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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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genagt: daß mein Vater von seinen Anerbietungen gar nichts mehr
hören ließ, hat mich verdrossen, und endlich hab' ich von einem
Landsmann erfahren, daß deine unfreiwillige Badreise jetzt zu Ende sei.
Ueber das fügt sich's einmal, daß ich Gäste bedienen muß, und wie
ich ihrem Gespräch aus der Ecke zuhöre, so braucht einer zufällig das
Sprichwort: Ein Mann, ein Wort, oder ein Hundsfott! Sieh', Chri¬
stine, wie ich das gehört hab', bin ich eigentlich schon so gut wie fort
gewesen. Mein Vetter hat sich ein wenig vor den Kopf gestoßen gezeigt,
daß ich nicht gut thun wolle; ich hab' ihm aber gesagt, es reiße mich
wie mit eisernen Haken nach Ebersbach, er solle mich in gutem An¬
denken behalten und mir den Platz nur ein Tag' acht offen lassen,
denn ich möchte gern wieder kommen. In Ebersbach aber war der
Wind gänzlich umgeschlagen. Mein Vater hat mich gar nicht vor
sein Angesicht kommen, sondern durch seine Frau bedeuten lassen, ich
solle mich fortmachen, ich würde ihn nur um Hab' und Gut bringen.
Was ich mit ihm für ein Abkommen treffen will, darüber muß ich
mich noch besinnen. Bei deiner Mutter hab' ich dann erfahren, du
seiest wirklich frei und im Schulhaus zu Neckardenzlingen im Dienst.
Darauf hab' ich gleich den Stab weiter gesetzt. Wie ich gestern Abend
über die Brücke gehe, seh' ich Kinder da spielen. Ich will freundlich
auf sie zugehen. Sie aber mich erblicken und mit dem Geschrei: Der
Sonnenwirthle! der Sonnenwirthle! wie das Mutisheer an mir vor¬
überstäuben, das war eins. Es hat mir weh gethan, ich kann's nicht
leugnen, zu sehen, wie mein Name den Weg vor mir fegt; aber ich hab's
wieder abgeschüttelt. Meine Lagerstatt hab' ich im Wald genommen,
bin heut im Zickzack durch die Wälder herübergewandert, und da bin
ich jetzt bei dir. Und hier ist auch unser Nachtlager, sieh, da tauchen
die paar Häuser im Halblicht auf. Es regt sich nichts mehr, nicht
einmal ein Hund, die Leut' sind arm und haben nichts zu bewachen.
Jetzt fallen wir still und säuberlich in die Scheuer ein und da sollst
du im Heu ganz fein gebettet schlafen. Morgen ist dann das Erzählen
an dir, denn für heut ist genug erzählt.


genagt: daß mein Vater von ſeinen Anerbietungen gar nichts mehr
hören ließ, hat mich verdroſſen, und endlich hab' ich von einem
Landsmann erfahren, daß deine unfreiwillige Badreiſe jetzt zu Ende ſei.
Ueber das fügt ſich's einmal, daß ich Gäſte bedienen muß, und wie
ich ihrem Geſpräch aus der Ecke zuhöre, ſo braucht einer zufällig das
Sprichwort: Ein Mann, ein Wort, oder ein Hundsfott! Sieh', Chri¬
ſtine, wie ich das gehört hab', bin ich eigentlich ſchon ſo gut wie fort
geweſen. Mein Vetter hat ſich ein wenig vor den Kopf geſtoßen gezeigt,
daß ich nicht gut thun wolle; ich hab' ihm aber geſagt, es reiße mich
wie mit eiſernen Haken nach Ebersbach, er ſolle mich in gutem An¬
denken behalten und mir den Platz nur ein Tag' acht offen laſſen,
denn ich möchte gern wieder kommen. In Ebersbach aber war der
Wind gänzlich umgeſchlagen. Mein Vater hat mich gar nicht vor
ſein Angeſicht kommen, ſondern durch ſeine Frau bedeuten laſſen, ich
ſolle mich fortmachen, ich würde ihn nur um Hab' und Gut bringen.
Was ich mit ihm für ein Abkommen treffen will, darüber muß ich
mich noch beſinnen. Bei deiner Mutter hab' ich dann erfahren, du
ſeieſt wirklich frei und im Schulhaus zu Neckardenzlingen im Dienſt.
