ich kann es nicht unterlassen, vor lauter Sorgen und Bekümmernus und Gedanken Dich zu beschreiben, und ich kann Tag und Nacht nicht ruhen bis ich eine Antwort von Dir hab. Bitte Dich um Gotteswillen, schreibe Du mir wie es Dir geht und wie es mit Dir sey. Ich kann Tag und Nacht nicht ruhen vor lauter Seuftzen und Sorgen. Wann Du mir etwas zu melden hast so schreib mir es gleich, ich will Dich nicht verlassen so lang ich leb. Uebrigens schick ich Dir hier einen kleinen Gruß; wann Du mir schreiben thust, so will ich Dir ein Meh¬ reres schicken. Ich hab nicht Zeit, Dir mein gantzes, mein gantzes Hertz zu schreiben; ich will Dich berichten wann Du mir wieder schreibst. Brich, den Brief an Deinen Vater auf. Du bist tausendmal grüßt. Ich verbleibe Dein getreuer Schatz bis in den Tod."
Der eingelegte Brief an den alten Hirschbauer, den sie lesen sollte, erhielt Versicherungen seiner unwandelbaren Gesinnung, wie folgt: "An meinen Vetter Müller. Ich kann nicht unterlassen an Euch zu schrei¬ ben, weilen Er so viele Müh an sich genommen und unterschiedliche Sachen wegen Seiner Tochter Namens Christina mit mir geredt hat: so will ich Ihm redlich schreiben wie ichs gegen ihr meine, daß ich keine Andre mehr begehre als sie, und ich so bald ihrer nicht vergessen kann. Wann es seyn kann, wie Er mit mir geredt hat, daß Er mit dem H. Pfarrer und mit dem Chirurgus reden könnt, daß man uns zahmen (zusammen) lassen will, so bin ich gleich resolvirt sie zu neh¬ men, denn so leicht kann ich Sie nicht lassen, und Sie mich nicht. Ich lasse auch mein Leben eh ich sie entlassen oder verlassen will: so bitte ich Ihn nur herzlich, die Christina ein halb Jahr bei Ihm zu behalten."
Auch der Invalide erhielt einen Brief "in beliebigen Händen zu eröffnen", welcher seine Zweifel wegen des Verhältnisses zu Christinen nicht so wohl widerlegen als einfach in folgenden Schlußworten nieder¬ schlagen sollte: "-- -- So lang ich einen Blutstropfen im Leib hab, so will ich mich ihrer annehmen. Hiemit will ich beschließen und schließe Euch in die Vorsorg Gottes."
Der Hirschbauer sagte nach dem Empfang seines Briefes zu der glücklichen Christine: Er hat doch ein beständiges Gemüth. Ich wollt's dir ja gern gönnen, daß ihr zusammen kämet, aber ich besorg' mich eben, wenn er seinen Vater merken läßt, wie es ihn, um's Herz ist, so läßt ihn der nicht zurück. Ich will jetzt doch einmal in's Pfarr¬
ich kann es nicht unterlaſſen, vor lauter Sorgen und Bekümmernus und Gedanken Dich zu beſchreiben, und ich kann Tag und Nacht nicht ruhen bis ich eine Antwort von Dir hab. Bitte Dich um Gotteswillen, ſchreibe Du mir wie es Dir geht und wie es mit Dir ſey. Ich kann Tag und Nacht nicht ruhen vor lauter Seuftzen und Sorgen. Wann Du mir etwas zu melden haſt ſo ſchreib mir es gleich, ich will Dich nicht verlaſſen ſo lang ich leb. Uebrigens ſchick ich Dir hier einen kleinen Gruß; wann Du mir ſchreiben thuſt, ſo will ich Dir ein Meh¬ reres ſchicken. Ich hab nicht Zeit, Dir mein gantzes, mein gantzes Hertz zu ſchreiben; ich will Dich berichten wann Du mir wieder ſchreibſt. Brich, den Brief an Deinen Vater auf. Du biſt tauſendmal grüßt. Ich verbleibe Dein getreuer Schatz bis in den Tod.“
Der eingelegte Brief an den alten Hirſchbauer, den ſie leſen ſollte, erhielt Verſicherungen ſeiner unwandelbaren Geſinnung, wie folgt: „An meinen Vetter Müller. Ich kann nicht unterlaſſen an Euch zu ſchrei¬ ben, weilen Er ſo viele Müh an ſich genommen und unterſchiedliche Sachen wegen Seiner Tochter Namens Chriſtina mit mir geredt hat: ſo will ich Ihm redlich ſchreiben wie ichs gegen ihr meine, daß ich keine Andre mehr begehre als ſie, und ich ſo bald ihrer nicht vergeſſen kann. Wann es ſeyn kann, wie Er mit mir geredt hat, daß Er mit dem H. Pfarrer und mit dem Chirurgus reden könnt, daß man uns zahmen (zuſammen) laſſen will, ſo bin ich gleich reſolvirt ſie zu neh¬ men, denn ſo leicht kann ich Sie nicht laſſen, und Sie mich nicht. Ich laſſe auch mein Leben eh ich ſie entlaſſen oder verlaſſen will: ſo bitte ich Ihn nur herzlich, die Chriſtina ein halb Jahr bei Ihm zu behalten.“
