die Er ritterlicher Weise für Seine Amaryllis hat einsetzen wollen. Für diese hatte es nicht so viel ausgemacht, ich taxire sie nicht so hoch. Er zählte das Geld und sagte: Sein hochwohlweiser Herr Vormund muß den Beutel noch einmal aufthun, er hat im Rechnen manquirt. Das ist nur die Strafe; dazu gehört aber noch das Surplus, von jedem Gulden drei Kreuzer für das Zuchthaus in Ludwigsburg, ferner drei Kreuzer Tax vom Gulden und endlich von zehn Kreuzern ein Kreuzer Schreibgebür.
Friedrich erbot sich, das Fehlende gleich zu holen. Das sind Blut¬ igel! sagte er unterwegs zu sich. Aber es ergötzte ihn, obgleich der Spaß auf seine eigenen Kosten ging, das lange Gesicht seines Vor¬ mundes zu sehen, als derselbe sich eines Irrthums in der Rechnung überführt sah und noch einmal in die Kasse greifen mußte, was ihm sogar bei fremdem Gelde schwer zu fallen schien.
Als Friedrich den Nachtrag gebracht und der Amtmann das Geld gezählt hatte, nahm jener das Wort: Und jetzt, mit des Herrn Amt¬ manns Wohlnehmen, möcht' ich fragen, wie es mit der Christine werden soll.
Was geht das Ihn an? sagte der Amtmann.
Wir gehen einander nun doch einmal näher an, erwiderte Friedrich, und da wird man's nicht anders als billig und christlich finden, wenn ich mich um sie bekümmere. Ich hab' gehört, der Herr Amtmann wolle sie ihre Strafe hier bei Amt und mit Feld- und Gartenarbeit abverdienen lassen.
Und wenn dem so wäre? sagte der Amtmann, nach und nach aufmerksam werdend.
Es wär' mir nicht lieb, wenn sie vor dem ganzen Flecken Straf¬ arbeit verrichten müßt' --
Wer fragt denn darnach, ob's Ihm lieb ist oder nicht?
Und zudem, Herr Amtmann, sind das keine herrschaftlichen Ge¬ schäfte.
Der Amtmann richtete sich hoch auf und sein sonst gutmüthiges Gesicht nahm einen bösartigen Ausdruck an. Ich glaub', Er will den Advocaten machen! sagte er.
In dem Punkt wär' ich nicht ganz untauglich dazu, antwortete Friedrich. Es gibt nichts in der Welt, Herr Amtmann, das nicht
die Er ritterlicher Weiſe für Seine Amaryllis hat einſetzen wollen. Für dieſe hatte es nicht ſo viel ausgemacht, ich taxire ſie nicht ſo hoch. Er zählte das Geld und ſagte: Sein hochwohlweiſer Herr Vormund muß den Beutel noch einmal aufthun, er hat im Rechnen manquirt. Das iſt nur die Strafe; dazu gehört aber noch das Surplus, von jedem Gulden drei Kreuzer für das Zuchthaus in Ludwigsburg, ferner drei Kreuzer Tax vom Gulden und endlich von zehn Kreuzern ein Kreuzer Schreibgebür.
Friedrich erbot ſich, das Fehlende gleich zu holen. Das ſind Blut¬ igel! ſagte er unterwegs zu ſich. Aber es ergötzte ihn, obgleich der Spaß auf ſeine eigenen Koſten ging, das lange Geſicht ſeines Vor¬ mundes zu ſehen, als derſelbe ſich eines Irrthums in der Rechnung überführt ſah und noch einmal in die Kaſſe greifen mußte, was ihm ſogar bei fremdem Gelde ſchwer zu fallen ſchien.
Als Friedrich den Nachtrag gebracht und der Amtmann das Geld gezählt hatte, nahm jener das Wort: Und jetzt, mit des Herrn Amt¬ manns Wohlnehmen, möcht' ich fragen, wie es mit der Chriſtine werden ſoll.
