neben seiner Mutter und Schwester Platz gefunden und hörte andächtig der Predigt zu. Wohl gab es ein Zischeln und Murmeln und Alles steckte die Köpfe zusammen, als der Pfarrer vor dem Segen die Ver¬ lesung der Paare, die in den heiligen Stand der Ehe treten wollten, begann, aber Friedrich blickte muthig nach der Kanzel und zugleich aufmerk¬ sam, ob der Pfarrer in seiner Verkündigung nicht vielleicht irgend ein Zeichen seiner Abgunst einstießen lassen werde. Es geschah jedoch nichts dergleichen und er konnte es höchstens auffallend finden, daß der Pfarrer unter den zu verkündigenden Paaren ihm und seiner Braut die letzte Stelle angewiesen hatte; diese Ordnung konnte aber der Reihefolge der Anmeldung entsprechen, somit eine zufällige sein. Der Pfarrer ertheilte den Proclamirten und der Gemeinde den kirchlichen Segen, und Orgel und Choral beschloßen den Gottesdienst.
Beim Herausgehen aus der Kirche stieß Friedrich auf den Invali¬ den. Was, Ihr seid auch in der Kirch' gewesen, Profoß? Hätt' nicht glaubt, Eure mürbe Knochen thäten Euch so weit tragen. Aber 's ist mir eine Freud' und eine Ehr'. Nur wundert's mich, denn Ihr habt ja auch Mäus' dagegen gehabt.
Es bleibt dabei, daß Er nicht recht gescheidt ist, sagte der Inva¬ lide. Aber zu Seiner Hochzeit soll nichtsdestoweniger meine alte Lise krachen.
Friedrich drückte ihm die Hand und begab sich zu den Seinigen, die vor der Kirchenthüre warteten. Er führte seine Braut am Arme, reichte dem kleinen Buben die andere Hand, und die neue Familie setzte sich, die Mutter und beide Söhne voraus, das Brautpaar hin¬ ter ihnen, in Bewegung. Wer von der Gemeinde den gleichen Weg hatte, ging spöttisch lächelnd an ihnen vorbei: auch konnten sie aller¬ lei Bemerkungen hören. Doch schienen die Leute wenigstens das in der Ordnung zu finden, daß das Paar sich heute am Arme führte; daß er, ohne giltig verlobt zu sein, Arm in Arm mit ihr durch den Flecken zu der Kirchenconventsverhandlung gegangen war, hatte bei der herrschenden Sitte noch größeren Anstoß gefunden, als ihre vor¬ zeitige Mutterschaft.
So langsam sie wegen dieses Zustandes gingen, so gingen doch zwei von den andern proclamirten Paaren noch langsamer hinter ihnen drein, um sich über sie lustig zu machen. Das ist ein Schwanenpaar! sagte
neben ſeiner Mutter und Schweſter Platz gefunden und hörte andächtig der Predigt zu. Wohl gab es ein Ziſcheln und Murmeln und Alles ſteckte die Köpfe zuſammen, als der Pfarrer vor dem Segen die Ver¬ leſung der Paare, die in den heiligen Stand der Ehe treten wollten, begann, aber Friedrich blickte muthig nach der Kanzel und zugleich aufmerk¬ ſam, ob der Pfarrer in ſeiner Verkündigung nicht vielleicht irgend ein Zeichen ſeiner Abgunſt einſtießen laſſen werde. Es geſchah jedoch nichts dergleichen und er konnte es höchſtens auffallend finden, daß der Pfarrer unter den zu verkündigenden Paaren ihm und ſeiner Braut die letzte Stelle angewieſen hatte; dieſe Ordnung konnte aber der Reihefolge der Anmeldung entſprechen, ſomit eine zufällige ſein. Der Pfarrer ertheilte den Proclamirten und der Gemeinde den kirchlichen Segen, und Orgel und Choral beſchloßen den Gottesdienſt.
Beim Herausgehen aus der Kirche ſtieß Friedrich auf den Invali¬ den. Was, Ihr ſeid auch in der Kirch' geweſen, Profoß? Hätt' nicht glaubt, Eure mürbe Knochen thäten Euch ſo weit tragen. Aber 's iſt mir eine Freud' und eine Ehr'. Nur wundert's mich, denn Ihr habt ja auch Mäuſ' dagegen gehabt.