Auch der Invalide erhielt einen Brief „in beliebigen Händen zu eröffnen“, welcher ſeine Zweifel wegen des Verhältniſſes zu Chriſtinen nicht ſo wohl widerlegen als einfach in folgenden Schlußworten nieder¬ ſchlagen ſollte: „— — So lang ich einen Blutstropfen im Leib hab, ſo will ich mich ihrer annehmen. Hiemit will ich beſchließen und ſchließe Euch in die Vorſorg Gottes.“
Der Hirſchbauer ſagte nach dem Empfang ſeines Briefes zu der glücklichen Chriſtine: Er hat doch ein beſtändiges Gemüth. Ich wollt's dir ja gern gönnen, daß ihr zuſammen kämet, aber ich beſorg' mich eben, wenn er ſeinen Vater merken läßt, wie es ihn, um's Herz iſt, ſo läßt ihn der nicht zurück. Ich will jetzt doch einmal in's Pfarr¬
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ich kann es nicht unterlaſſen, vor lauter Sorgen und Bekümmernus
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ruhen bis ich eine Antwort von Dir hab. Bitte Dich um Gotteswillen,
ſchreibe Du mir wie es Dir geht und wie es mit Dir ſey. Ich kann
Tag und Nacht nicht ruhen vor lauter Seuftzen und Sorgen. Wann
Du mir etwas zu melden haſt ſo ſchreib mir es gleich, ich will Dich
nicht verlaſſen ſo lang ich leb. Uebrigens ſchick ich Dir hier einen
kleinen Gruß; wann Du mir ſchreiben thuſt, ſo will ich Dir ein Meh¬
reres ſchicken. Ich hab nicht Zeit, Dir mein gantzes, mein gantzes
Hertz zu ſchreiben; ich will Dich berichten wann Du mir wieder ſchreibſt.
Brich, den Brief an Deinen Vater auf. Du biſt tauſendmal grüßt.
Ich verbleibe Dein getreuer Schatz bis in den Tod.“
Der eingelegte Brief an den alten Hirſchbauer, den ſie leſen ſollte,
erhielt Verſicherungen ſeiner unwandelbaren Geſinnung, wie folgt: „An
meinen Vetter Müller. Ich kann nicht unterlaſſen an Euch zu ſchrei¬
ben, weilen Er ſo viele Müh an ſich genommen und unterſchiedliche
Sachen wegen Seiner Tochter Namens Chriſtina mit mir geredt hat:
ſo will ich Ihm redlich ſchreiben wie ichs gegen ihr meine, daß ich
keine Andre mehr begehre als ſie, und ich ſo bald ihrer nicht vergeſſen
kann. Wann es ſeyn kann, wie Er mit mir geredt hat, daß Er mit
dem H. Pfarrer und mit dem Chirurgus reden könnt, daß man uns
zahmen (zuſammen) laſſen will, ſo bin ich gleich reſolvirt ſie zu neh¬
men, denn ſo leicht kann ich Sie nicht laſſen, und Sie mich nicht.
Ich laſſe auch mein Leben eh ich ſie entlaſſen oder verlaſſen will: ſo bitte
ich Ihn nur herzlich, die Chriſtina ein halb Jahr bei Ihm zu behalten.“
Auch der Invalide erhielt einen Brief „in beliebigen Händen zu
eröffnen“, welcher ſeine Zweifel wegen des Verhältniſſes zu Chriſtinen
nicht ſo wohl widerlegen als einfach in folgenden Schlußworten nieder¬
ſchlagen ſollte: „— — So lang ich einen Blutstropfen im Leib hab,
ſo will ich mich ihrer annehmen. Hiemit will ich beſchließen und
ſchließe Euch in die Vorſorg Gottes.“
Der Hirſchbauer ſagte nach dem Empfang ſeines Briefes zu der
glücklichen Chriſtine: Er hat doch ein beſtändiges Gemüth. Ich wollt's
dir ja gern gönnen, daß ihr zuſammen kämet, aber ich beſorg' mich
eben, wenn er ſeinen Vater merken läßt, wie es ihn, um's Herz iſt,
ſo läßt ihn der nicht zurück. Ich will jetzt doch einmal in's Pfarr¬
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/175>, abgerufen am 26.11.2024.
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