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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Er hat gesagt, es sei eine Sünd' von dir, daß du deinem Vater
nicht gehorchest, und er sag' mir's in's Gesicht, daß so eine ungleiche
Heirath eine rechte Dummheit sei und auch ein bös End' nehmen
werd', aber er hab' jetzt sein Gewissen salvirt und uns gewarnt: mor¬
gen werd' er uns proclamiren.

Er soll' uns ausrufen und einsegnen, nachher mag er schwätzen so
viel er will. Jetzt ist's gewonnen.

Als er von ihr wegging, begegnete er seiner Schwester Magdalene,
die eben über die Gasse ging. Du, sagte er seelenvergnügt, morgen
werd' ich von der Kanzel 'runtergeschmissen. Du gehst doch auch in
die Kirch'?

Ach Gott, ist's so weit? rief sie. Ja, wenn ich kann, will ich
gehen.

Können! sagte er, ich hab' noch nie gehört, daß die Weibsleut'
nicht in die Kirch' gehen können, sonderlich wenn's Neuigkeiten
drin gibt.

Weißt's denn der Vater schon? fragte sie. Grad' will ich zu ihm.

Er erfährt's jetzt gleich. Wir haben Einen Weg.

So, du bist also jetzt majorenn und ich hab' dir nichts mehr zu
befehlen? sagte der Sonnenwirth, als sein Sohn ihm die Neuigkeit
angekündigt hatte. Nun, jetzt kannst du freilich thun, was du willst,
aber ich bin jetzt auch nicht mehr verantwortlich dafür.

Vater, sagte die Chirurgin, der Bruder fragt, ob ich morgen in
die Kirch' geh'. Gehet Ihr?

Es wär' schon Noth, daß man für ihn beten thät', sagte die
Sonnenwirthin, die sich der Antwort bemächtigte: aber ich sorg' nur,
die Leut' könnten's so ansehen, als ob wir unsre Billigung dazu gäben,
und der Vater wälzt ja selber alle Verantwortung von sich ab.

Ich sag' nicht, du sollest daheim bleiben, antwortete der Sonnen¬
wirth seiner Tochter, und dein Mann kann's dir auch nicht verbieten
in die Kirch' zu gehen. Auch wär's christlich, wenn's einmal sein
soll, daß wenigstens Eins von der Familie dabei wär'. Aber ich
kann mich nicht dazu entschließen, ich thät' mich ja selber auf's
Maul schlagen.

Aus Christenpflicht ging' ich auch gern dazu, nahm wieder die
Sonnenwirthin das Wort, aber ich könnt's nicht prästiren, den

Er hat geſagt, es ſei eine Sünd' von dir, daß du deinem Vater
nicht gehorcheſt, und er ſag' mir's in's Geſicht, daß ſo eine ungleiche
Heirath eine rechte Dummheit ſei und auch ein bös End' nehmen
werd', aber er hab' jetzt ſein Gewiſſen ſalvirt und uns gewarnt: mor¬
gen werd' er uns proclamiren.

Er ſoll' uns ausrufen und einſegnen, nachher mag er ſchwätzen ſo
viel er will. Jetzt iſt's gewonnen.

Als er von ihr wegging, begegnete er ſeiner Schweſter Magdalene,
die eben über die Gaſſe ging. Du, ſagte er ſeelenvergnügt, morgen
werd' ich von der Kanzel 'runtergeſchmiſſen. Du gehſt doch auch in
die Kirch'?

Ach Gott, iſt's ſo weit? rief ſie. Ja, wenn ich kann, will ich
gehen.

Können! ſagte er, ich hab' noch nie gehört, daß die Weibsleut'
nicht in die Kirch' gehen können, ſonderlich wenn's Neuigkeiten
drin gibt.

Weißt's denn der Vater ſchon? fragte ſie. Grad' will ich zu ihm.

Er erfährt's jetzt gleich. Wir haben Einen Weg.

