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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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ich auf einmal in die Sach' hinein. Das ist ein giftiger Gedank'
von der Frau Stiefmutter und der ganz' Vorschlag soll gar nichts
als ein Pasquill auf mich sein.

Seit diesem Augenblicke sprach Friedrich von dem Gegenstande
ganz anders. Die wilden Reden, die er gegen die Nachbarn, wenn
sie denselben berührten, fallen ließ, wurden seinem Vater alsbald wie¬
der hinterbracht, und die Stiefmutter sorgte dafür, daß sie eher ge¬
mehrt als gemindert wurden. Hieraus erfolgten neue Auftritte zwi¬
schen Vater und Sohn, die sich um so bitterer entluden, da die
Verachtung, die der letztere gegen den U heber seiner Tage hegte, seit
er ihn auf der Zumuthung betreten ha te, sein Mädchen mit ihrem
Kinde im Stich zu lassen, durch den seinem Gefühl nach in herab¬
würdigender Absicht gemachten Vorschlag, das Haus des Selbstmörders
zu beziehen, noch geschärft worden war. Auch wurde er in seiner
Auffassung dieser elterlichen Absicht durch die öffentliche Meinung im
Flecken bestärkt, obgleich dieselbe, nach der Weise einer unter jahr¬
hundertelangem Drucke lebenden Bevölkerung, sich nur heimlich zu sei¬
nen Gunsten aussprach. Einer um den Andern ließ sich verlauten:
Es ist doch nicht recht vom Sonnenwirth, daß er sein' eigenen Sohn
in die Hütte des Halsabschneiders setzen will, aber ich will nichts
gesagt haben. Gleichwohl war ein halbes Dutzend von denen, die so
gesprochen hatten, nachher gleich bei der Hand, um über die unbeson¬
nenen Reden des Jähzorns, die er bei solchen Anlässen ausgestoßen,
Zeugniß gegen ihn abzulegen.

Es war wieder einmal Kirchenconventssitzung, und die Mitglieder,
die etwa insgeheim Freude am Skandal hatten, konnten diesmal ihre
Lust wirklich büßen. Vor dem Convent standen der Sonnenwirth als
Kläger und sein Sohn als Beklagter. So weit hatte es die Stief¬
mutter durch ihre Verhetzungen gebracht. Beide wurden confrontirt.
Der Pfarrer als Vorsitzender des Gerichts hielt dem Sohn in Beisein
des Vaters vor: Sein Vater klagt wider Ihn, daß, nachdem er,
wiewohl ungern, sich erklärt, daß er Ihm die Christina Müllerin, mit
der Er sich vergangen habe, lassen wolle, und vermeint, er könne bei
Ihm dadurch etwas Gutes zuwegbringen, so sei Er nur immer
ärger, brauche gegen ihn die allerschnödesten und schimpflichsten Reden,
stoße allerhand gefährliche Drohworte gegen ihn, Seinen Vater, wie

ich auf einmal in die Sach' hinein. Das iſt ein giftiger Gedank'
von der Frau Stiefmutter und der ganz' Vorſchlag ſoll gar nichts
als ein Pasquill auf mich ſein.

Seit dieſem Augenblicke ſprach Friedrich von dem Gegenſtande
ganz anders. Die wilden Reden, die er gegen die Nachbarn, wenn
ſie denſelben berührten, fallen ließ, wurden ſeinem Vater alsbald wie¬
der hinterbracht, und die Stiefmutter ſorgte dafür, daß ſie eher ge¬
mehrt als gemindert wurden. Hieraus erfolgten neue Auftritte zwi¬
ſchen Vater und Sohn, die ſich um ſo bitterer entluden, da die
Verachtung, die der letztere gegen den U heber ſeiner Tage hegte, ſeit
er ihn auf der Zumuthung betreten ha te, ſein Mädchen mit ihrem
Kinde im Stich zu laſſen, durch den ſeinem Gefühl nach in herab¬
würdigender Abſicht gemachten Vorſchlag, das Haus des Selbſtmörders
zu beziehen, noch geſchärft worden war. Auch wurde er in ſeiner
Auffaſſung dieſer elterlichen Abſicht durch die öffentliche Meinung im
Flecken beſtärkt, obgleich dieſelbe, nach der Weiſe einer unter jahr¬
hundertelangem Drucke lebenden Bevölkerung, ſich nur heimlich zu ſei¬
nen Gunſten ausſprach. Einer um den Andern ließ ſich verlauten:
Es iſt doch nicht recht vom Sonnenwirth, daß er ſein' eigenen Sohn
in die Hütte des Halsabſchneiders ſetzen will, aber ich will nichts
geſagt haben. Gleichwohl war ein halbes Dutzend von denen, die ſo
geſprochen hatten, nachher gleich bei der Hand, um über die unbeſon¬
nenen Reden des Jähzorns, die er bei ſolchen Anläſſen ausgeſtoßen,
Zeugniß gegen ihn abzulegen.