Es bleibt dabei, daß Er nicht recht geſcheidt iſt, ſagte der Inva¬ lide. Aber zu Seiner Hochzeit ſoll nichtsdeſtoweniger meine alte Liſe krachen.
Friedrich drückte ihm die Hand und begab ſich zu den Seinigen, die vor der Kirchenthüre warteten. Er führte ſeine Braut am Arme, reichte dem kleinen Buben die andere Hand, und die neue Familie ſetzte ſich, die Mutter und beide Söhne voraus, das Brautpaar hin¬ ter ihnen, in Bewegung. Wer von der Gemeinde den gleichen Weg hatte, ging ſpöttiſch lächelnd an ihnen vorbei: auch konnten ſie aller¬ lei Bemerkungen hören. Doch ſchienen die Leute wenigſtens das in der Ordnung zu finden, daß das Paar ſich heute am Arme führte; daß er, ohne giltig verlobt zu ſein, Arm in Arm mit ihr durch den Flecken zu der Kirchenconventsverhandlung gegangen war, hatte bei der herrſchenden Sitte noch größeren Anſtoß gefunden, als ihre vor¬ zeitige Mutterſchaft.
So langſam ſie wegen dieſes Zuſtandes gingen, ſo gingen doch zwei von den andern proclamirten Paaren noch langſamer hinter ihnen drein, um ſich über ſie luſtig zu machen. Das iſt ein Schwanenpaar! ſagte
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neben ſeiner Mutter und Schweſter Platz gefunden und hörte andächtig
der Predigt zu. Wohl gab es ein Ziſcheln und Murmeln und Alles
ſteckte die Köpfe zuſammen, als der Pfarrer vor dem Segen die Ver¬
leſung der Paare, die in den heiligen Stand der Ehe treten wollten,
begann, aber Friedrich blickte muthig nach der Kanzel und zugleich aufmerk¬
ſam, ob der Pfarrer in ſeiner Verkündigung nicht vielleicht irgend
ein Zeichen ſeiner Abgunſt einſtießen laſſen werde. Es geſchah jedoch
nichts dergleichen und er konnte es höchſtens auffallend finden, daß
der Pfarrer unter den zu verkündigenden Paaren ihm und ſeiner Braut
die letzte Stelle angewieſen hatte; dieſe Ordnung konnte aber der
Reihefolge der Anmeldung entſprechen, ſomit eine zufällige ſein. Der
Pfarrer ertheilte den Proclamirten und der Gemeinde den kirchlichen
Segen, und Orgel und Choral beſchloßen den Gottesdienſt.
Beim Herausgehen aus der Kirche ſtieß Friedrich auf den Invali¬
den. Was, Ihr ſeid auch in der Kirch' geweſen, Profoß? Hätt'
nicht glaubt, Eure mürbe Knochen thäten Euch ſo weit tragen. Aber
's iſt mir eine Freud' und eine Ehr'. Nur wundert's mich, denn
Ihr habt ja auch Mäuſ' dagegen gehabt.
Es bleibt dabei, daß Er nicht recht geſcheidt iſt, ſagte der Inva¬
lide. Aber zu Seiner Hochzeit ſoll nichtsdeſtoweniger meine alte Liſe
krachen.
Friedrich drückte ihm die Hand und begab ſich zu den Seinigen,
die vor der Kirchenthüre warteten. Er führte ſeine Braut am Arme,
reichte dem kleinen Buben die andere Hand, und die neue Familie
ſetzte ſich, die Mutter und beide Söhne voraus, das Brautpaar hin¬
ter ihnen, in Bewegung. Wer von der Gemeinde den gleichen Weg
hatte, ging ſpöttiſch lächelnd an ihnen vorbei: auch konnten ſie aller¬
lei Bemerkungen hören. Doch ſchienen die Leute wenigſtens das in
der Ordnung zu finden, daß das Paar ſich heute am Arme führte;
daß er, ohne giltig verlobt zu ſein, Arm in Arm mit ihr durch den
Flecken zu der Kirchenconventsverhandlung gegangen war, hatte bei
der herrſchenden Sitte noch größeren Anſtoß gefunden, als ihre vor¬
zeitige Mutterſchaft.
So langſam ſie wegen dieſes Zuſtandes gingen, ſo gingen doch zwei
von den andern proclamirten Paaren noch langſamer hinter ihnen drein,
um ſich über ſie luſtig zu machen. Das iſt ein Schwanenpaar! ſagte
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/248>, abgerufen am 21.11.2024.
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