Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich glaub', sie haben dich mit ungebrannter Asche gelaugt, und
das scharf, sagte Friedrich, als er an ihm vorüber kam.

Ich glaub' auch, war die trockene Antwort des Zigeuners, der
einen Blick aus seinem scheelen Auge über den Frager hinlaufen ließ
und sich von dannen machte.

Friedrich, der auf den Burschen neugierig geworden war, folgte
ihm von weitem nach. Aber erst als sie Ludwigsburg mit seinen
vornehmen regelrechten Straßen hinter sich hatten, wagte er die Ge¬
sellschaft des verachteten Zigeuners aufzusuchen. Dieser schien nach¬
lässig vor sich herzuschlendern, und doch hatte er Mühe, gleichen
Schritt zu halten und ihn endlich einzuholen.

He, wohinaus, Landsmann? schrie er ihn an.

Dem Hohenstaufen zu, antwortete der Zigeuner seitwärts herüber,
ohne sich in seinem Gange aufhalten zu lassen.

Dann haben wir ja schier gar Einen Weg, sagte Friedrich an
seiner Seite gehend. Der meinige führt nach Ebersbach.

Da können wir wenigstens eine Strecke weit beisammen bleiben,
erwiderte der Zigeuner.

Die beiden jungen Bursche gingen nun mit wackern Schritten
durch die Ebene und dann jenseits des Neckars über die Anhöhen
hin, welche zwischen diesem und der Rems liegen, und machten nach
einer tüchtigen Wanderung bei einem einsamen Wirthshäuschen Halt,
wo Friedrich seinen Gefährten zu Gaste lud. Eine Flasche vom Saft
des Apfels und ein Rettig, der den Sommer überlebt hatte, war
Alles, was ihm ein paar gesparte Pfennige aufzutischen erlaubten. Die
vorgerückte Jahreszeit ließ sich so mild an, daß die beiden Wanderer
im Freien auf der verwitterten Bank unter dem alten Apfelbaum ihr
Mahl verzehren konnten. Hungrig und durstig griffen sie zu und
ließen sich's nach der Weise der Jugend schmecken.

Wie lustige Sperlinge genoßen sie der wieder erlangten Freiheit,
schalten auf das Gefängniß, von dem sie herkamen, spotteten über die
Schwachheiten der Aufseher und erzählten sich lose Streiche, womit
sie deren Wachsamkeit umgangen hatten. Unter Plaudern und Lachen
war die Flasche nur allzubald geleert. Sie kehlten alle Taschen um,
bis sie in der erdenklich kleinsten Münze, aber auch mit dem erdenk¬

Ich glaub', ſie haben dich mit ungebrannter Aſche gelaugt, und
das ſcharf, ſagte Friedrich, als er an ihm vorüber kam.

Ich glaub' auch, war die trockene Antwort des Zigeuners, der
einen Blick aus ſeinem ſcheelen Auge über den Frager hinlaufen ließ
und ſich von dannen machte.

Friedrich, der auf den Burſchen neugierig geworden war, folgte
ihm von weitem nach. Aber erſt als ſie Ludwigsburg mit ſeinen
vornehmen regelrechten Straßen hinter ſich hatten, wagte er die Ge¬
ſellſchaft des verachteten Zigeuners aufzuſuchen. Dieſer ſchien nach¬
läſſig vor ſich herzuſchlendern, und doch hatte er Mühe, gleichen
Schritt zu halten und ihn endlich einzuholen.

He, wohinaus, Landsmann? ſchrie er ihn an.

Dem Hohenſtaufen zu, antwortete der Zigeuner ſeitwärts herüber,
ohne ſich in ſeinem Gange aufhalten zu laſſen.

Dann haben wir ja ſchier gar Einen Weg, ſagte Friedrich an
ſeiner Seite gehend. Der meinige führt nach Ebersbach.

Da können wir wenigſtens eine Strecke weit beiſammen bleiben,
erwiderte der Zigeuner.

