Sein Dienstherr sah ihn verwundert an. Ja so, sagte er nach einer Weile, du hast dich schon so bei mir insinuirt, daß ich schier gar gemeint hätte, du seiest seit Jahr und Tag in meinem Haus, und bist doch erst eine Woche da. Freilich auf die Art hast du den jungen Sonnenwirthle noch nicht zu Gesicht kriegen können. Wundert mich übrigens, daß du in deinem Deizisau nichts von ihm gehört hast; denn er ist ein Gewaltiger vor dem Herrn und wenn man ihm nicht den Krattel bei Zeiten vertreibt, so kann er, schätz' ich wohl, im ganzen Land bekannt werden.
Wo ist er denn? fragte der Knecht.
Er ist an einem Oertlein, wo du nicht gern hinkämst, war die Antwort, und die beiden Müller brachen in ein Gelächter aus. Jetzt rath' einmal.
Die Thüre ging abermals auf und ein Mensch in hohen Wasser¬ stiefeln trat herein. Er trug einen Kübel, den er vorsichtig auf ei¬ nen Stuhl setzte. Ist die Frau nicht da? fragte er.
So, du bist's, Fischerhanne? rief der obere Müller. Was hast denn da? Du gehst ja mit dem Kübel so sachte um, wie wenn du Perlen in der Fils gefunden hättest.
Guten Abend, ihr Mannen, sagte der Fischer. Thut's so? ist's schon Feierabend? Nein, die Perlen gerathen nicht hier zu Land, außer in der Glasfabrik. Forellen sind's, frisch aus dem Bach, ich hab' sie nur geschwind im Kübel hergetragen.
Was meint Ihr, Vetter? Wie wär's, wenn wir so ein paar Silber¬ fischlein in die Küche schicken thäten? Der Wein schmeckt noch so gut dazu. Wie, Fischerhanne, gib her, laß einmal sehen, was hast für Waar' ?
Ich kann keine davon hergeben, sagte der Fischer. Die Alte thät' mich mit dem Besen zum Haus hinaus jagen. Sie hat morgen ein Pfarrerskränzlein und da braucht sie die Fusch alle.
So, so, die hochwürdigen Herren begnügen sich nicht mit dem geistlichen Fischzug und wollen daneben auch leibliche Gräten beißen?
Ihr lebet ja auch nicht vom Wasser allein, obgleich Ihr Müller seid, erwiderte der Fischer, indem er trotz seiner abschlägigen Antwort den Kübel herüberholte und mit seinen zappelnden Insassen auf den Tisch setzte.
2 *
Sein Dienſtherr ſah ihn verwundert an. Ja ſo, ſagte er nach einer Weile, du haſt dich ſchon ſo bei mir inſinuirt, daß ich ſchier gar gemeint hätte, du ſeieſt ſeit Jahr und Tag in meinem Haus, und biſt doch erſt eine Woche da. Freilich auf die Art haſt du den jungen Sonnenwirthle noch nicht zu Geſicht kriegen können. Wundert mich übrigens, daß du in deinem Deizisau nichts von ihm gehört haſt; denn er iſt ein Gewaltiger vor dem Herrn und wenn man ihm nicht den Krattel bei Zeiten vertreibt, ſo kann er, ſchätz' ich wohl, im ganzen Land bekannt werden.
Wo iſt er denn? fragte der Knecht.
Er iſt an einem Oertlein, wo du nicht gern hinkämſt, war die Antwort, und die beiden Müller brachen in ein Gelächter aus. Jetzt rath' einmal.
Die Thüre ging abermals auf und ein Menſch in hohen Waſſer¬ ſtiefeln trat herein. Er trug einen Kübel, den er vorſichtig auf ei¬ nen Stuhl ſetzte. Iſt die Frau nicht da? fragte er.
So, du biſt's, Fiſcherhanne? rief der obere Müller. Was haſt denn da? Du gehſt ja mit dem Kübel ſo ſachte um, wie wenn du Perlen in der Fils gefunden hätteſt.
