meinte, es aber doch im Dunkeln ließ, wem diese verdrießliche Bezeich¬ nung galt.
Fort mit ihm! Fort! schrieen der Richter und der Heiligenpfleger.
Einen Augenblick Geduld noch! rief der Pfarrer: Seine Aus¬ sage ist also, daß Er der Christina Müllerin die Ehe versprochen habe und sie heirathen wolle, wenn Sein Vater das Jawort dazu gibt?
Ja, antwortete Friedrich, mit der Einwilligung gleich jetzt und ohne die Einwilligung später, wenn ich mein eigner Herr bin.
Der Pfarrer wiederholte die vorigen Worte murmelnd, während er sie ins Protokoll schrieb. Er kann gehen, herrschte er dann und klingelte. Den Sonnenwirth! rief er dem eintretenden Schützen zu.
Christine stand am Bach und weinte, aber ihr Gesicht klärte sich alsbald auf, als sie ihren Freund kommen sah. Es hat den Kopf nicht gekostet, sagte er lachend. Sie haben mir zwar schandlich ge¬ than und zuletzt haben sie mich gar fortgejagt, weil sie nicht Meister über mich worden sind, aber sie haben mir's eben doch Schwarz auf Weiß zu Protokoll nehmen müssen, daß es zwischen uns Beiden richtig ist, und das ist die Hauptsach'.
Als er ihr dann erzählte, daß er wegen seines Schwures noch extra gestraft worden, war sie sehr betreten und sagte: Ach Gott, wenn ich das gewußt hätt', so hätt' ich dich nicht verrathen.
Sei nur zufrieden, entgegnete er, sie wissen jetzt um so gewisser, daß ich dir Wort halt'.
O du bist brav, sagte sie, sich an ihn anschmiegend. Sieh, das richtet mich immer wieder auf, wenn mich das Elend zu Boden drücken will. Aber das sind wüste Leut', die Herren, fuhr sie fort: ich hätt' gar nicht glaubt, daß es so herging' bei ihnen. Hat der Pfarrer auch so wüst's Zeug an dich hingeschwätzt?
Dumm's Zeug gnug, aber nichts wüst's. Was hat er denn gesagt?
Sie drückte sich noch näher an ihn an und wagte ihm nur ins Ohr zu flüstern. Denk' nur, sagte sie: "Wann ist die böse That geschehen? Wo ist die böse That geschehen? Wie ist die böse That geschehen?" das hat er mich Alles nach einander gefragt, und es hätt' Noth gethan, daß ich ihm noch mehr gesagt hätt' als ich gewußt hab'. Ich bin schier in Boden gesunken, so hab' ich mich geschämt. Auch
meinte, es aber doch im Dunkeln ließ, wem dieſe verdrießliche Bezeich¬ nung galt.
Fort mit ihm! Fort! ſchrieen der Richter und der Heiligenpfleger.
Einen Augenblick Geduld noch! rief der Pfarrer: Seine Aus¬ ſage iſt alſo, daß Er der Chriſtina Müllerin die Ehe verſprochen habe und ſie heirathen wolle, wenn Sein Vater das Jawort dazu gibt?
Ja, antwortete Friedrich, mit der Einwilligung gleich jetzt und ohne die Einwilligung ſpäter, wenn ich mein eigner Herr bin.
Der Pfarrer wiederholte die vorigen Worte murmelnd, während er ſie ins Protokoll ſchrieb. Er kann gehen, herrſchte er dann und klingelte. Den Sonnenwirth! rief er dem eintretenden Schützen zu.
Chriſtine ſtand am Bach und weinte, aber ihr Geſicht klärte ſich alsbald auf, als ſie ihren Freund kommen ſah. Es hat den Kopf nicht gekoſtet, ſagte er lachend. Sie haben mir zwar ſchandlich ge¬ than und zuletzt haben ſie mich gar fortgejagt, weil ſie nicht Meiſter über mich worden ſind, aber ſie haben mir's eben doch Schwarz auf Weiß zu Protokoll nehmen müſſen, daß es zwiſchen uns Beiden richtig iſt, und das iſt die Hauptſach'.
Als er ihr dann erzählte, daß er wegen ſeines Schwures noch extra geſtraft worden, war ſie ſehr betreten und ſagte: Ach Gott, wenn ich das gewußt hätt', ſo hätt' ich dich nicht verrathen.