Darauf hab' ich gleich den Stab weiter geſetzt. Wie ich geſtern Abend
über die Brücke gehe, ſeh' ich Kinder da ſpielen. Ich will freundlich
auf ſie zugehen. Sie aber mich erblicken und mit dem Geſchrei: Der
Sonnenwirthle! der Sonnenwirthle! wie das Mutisheer an mir vor¬
überſtäuben, das war eins. Es hat mir weh gethan, ich kann's nicht
leugnen, zu ſehen, wie mein Name den Weg vor mir fegt; aber ich hab's
wieder abgeſchüttelt. Meine Lagerſtatt hab' ich im Wald genommen,
bin heut im Zickzack durch die Wälder herübergewandert, und da bin
ich jetzt bei dir. Und hier iſt auch unſer Nachtlager, ſieh, da tauchen
die paar Häuſer im Halblicht auf. Es regt ſich nichts mehr, nicht
einmal ein Hund, die Leut' ſind arm und haben nichts zu bewachen.
Jetzt fallen wir ſtill und ſäuberlich in die Scheuer ein und da ſollſt
du im Heu ganz fein gebettet ſchlafen. Morgen iſt dann das Erzählen
an dir, denn für heut iſt genug erzählt.


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[308/0324] genagt: daß mein Vater von ſeinen Anerbietungen gar nichts mehr hören ließ, hat mich verdroſſen, und endlich hab' ich von einem Landsmann erfahren, daß deine unfreiwillige Badreiſe jetzt zu Ende ſei. Ueber das fügt ſich's einmal, daß ich Gäſte bedienen muß, und wie ich ihrem Geſpräch aus der Ecke zuhöre, ſo braucht einer zufällig das Sprichwort: Ein Mann, ein Wort, oder ein Hundsfott! Sieh', Chri¬ ſtine, wie ich das gehört hab', bin ich eigentlich ſchon ſo gut wie fort geweſen. Mein Vetter hat ſich ein wenig vor den Kopf geſtoßen gezeigt, daß ich nicht gut thun wolle; ich hab' ihm aber geſagt, es reiße mich wie mit eiſernen Haken nach Ebersbach, er ſolle mich in gutem An¬ denken behalten und mir den Platz nur ein Tag' acht offen laſſen, denn ich möchte gern wieder kommen. In Ebersbach aber war der Wind gänzlich umgeſchlagen. Mein Vater hat mich gar nicht vor ſein Angeſicht kommen, ſondern durch ſeine Frau bedeuten laſſen, ich ſolle mich fortmachen, ich würde ihn nur um Hab' und Gut bringen. Was ich mit ihm für ein Abkommen treffen will, darüber muß ich mich noch beſinnen. Bei deiner Mutter hab' ich dann erfahren, du ſeieſt wirklich frei und im Schulhaus zu Neckardenzlingen im Dienſt. Darauf hab' ich gleich den Stab weiter geſetzt. Wie ich geſtern Abend über die Brücke gehe, ſeh' ich Kinder da ſpielen. Ich will freundlich auf ſie zugehen. Sie aber mich erblicken und mit dem Geſchrei: Der Sonnenwirthle! der Sonnenwirthle! wie das Mutisheer an mir vor¬ überſtäuben, das war eins. Es hat mir weh gethan, ich kann's nicht leugnen, zu ſehen, wie mein Name den Weg vor mir fegt; aber ich hab's wieder abgeſchüttelt. Meine Lagerſtatt hab' ich im Wald genommen, bin heut im Zickzack durch die Wälder herübergewandert, und da bin ich jetzt bei dir. Und hier iſt auch unſer Nachtlager, ſieh, da tauchen die paar Häuſer im Halblicht auf. Es regt ſich nichts mehr, nicht einmal ein Hund, die Leut' ſind arm und haben nichts zu bewachen. Jetzt fallen wir ſtill und ſäuberlich in die Scheuer ein und da ſollſt du im Heu ganz fein gebettet ſchlafen. Morgen iſt dann das Erzählen an dir, denn für heut iſt genug erzählt.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/324>, abgerufen am 22.11.2024.