Was geht das Ihn an? ſagte der Amtmann.
Wir gehen einander nun doch einmal näher an, erwiderte Friedrich, und da wird man's nicht anders als billig und chriſtlich finden, wenn ich mich um ſie bekümmere. Ich hab' gehört, der Herr Amtmann wolle ſie ihre Strafe hier bei Amt und mit Feld- und Gartenarbeit abverdienen laſſen.
Und wenn dem ſo wäre? ſagte der Amtmann, nach und nach aufmerkſam werdend.
Es wär' mir nicht lieb, wenn ſie vor dem ganzen Flecken Straf¬ arbeit verrichten müßt' —
Wer fragt denn darnach, ob's Ihm lieb iſt oder nicht?
Und zudem, Herr Amtmann, ſind das keine herrſchaftlichen Ge¬ ſchäfte.
Der Amtmann richtete ſich hoch auf und ſein ſonſt gutmüthiges Geſicht nahm einen bösartigen Ausdruck an. Ich glaub', Er will den Advocaten machen! ſagte er.
In dem Punkt wär' ich nicht ganz untauglich dazu, antwortete Friedrich. Es gibt nichts in der Welt, Herr Amtmann, das nicht
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die Er ritterlicher Weiſe für Seine Amaryllis hat einſetzen wollen.
Für dieſe hatte es nicht ſo viel ausgemacht, ich taxire ſie nicht ſo hoch.
Er zählte das Geld und ſagte: Sein hochwohlweiſer Herr Vormund
muß den Beutel noch einmal aufthun, er hat im Rechnen manquirt.
Das iſt nur die Strafe; dazu gehört aber noch das Surplus, von
jedem Gulden drei Kreuzer für das Zuchthaus in Ludwigsburg, ferner
drei Kreuzer Tax vom Gulden und endlich von zehn Kreuzern ein
Kreuzer Schreibgebür.
Friedrich erbot ſich, das Fehlende gleich zu holen. Das ſind Blut¬
igel! ſagte er unterwegs zu ſich. Aber es ergötzte ihn, obgleich der
Spaß auf ſeine eigenen Koſten ging, das lange Geſicht ſeines Vor¬
mundes zu ſehen, als derſelbe ſich eines Irrthums in der Rechnung
überführt ſah und noch einmal in die Kaſſe greifen mußte, was ihm
ſogar bei fremdem Gelde ſchwer zu fallen ſchien.
Als Friedrich den Nachtrag gebracht und der Amtmann das Geld
gezählt hatte, nahm jener das Wort: Und jetzt, mit des Herrn Amt¬
manns Wohlnehmen, möcht' ich fragen, wie es mit der Chriſtine
werden ſoll.
Was geht das Ihn an? ſagte der Amtmann.
Wir gehen einander nun doch einmal näher an, erwiderte Friedrich,
und da wird man's nicht anders als billig und chriſtlich finden, wenn
ich mich um ſie bekümmere. Ich hab' gehört, der Herr Amtmann
wolle ſie ihre Strafe hier bei Amt und mit Feld- und Gartenarbeit
abverdienen laſſen.
Und wenn dem ſo wäre? ſagte der Amtmann, nach und nach
aufmerkſam werdend.
Es wär' mir nicht lieb, wenn ſie vor dem ganzen Flecken Straf¬
arbeit verrichten müßt' —
Wer fragt denn darnach, ob's Ihm lieb iſt oder nicht?
Und zudem, Herr Amtmann, ſind das keine herrſchaftlichen Ge¬
ſchäfte.
Der Amtmann richtete ſich hoch auf und ſein ſonſt gutmüthiges
Geſicht nahm einen bösartigen Ausdruck an. Ich glaub', Er will den
Advocaten machen! ſagte er.
In dem Punkt wär' ich nicht ganz untauglich dazu, antwortete
Friedrich. Es gibt nichts in der Welt, Herr Amtmann, das nicht
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/215>, abgerufen am 21.11.2024.
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