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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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nach der Großmutter hinstarrte, aus der Schüssel, ohne sich selbst einen
Bissen zu gönnen. Bei dem trüben Schein der armseligen Ampel
blickte er abwechselnd seine Kinder an und freute sich, daß es ihnen so
gut schmeckte.

Wo ist denn der Lobele blieben? fragte die Alte, sich wieder an
den Tisch setzend.

Mein weißköpfigs Schwägerle, erwiderte er, hab' ich in Rechberg¬
hausen beim Christle gelassen. Ich hab' einen weiten Umweg machen
müssen -- er warf einen Blick nach der Ecke, wo die Hasen lagen --
wo ich ihn nicht hab' mitnehmen wollen, und ihn allein herunter gehen
zu lassen, dazu ist mir's zu spät gewesen. Morgen früh ist er wieder
da. Ist's richtig, was er mir ausgerichtet hat? Mein Vater will
sich also zu einem gütlichen Abkommen mit mir verstehen?

Ja, sagte sie, er hat mich kommen lassen und hat so mit mir ge¬
red't, daß ich glauben muß, es sei sein Ernst. Vierhundert Gulden
will er Ihm geben, wenn Er mit der Christine und den Kindern nach
Pennsylvanien geht, die Hälfte baar und die Hälfte drüben, aber das
Baare nicht eher, als bis mit der Abreis' Alles im Reinen sei. Bis
dahin will er sorgen, daß den Kindern nichts abgeht.

Wenn nur die Christine frei wär', dann ging' ich gleich, versetzte
er. Wißt Ihr nichts von ihr?

Nein.

Einundzwanzig Wochen sind es jetzt, daß ich ihr Gefängniß um¬
schwärme, sagte er. Was ich in dieser Zeit durchgemacht hab', wird
nicht bald einem Zigeuner vorgekommen sein, denn der hat doch noch
die Wahl, in welcher Gegend er sein Nachtquartier nehmen will, und
wenn's auch nur in einer Höhle wär'. Ich aber bin wie ein böser
Geist immer in das Revier da gebannt gewesen.

Die Alte lächelte schlau. Beim Krämerchristle, sagte sie, hat's
doch gewiß nicht an Loschement gefehlt.

Beim Christle, sagte er, kann ich meinen kleinen Schwager unter¬
bringen, wenn er mir eine Botschaft thut und ich ihn nicht in der
Nacht heimlassen will, und vom Christle nehm' ich's an, wenn er,
wie ein paarmal geschehen ist, in meiner Abwesenheit meinem Weib
oder meinen Kindern etwas schickt, zumal wenn das -- er sah die
Alte scharf an -- nicht für die Schleckerei, sondern für die bittere

nach der Großmutter hinſtarrte, aus der Schüſſel, ohne ſich ſelbſt einen
Biſſen zu gönnen. Bei dem trüben Schein der armſeligen Ampel
blickte er abwechſelnd ſeine Kinder an und freute ſich, daß es ihnen ſo
gut ſchmeckte.

Wo iſt denn der Lobele blieben? fragte die Alte, ſich wieder an
den Tiſch ſetzend.

Mein weißköpfigs Schwägerle, erwiderte er, hab' ich in Rechberg¬
hauſen beim Chriſtle gelaſſen. Ich hab' einen weiten Umweg machen
müſſen — er warf einen Blick nach der Ecke, wo die Haſen lagen —
wo ich ihn nicht hab' mitnehmen wollen, und ihn allein herunter gehen
zu laſſen, dazu iſt mir's zu ſpät geweſen. Morgen früh iſt er wieder
da. Iſt's richtig, was er mir ausgerichtet hat? Mein Vater will
ſich alſo zu einem gütlichen Abkommen mit mir verſtehen?

Ja, ſagte ſie, er hat mich kommen laſſen und hat ſo mit mir ge¬
red't, daß ich glauben muß, es ſei ſein Ernſt. Vierhundert Gulden
will er Ihm geben, wenn Er mit der Chriſtine und den Kindern nach
Pennſylvanien geht, die Hälfte baar und die Hälfte drüben, aber das
Baare nicht eher, als bis mit der Abreiſ' Alles im Reinen ſei. Bis
dahin will er ſorgen, daß den Kindern nichts abgeht.