Die beiden jungen Burſche gingen nun mit wackern Schritten
durch die Ebene und dann jenſeits des Neckars über die Anhöhen
hin, welche zwiſchen dieſem und der Rems liegen, und machten nach
einer tüchtigen Wanderung bei einem einſamen Wirthshäuschen Halt,
wo Friedrich ſeinen Gefährten zu Gaſte lud. Eine Flaſche vom Saft
des Apfels und ein Rettig, der den Sommer überlebt hatte, war
Alles, was ihm ein paar geſparte Pfennige aufzutiſchen erlaubten. Die
vorgerückte Jahreszeit ließ ſich ſo mild an, daß die beiden Wanderer
im Freien auf der verwitterten Bank unter dem alten Apfelbaum ihr
Mahl verzehren konnten. Hungrig und durſtig griffen ſie zu und
ließen ſich's nach der Weiſe der Jugend ſchmecken.

Wie luſtige Sperlinge genoßen ſie der wieder erlangten Freiheit,
ſchalten auf das Gefängniß, von dem ſie herkamen, ſpotteten über die
Schwachheiten der Aufſeher und erzählten ſich loſe Streiche, womit
ſie deren Wachſamkeit umgangen hatten. Unter Plaudern und Lachen
war die Flaſche nur allzubald geleert. Sie kehlten alle Taſchen um,
bis ſie in der erdenklich kleinſten Münze, aber auch mit dem erdenk¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0024" n="8"/>
        <p>Ich glaub', &#x017F;ie haben dich mit ungebrannter A&#x017F;che gelaugt, und<lb/>
das &#x017F;charf, &#x017F;agte Friedrich, als er an ihm vorüber kam.</p><lb/>
        <p>Ich glaub' auch, war die trockene Antwort des Zigeuners, der<lb/>
einen Blick aus &#x017F;einem &#x017F;cheelen Auge über den Frager hinlaufen ließ<lb/>
und &#x017F;ich von dannen machte.</p><lb/>
        <p>Friedrich, der auf den Bur&#x017F;chen neugierig geworden war, folgte<lb/>
ihm von weitem nach. Aber er&#x017F;t als &#x017F;ie Ludwigsburg mit &#x017F;einen<lb/>
vornehmen regelrechten Straßen hinter &#x017F;ich hatten, wagte er die Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft des verachteten Zigeuners aufzu&#x017F;uchen. Die&#x017F;er &#x017F;chien nach¬<lb/>&#x017F;&#x017F;ig vor &#x017F;ich herzu&#x017F;chlendern, und doch hatte er Mühe, gleichen<lb/>
Schritt zu halten und ihn endlich einzuholen.</p><lb/>
        <p>He, wohinaus, Landsmann? &#x017F;chrie er ihn an.</p><lb/>
        <p>Dem Hohen&#x017F;taufen zu, antwortete der Zigeuner &#x017F;eitwärts herüber,<lb/>
ohne &#x017F;ich in &#x017F;einem Gange aufhalten zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Dann haben wir ja &#x017F;chier gar Einen Weg, &#x017F;agte Friedrich an<lb/>
&#x017F;einer Seite gehend. Der meinige führt nach Ebersbach.</p><lb/>
        <p>Da können wir wenig&#x017F;tens eine Strecke weit bei&#x017F;ammen bleiben,<lb/>
erwiderte der Zigeuner.</p><lb/>
        <p>Die beiden jungen Bur&#x017F;che gingen nun mit wackern Schritten<lb/>
durch die Ebene und dann jen&#x017F;eits des Neckars über die Anhöhen<lb/>
hin, welche zwi&#x017F;chen die&#x017F;em und der Rems liegen, und machten nach<lb/>
einer tüchtigen Wanderung bei einem ein&#x017F;amen Wirthshäuschen Halt,<lb/>
wo Friedrich &#x017F;einen Gefährten zu Ga&#x017F;te lud. Eine Fla&#x017F;che vom Saft<lb/>
des Apfels und ein Rettig, der den Sommer überlebt hatte, war<lb/>
Alles, was ihm ein paar ge&#x017F;parte Pfennige aufzuti&#x017F;chen erlaubten. Die<lb/>