Guten Abend, ihr Mannen, ſagte der Fiſcher. Thut's ſo? iſt's ſchon Feierabend? Nein, die Perlen gerathen nicht hier zu Land, außer in der Glasfabrik. Forellen ſind's, friſch aus dem Bach, ich hab' ſie nur geſchwind im Kübel hergetragen.
Was meint Ihr, Vetter? Wie wär's, wenn wir ſo ein paar Silber¬ fiſchlein in die Küche ſchicken thäten? Der Wein ſchmeckt noch ſo gut dazu. Wie, Fiſcherhanne, gib her, laß einmal ſehen, was haſt für Waar' ?
Ich kann keine davon hergeben, ſagte der Fiſcher. Die Alte thät' mich mit dem Beſen zum Haus hinaus jagen. Sie hat morgen ein Pfarrerskränzlein und da braucht ſie die Fuſch alle.
So, ſo, die hochwürdigen Herren begnügen ſich nicht mit dem geiſtlichen Fiſchzug und wollen daneben auch leibliche Gräten beißen?
Ihr lebet ja auch nicht vom Waſſer allein, obgleich Ihr Müller ſeid, erwiderte der Fiſcher, indem er trotz ſeiner abſchlägigen Antwort den Kübel herüberholte und mit ſeinen zappelnden Inſaſſen auf den Tiſch ſetzte.
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Sein Dienſtherr ſah ihn verwundert an. Ja ſo, ſagte er nach
einer Weile, du haſt dich ſchon ſo bei mir inſinuirt, daß ich ſchier
gar gemeint hätte, du ſeieſt ſeit Jahr und Tag in meinem Haus, und
biſt doch erſt eine Woche da. Freilich auf die Art haſt du den jungen
Sonnenwirthle noch nicht zu Geſicht kriegen können. Wundert mich
übrigens, daß du in deinem Deizisau nichts von ihm gehört haſt; denn
er iſt ein Gewaltiger vor dem Herrn und wenn man ihm nicht den
Krattel bei Zeiten vertreibt, ſo kann er, ſchätz' ich wohl, im ganzen
Land bekannt werden.
Wo iſt er denn? fragte der Knecht.
Er iſt an einem Oertlein, wo du nicht gern hinkämſt, war die
Antwort, und die beiden Müller brachen in ein Gelächter aus. Jetzt
rath' einmal.
Die Thüre ging abermals auf und ein Menſch in hohen Waſſer¬
ſtiefeln trat herein. Er trug einen Kübel, den er vorſichtig auf ei¬
nen Stuhl ſetzte. Iſt die Frau nicht da? fragte er.
So, du biſt's, Fiſcherhanne? rief der obere Müller. Was haſt
denn da? Du gehſt ja mit dem Kübel ſo ſachte um, wie wenn du
Perlen in der Fils gefunden hätteſt.
Guten Abend, ihr Mannen, ſagte der Fiſcher. Thut's ſo? iſt's
ſchon Feierabend? Nein, die Perlen gerathen nicht hier zu Land, außer
in der Glasfabrik. Forellen ſind's, friſch aus dem Bach, ich hab' ſie
nur geſchwind im Kübel hergetragen.
Was meint Ihr, Vetter? Wie wär's, wenn wir ſo ein paar Silber¬
fiſchlein in die Küche ſchicken thäten? Der Wein ſchmeckt noch ſo gut
dazu. Wie, Fiſcherhanne, gib her, laß einmal ſehen, was haſt für
Waar' ?
Ich kann keine davon hergeben, ſagte der Fiſcher. Die Alte thät'
mich mit dem Beſen zum Haus hinaus jagen. Sie hat morgen ein
Pfarrerskränzlein und da braucht ſie die Fuſch alle.
So, ſo, die hochwürdigen Herren begnügen ſich nicht mit dem
geiſtlichen Fiſchzug und wollen daneben auch leibliche Gräten beißen?
Ihr lebet ja auch nicht vom Waſſer allein, obgleich Ihr Müller
ſeid, erwiderte der Fiſcher, indem er trotz ſeiner abſchlägigen Antwort
den Kübel herüberholte und mit ſeinen zappelnden Inſaſſen auf den
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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