich zu Leibe gehen wolle, und das Amt halte alſo bereits wieder neue Blitze gegen ihn in der Hand. Es ſei ſonach eine wahre Wohlthat für den ungerathenen Jungen, wenn man ihn dieſen Blitzen noch zu rechter Zeit entziehe, und möge er dann fortbleiben, oder, was ſie zwar nicht hoffe, ſpäter geſchult und gebeſſert zurückkehren, ſo ſei jedenfalls die Sonne vor dem Unglück behütet, durch eine ſo unanſtändige Heirath zu einem Pöbelwirthshauſe zu werden, aus wel¬ chem ehrbare Leute wegbleiben müßten. Die Sonnenwirthin ſtimmte

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/157>, abgerufen am 24.11.2024.