Wenn nur die Chriſtine frei wär', dann ging' ich gleich, verſetzte
er. Wißt Ihr nichts von ihr?

Nein.

Einundzwanzig Wochen ſind es jetzt, daß ich ihr Gefängniß um¬
ſchwärme, ſagte er. Was ich in dieſer Zeit durchgemacht hab', wird
nicht bald einem Zigeuner vorgekommen ſein, denn der hat doch noch
die Wahl, in welcher Gegend er ſein Nachtquartier nehmen will, und
wenn's auch nur in einer Höhle wär'. Ich aber bin wie ein böſer
Geiſt immer in das Revier da gebannt geweſen.

Die Alte lächelte ſchlau. Beim Krämerchriſtle, ſagte ſie, hat's
doch gewiß nicht an Loſchement gefehlt.

Beim Chriſtle, ſagte er, kann ich meinen kleinen Schwager unter¬
bringen, wenn er mir eine Botſchaft thut und ich ihn nicht in der
Nacht heimlaſſen will, und vom Chriſtle nehm' ich's an, wenn er,
wie ein paarmal geſchehen iſt, in meiner Abweſenheit meinem Weib
oder meinen Kindern etwas ſchickt, zumal wenn das — er ſah die
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[334/0350] nach der Großmutter hinſtarrte, aus der Schüſſel, ohne ſich ſelbſt einen Biſſen zu gönnen. Bei dem trüben Schein der armſeligen Ampel blickte er abwechſelnd ſeine Kinder an und freute ſich, daß es ihnen ſo gut ſchmeckte. Wo iſt denn der Lobele blieben? fragte die Alte, ſich wieder an den Tiſch ſetzend. Mein weißköpfigs Schwägerle, erwiderte er, hab' ich in Rechberg¬ hauſen beim Chriſtle gelaſſen. Ich hab' einen weiten Umweg machen müſſen — er warf einen Blick nach der Ecke, wo die Haſen lagen — wo ich ihn nicht hab' mitnehmen wollen, und ihn allein herunter gehen zu laſſen, dazu iſt mir's zu ſpät geweſen. Morgen früh iſt er wieder da. Iſt's richtig, was er mir ausgerichtet hat? Mein Vater will ſich alſo zu einem gütlichen Abkommen mit mir verſtehen? Ja, ſagte ſie, er hat mich kommen laſſen und hat ſo mit mir ge¬ red't, daß ich glauben muß, es ſei ſein Ernſt. Vierhundert Gulden will er Ihm geben, wenn Er mit der Chriſtine und den Kindern nach Pennſylvanien geht, die Hälfte baar und die Hälfte drüben, aber das Baare nicht eher, als bis mit der Abreiſ' Alles im Reinen ſei. Bis dahin will er ſorgen, daß den Kindern nichts abgeht. Wenn nur die Chriſtine frei wär', dann ging' ich gleich, verſetzte er. Wißt Ihr nichts von ihr? Nein. Einundzwanzig Wochen ſind es jetzt, daß ich ihr Gefängniß um¬ ſchwärme, ſagte er. Was ich in dieſer Zeit durchgemacht hab', wird nicht bald einem Zigeuner vorgekommen ſein, denn der hat doch noch die Wahl, in welcher Gegend er ſein Nachtquartier nehmen will, und wenn's auch nur in einer Höhle wär'. Ich aber bin wie ein böſer Geiſt immer in das Revier da gebannt geweſen. Die Alte lächelte ſchlau. Beim Krämerchriſtle, ſagte ſie, hat's doch gewiß nicht an Loſchement gefehlt. Beim Chriſtle, ſagte er, kann ich meinen kleinen Schwager unter¬ bringen, wenn er mir eine Botſchaft thut und ich ihn nicht in der Nacht heimlaſſen will, und vom Chriſtle nehm' ich's an, wenn er, wie ein paarmal geſchehen iſt, in meiner Abweſenheit meinem Weib oder meinen Kindern etwas ſchickt, zumal wenn das — er ſah die Alte ſcharf an — nicht für die Schleckerei, ſondern für die bittere

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/350>, abgerufen am 22.11.2024.