Sei nur zufrieden, entgegnete er, ſie wiſſen jetzt um ſo gewiſſer, daß ich dir Wort halt'.
O du biſt brav, ſagte ſie, ſich an ihn anſchmiegend. Sieh, das richtet mich immer wieder auf, wenn mich das Elend zu Boden drücken will. Aber das ſind wüſte Leut', die Herren, fuhr ſie fort: ich hätt' gar nicht glaubt, daß es ſo herging' bei ihnen. Hat der Pfarrer auch ſo wüſt's Zeug an dich hingeſchwätzt?
Dumm's Zeug gnug, aber nichts wüſt's. Was hat er denn geſagt?
Sie drückte ſich noch näher an ihn an und wagte ihm nur ins Ohr zu flüſtern. Denk' nur, ſagte ſie: „Wann iſt die böſe That geſchehen? Wo iſt die böſe That geſchehen? Wie iſt die böſe That geſchehen?“ das hat er mich Alles nach einander gefragt, und es hätt' Noth gethan, daß ich ihm noch mehr geſagt hätt' als ich gewußt hab'. Ich bin ſchier in Boden geſunken, ſo hab' ich mich geſchämt. Auch
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meinte, es aber doch im Dunkeln ließ, wem dieſe verdrießliche Bezeich¬
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Fort mit ihm! Fort! ſchrieen der Richter und der Heiligenpfleger.
Einen Augenblick Geduld noch! rief der Pfarrer: Seine Aus¬
ſage iſt alſo, daß Er der Chriſtina Müllerin die Ehe verſprochen
habe und ſie heirathen wolle, wenn Sein Vater das Jawort dazu gibt?
Ja, antwortete Friedrich, mit der Einwilligung gleich jetzt und
ohne die Einwilligung ſpäter, wenn ich mein eigner Herr bin.
Der Pfarrer wiederholte die vorigen Worte murmelnd, während
er ſie ins Protokoll ſchrieb. Er kann gehen, herrſchte er dann und
klingelte. Den Sonnenwirth! rief er dem eintretenden Schützen zu.
Chriſtine ſtand am Bach und weinte, aber ihr Geſicht klärte ſich
alsbald auf, als ſie ihren Freund kommen ſah. Es hat den Kopf
nicht gekoſtet, ſagte er lachend. Sie haben mir zwar ſchandlich ge¬
than und zuletzt haben ſie mich gar fortgejagt, weil ſie nicht Meiſter
über mich worden ſind, aber ſie haben mir's eben doch Schwarz auf
Weiß zu Protokoll nehmen müſſen, daß es zwiſchen uns Beiden richtig
iſt, und das iſt die Hauptſach'.
Als er ihr dann erzählte, daß er wegen ſeines Schwures noch
extra geſtraft worden, war ſie ſehr betreten und ſagte: Ach Gott,
wenn ich das gewußt hätt', ſo hätt' ich dich nicht verrathen.
Sei nur zufrieden, entgegnete er, ſie wiſſen jetzt um ſo gewiſſer,
daß ich dir Wort halt'.
O du biſt brav, ſagte ſie, ſich an ihn anſchmiegend. Sieh, das
richtet mich immer wieder auf, wenn mich das Elend zu Boden drücken
will. Aber das ſind wüſte Leut', die Herren, fuhr ſie fort: ich hätt'
gar nicht glaubt, daß es ſo herging' bei ihnen. Hat der Pfarrer
auch ſo wüſt's Zeug an dich hingeſchwätzt?
Dumm's Zeug gnug, aber nichts wüſt's. Was hat er denn
geſagt?
Sie drückte ſich noch näher an ihn an und wagte ihm nur ins
Ohr zu flüſtern. Denk' nur, ſagte ſie: „Wann iſt die böſe That
geſchehen? Wo iſt die böſe That geſchehen? Wie iſt die böſe That
geſchehen?“ das hat er mich Alles nach einander gefragt, und es hätt'
Noth gethan, daß ich ihm noch mehr geſagt hätt' als ich gewußt hab'.
Ich bin ſchier in Boden geſunken, ſo hab' ich mich geſchämt. Auch
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/205>, abgerufen am 16.02.2025.
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