So, du biſt alſo jetzt majorenn und ich hab' dir nichts mehr zu
befehlen? ſagte der Sonnenwirth, als ſein Sohn ihm die Neuigkeit
angekündigt hatte. Nun, jetzt kannſt du freilich thun, was du willſt,
aber ich bin jetzt auch nicht mehr verantwortlich dafür.

Vater, ſagte die Chirurgin, der Bruder fragt, ob ich morgen in
die Kirch' geh'. Gehet Ihr?

Es wär' ſchon Noth, daß man für ihn beten thät', ſagte die
Sonnenwirthin, die ſich der Antwort bemächtigte: aber ich ſorg' nur,
die Leut' könnten's ſo anſehen, als ob wir unſre Billigung dazu gäben,
und der Vater wälzt ja ſelber alle Verantwortung von ſich ab.

Ich ſag' nicht, du ſolleſt daheim bleiben, antwortete der Sonnen¬
wirth ſeiner Tochter, und dein Mann kann's dir auch nicht verbieten
in die Kirch' zu gehen. Auch wär's chriſtlich, wenn's einmal ſein
ſoll, daß wenigſtens Eins von der Familie dabei wär'. Aber ich
kann mich nicht dazu entſchließen, ich thät' mich ja ſelber auf's
Maul ſchlagen.

Aus Chriſtenpflicht ging' ich auch gern dazu, nahm wieder die
Sonnenwirthin das Wort, aber ich könnt's nicht präſtiren, den

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[228/0244] Er hat geſagt, es ſei eine Sünd' von dir, daß du deinem Vater nicht gehorcheſt, und er ſag' mir's in's Geſicht, daß ſo eine ungleiche Heirath eine rechte Dummheit ſei und auch ein bös End' nehmen werd', aber er hab' jetzt ſein Gewiſſen ſalvirt und uns gewarnt: mor¬ gen werd' er uns proclamiren. Er ſoll' uns ausrufen und einſegnen, nachher mag er ſchwätzen ſo viel er will. Jetzt iſt's gewonnen. Als er von ihr wegging, begegnete er ſeiner Schweſter Magdalene, die eben über die Gaſſe ging. Du, ſagte er ſeelenvergnügt, morgen werd' ich von der Kanzel 'runtergeſchmiſſen. Du gehſt doch auch in die Kirch'? Ach Gott, iſt's ſo weit? rief ſie. Ja, wenn ich kann, will ich gehen. Können! ſagte er, ich hab' noch nie gehört, daß die Weibsleut' nicht in die Kirch' gehen können, ſonderlich wenn's Neuigkeiten drin gibt. Weißt's denn der Vater ſchon? fragte ſie. Grad' will ich zu ihm. Er erfährt's jetzt gleich. Wir haben Einen Weg. So, du biſt alſo jetzt majorenn und ich hab' dir nichts mehr zu befehlen? ſagte der Sonnenwirth, als ſein Sohn ihm die Neuigkeit angekündigt hatte. Nun, jetzt kannſt du freilich thun, was du willſt, aber ich bin jetzt auch nicht mehr verantwortlich dafür. Vater, ſagte die Chirurgin, der Bruder fragt, ob ich morgen in die Kirch' geh'. Gehet Ihr? Es wär' ſchon Noth, daß man für ihn beten thät', ſagte die Sonnenwirthin, die ſich der Antwort bemächtigte: aber ich ſorg' nur, die Leut' könnten's ſo anſehen, als ob wir unſre Billigung dazu gäben, und der Vater wälzt ja ſelber alle Verantwortung von ſich ab. Ich ſag' nicht, du ſolleſt daheim bleiben, antwortete der Sonnen¬ wirth ſeiner Tochter, und dein Mann kann's dir auch nicht verbieten in die Kirch' zu gehen. Auch wär's chriſtlich, wenn's einmal ſein ſoll, daß wenigſtens Eins von der Familie dabei wär'. Aber ich kann mich nicht dazu entſchließen, ich thät' mich ja ſelber auf's Maul ſchlagen. Aus Chriſtenpflicht ging' ich auch gern dazu, nahm wieder die Sonnenwirthin das Wort, aber ich könnt's nicht präſtiren, den

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/244>, abgerufen am 21.11.2024.