vorgerückte Jahreszeit ließ &#x017F;ich &#x017F;o mild an, daß die beiden Wanderer<lb/>
im Freien auf der verwitterten Bank unter dem alten Apfelbaum ihr<lb/>
Mahl verzehren konnten. Hungrig und dur&#x017F;tig griffen &#x017F;ie zu und<lb/>
ließen &#x017F;ich's nach der Wei&#x017F;e der Jugend &#x017F;chmecken.</p><lb/>
        <p>Wie lu&#x017F;tige Sperlinge genoßen &#x017F;ie der wieder erlangten Freiheit,<lb/>
&#x017F;chalten auf das Gefängniß, von dem &#x017F;ie herkamen, &#x017F;potteten über die<lb/>
Schwachheiten der Auf&#x017F;eher und erzählten &#x017F;ich lo&#x017F;e Streiche, womit<lb/>
&#x017F;ie deren Wach&#x017F;amkeit umgangen hatten. Unter Plaudern und Lachen<lb/>
war die Fla&#x017F;che nur allzubald geleert. Sie kehlten alle Ta&#x017F;chen um,<lb/>
bis &#x017F;ie in der erdenklich klein&#x017F;ten Münze, aber auch mit dem erdenk¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0024] Ich glaub', ſie haben dich mit ungebrannter Aſche gelaugt, und das ſcharf, ſagte Friedrich, als er an ihm vorüber kam. Ich glaub' auch, war die trockene Antwort des Zigeuners, der einen Blick aus ſeinem ſcheelen Auge über den Frager hinlaufen ließ und ſich von dannen machte. Friedrich, der auf den Burſchen neugierig geworden war, folgte ihm von weitem nach. Aber erſt als ſie Ludwigsburg mit ſeinen vornehmen regelrechten Straßen hinter ſich hatten, wagte er die Ge¬ ſellſchaft des verachteten Zigeuners aufzuſuchen. Dieſer ſchien nach¬ läſſig vor ſich herzuſchlendern, und doch hatte er Mühe, gleichen Schritt zu halten und ihn endlich einzuholen. He, wohinaus, Landsmann? ſchrie er ihn an. Dem Hohenſtaufen zu, antwortete der Zigeuner ſeitwärts herüber, ohne ſich in ſeinem Gange aufhalten zu laſſen. Dann haben wir ja ſchier gar Einen Weg, ſagte Friedrich an ſeiner Seite gehend. Der meinige führt nach Ebersbach. Da können wir wenigſtens eine Strecke weit beiſammen bleiben, erwiderte der Zigeuner. Die beiden jungen Burſche gingen nun mit wackern Schritten durch die Ebene und dann jenſeits des Neckars über die Anhöhen hin, welche zwiſchen dieſem und der Rems liegen, und machten nach einer tüchtigen Wanderung bei einem einſamen Wirthshäuschen Halt, wo Friedrich ſeinen Gefährten zu Gaſte lud. Eine Flaſche vom Saft des Apfels und ein Rettig, der den Sommer überlebt hatte, war Alles, was ihm ein paar geſparte Pfennige aufzutiſchen erlaubten. Die vorgerückte Jahreszeit ließ ſich ſo mild an, daß die beiden Wanderer im Freien auf der verwitterten Bank unter dem alten Apfelbaum ihr Mahl verzehren konnten. Hungrig und durſtig griffen ſie zu und ließen ſich's nach der Weiſe der Jugend ſchmecken. Wie luſtige Sperlinge genoßen ſie der wieder erlangten Freiheit, ſchalten auf das Gefängniß, von dem ſie herkamen, ſpotteten über die Schwachheiten der Aufſeher und erzählten ſich loſe Streiche, womit ſie deren Wachſamkeit umgangen hatten. Unter Plaudern und Lachen war die Flaſche nur allzubald geleert. Sie kehlten alle Taſchen um, bis ſie in der erdenklich kleinſten Münze, aber auch mit dem erdenk¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/24
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/24>, abgerufen am 21.11.2024.