Es war wieder einmal Kirchenconventsſitzung, und die Mitglieder,
die etwa insgeheim Freude am Skandal hatten, konnten diesmal ihre
Luſt wirklich büßen. Vor dem Convent ſtanden der Sonnenwirth als
Kläger und ſein Sohn als Beklagter. So weit hatte es die Stief¬
mutter durch ihre Verhetzungen gebracht. Beide wurden confrontirt.
Der Pfarrer als Vorſitzender des Gerichts hielt dem Sohn in Beiſein
des Vaters vor: Sein Vater klagt wider Ihn, daß, nachdem er,
wiewohl ungern, ſich erklärt, daß er Ihm die Chriſtina Müllerin, mit
der Er ſich vergangen habe, laſſen wolle, und vermeint, er könne bei
Ihm dadurch etwas Gutes zuwegbringen, ſo ſei Er nur immer
ärger, brauche gegen ihn die allerſchnödeſten und ſchimpflichſten Reden,
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[205/0221] ich auf einmal in die Sach' hinein. Das iſt ein giftiger Gedank' von der Frau Stiefmutter und der ganz' Vorſchlag ſoll gar nichts als ein Pasquill auf mich ſein. Seit dieſem Augenblicke ſprach Friedrich von dem Gegenſtande ganz anders. Die wilden Reden, die er gegen die Nachbarn, wenn ſie denſelben berührten, fallen ließ, wurden ſeinem Vater alsbald wie¬ der hinterbracht, und die Stiefmutter ſorgte dafür, daß ſie eher ge¬ mehrt als gemindert wurden. Hieraus erfolgten neue Auftritte zwi¬ ſchen Vater und Sohn, die ſich um ſo bitterer entluden, da die Verachtung, die der letztere gegen den U heber ſeiner Tage hegte, ſeit er ihn auf der Zumuthung betreten ha te, ſein Mädchen mit ihrem Kinde im Stich zu laſſen, durch den ſeinem Gefühl nach in herab¬ würdigender Abſicht gemachten Vorſchlag, das Haus des Selbſtmörders zu beziehen, noch geſchärft worden war. Auch wurde er in ſeiner Auffaſſung dieſer elterlichen Abſicht durch die öffentliche Meinung im Flecken beſtärkt, obgleich dieſelbe, nach der Weiſe einer unter jahr¬ hundertelangem Drucke lebenden Bevölkerung, ſich nur heimlich zu ſei¬ nen Gunſten ausſprach. Einer um den Andern ließ ſich verlauten: Es iſt doch nicht recht vom Sonnenwirth, daß er ſein' eigenen Sohn in die Hütte des Halsabſchneiders ſetzen will, aber ich will nichts geſagt haben. Gleichwohl war ein halbes Dutzend von denen, die ſo geſprochen hatten, nachher gleich bei der Hand, um über die unbeſon¬ nenen Reden des Jähzorns, die er bei ſolchen Anläſſen ausgeſtoßen, Zeugniß gegen ihn abzulegen. Es war wieder einmal Kirchenconventsſitzung, und die Mitglieder, die etwa insgeheim Freude am Skandal hatten, konnten diesmal ihre Luſt wirklich büßen. Vor dem Convent ſtanden der Sonnenwirth als Kläger und ſein Sohn als Beklagter. So weit hatte es die Stief¬ mutter durch ihre Verhetzungen gebracht. Beide wurden confrontirt. Der Pfarrer als Vorſitzender des Gerichts hielt dem Sohn in Beiſein des Vaters vor: Sein Vater klagt wider Ihn, daß, nachdem er, wiewohl ungern, ſich erklärt, daß er Ihm die Chriſtina Müllerin, mit der Er ſich vergangen habe, laſſen wolle, und vermeint, er könne bei Ihm dadurch etwas Gutes zuwegbringen, ſo ſei Er nur immer ärger, brauche gegen ihn die allerſchnödeſten und ſchimpflichſten Reden, ſtoße allerhand gefährliche Drohworte gegen ihn, Seinen Vater, wie

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/221>, abgerufen am 21.11.2024.