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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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das den Wegzeiger bildete, wies schief über die Straße nach einer Waldfurche
hin. Er folgte der Richtung und gewahrte nach wenigen Schritten bei
einem Durchblick, daß sie gerade auf jene Waldecke zu führte, wo jetzt ein
stärkerer Rauch aus den Bäumen emporwirbelte. Nun suchte er nach keinem
weitern Zeichen am Boden mehr, sondern schritt rüstig waldein wald¬
aus nach der Stelle, zu der es ihn zog. Wenn er selbst nicht da ist,
sagte er zu sich, so treffe ich Seinesgleichen, die mir sagen können,
wo er ist; denn solche Zeichen hat weder ein Bauer noch ein Jäger
ausgestreut. Ich bin fertig mit der Welt, eine Staffel um die andre
haben sie mich herabgestoßen, jetzt bin ich auf der letzten. Er hat
mir richtig prophezeit: wenn du keinen Aus- und Eingang mehr weißt,
so kommen wir schon von selber wieder zusammen. Was bleibt mir
sonst übrig?

Die Sonne brannte glühend über den öden Gipfel des schlanken
Berges herab, als er an dessen Fuß auf die Waldecke zuschritt. Er
eilte in ihren Schatten. Das geladene Gewehr mit gespanntem Hahn
für alle Fälle zum Anschlagen fertig haltend, sei es gegen ein Thier,
sei es gegen einen Angriff von Menschenhand, schlug er sich langsam
durch die Bäume vorwärts. Bald hörte er Stimmen und Gelächter
und ging dem Schalle nach. Steck' mir vom Balo! hörte er sagen,
als er näher kam, und zu gleicher Zeit drang der Geruch eines ge¬
bratenen Schweines zu ihm, um ihm den Ausdruck, wofern dies nöthig
gewesen wäre, zu verdolmetschen. Er hatte keinen Zweifel mehr: wo
jenische Laute sich vernehmlich machten, war weniger Gefahr für ihn,
als wo deutsch oder gar das römisch-deutsche Rothwelsch des Gesetzes
gesprochen wurde. Wer auch die Schmausenden sein mochten, in seiner
verzweifelten Lage brauchte er weder ihre Feindschaft noch ihre Freund¬
schaft zu fürchten. Er brachte den Hahn in Ruh', behielt aber die
Büchse in der Hand und ging entschlossen vorwärts. Auf einmal stand
er, zwischen den Bäumen hervortretend, auf einer kleinen Waldwiese,
wo eine lustige Gesellschaft um ein Feuer lagerte. Sie bestand aus
drei Männern und drei Frauen, welche sämmtlich so anständig ge¬
kleidet waren, daß er, ein Mißverständniß besorgend, zurücktreten wollte.
Aber schon war er bemerkt worden und sah ein paar Gewehrläufe
auf sich gerichtet, als plötzlich ihm selbst und einem von der Gesell¬
schaft der gegenseitige Ausruf entfuhr: Da ist er ja! Zugleich sprang

das den Wegzeiger bildete, wies ſchief über die Straße nach einer Waldfurche
hin. Er folgte der Richtung und gewahrte nach wenigen Schritten bei
einem Durchblick, daß ſie gerade auf jene Waldecke zu führte, wo jetzt ein
ſtärkerer Rauch aus den Bäumen emporwirbelte. Nun ſuchte er nach keinem
weitern Zeichen am Boden mehr, ſondern ſchritt rüſtig waldein wald¬
aus nach der Stelle, zu der es ihn zog. Wenn er ſelbſt nicht da iſt,
ſagte er zu ſich, ſo treffe ich Seinesgleichen, die mir ſagen können,
wo er iſt; denn ſolche Zeichen hat weder ein Bauer noch ein Jäger
ausgeſtreut. Ich bin fertig mit der Welt, eine Staffel um die andre
haben ſie mich herabgeſtoßen, jetzt bin ich auf der letzten. Er hat
mir richtig prophezeit: wenn du keinen Aus- und Eingang mehr weißt,
ſo kommen wir ſchon von ſelber wieder zuſammen. Was bleibt mir
ſonſt übrig?

Die Sonne brannte glühend über den öden Gipfel des ſchlanken
Berges herab, als er an deſſen Fuß auf die Waldecke zuſchritt. Er
eilte in ihren Schatten. Das geladene Gewehr mit geſpanntem Hahn
für alle Fälle zum Anſchlagen fertig haltend, ſei es gegen ein Thier,
ſei es gegen einen Angriff von Menſchenhand, ſchlug er ſich langſam
durch die Bäume vorwärts. Bald hörte er Stimmen und Gelächter
und ging dem Schalle nach. Steck' mir vom Balo! hörte er ſagen,
als er näher kam, und zu gleicher Zeit drang der Geruch eines ge¬
bratenen Schweines zu ihm, um ihm den Ausdruck, wofern dies nöthig
geweſen wäre, zu verdolmetſchen. Er hatte keinen Zweifel mehr: wo
jeniſche Laute ſich vernehmlich machten, war weniger Gefahr für ihn,
als wo deutſch oder gar das römiſch-deutſche Rothwelſch des Geſetzes
geſprochen wurde. Wer auch die Schmauſenden ſein mochten, in ſeiner
verzweifelten Lage brauchte er weder ihre Feindſchaft noch ihre Freund¬
ſchaft zu fürchten. Er brachte den Hahn in Ruh', behielt aber die
Büchſe in der Hand und ging entſchloſſen vorwärts. Auf einmal ſtand
er, zwiſchen den Bäumen hervortretend, auf einer kleinen Waldwieſe,
wo eine luſtige Geſellſchaft um ein Feuer lagerte. Sie beſtand aus
drei Männern und drei Frauen, welche ſämmtlich ſo anſtändig ge¬
kleidet waren, daß er, ein Mißverſtändniß beſorgend, zurücktreten wollte.
Aber ſchon war er bemerkt worden und ſah ein paar Gewehrläufe
auf ſich gerichtet, als plötzlich ihm ſelbſt und einem von der Geſell¬
ſchaft der gegenſeitige Ausruf entfuhr: Da iſt er ja! Zugleich ſprang

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[366/0382] das den Wegzeiger bildete, wies ſchief über die Straße nach einer Waldfurche hin. Er folgte der Richtung und gewahrte nach wenigen Schritten bei einem Durchblick, daß ſie gerade auf jene Waldecke zu führte, wo jetzt ein ſtärkerer Rauch aus den Bäumen emporwirbelte. Nun ſuchte er nach keinem weitern Zeichen am Boden mehr, ſondern ſchritt rüſtig waldein wald¬ aus nach der Stelle, zu der es ihn zog. Wenn er ſelbſt nicht da iſt, ſagte er zu ſich, ſo treffe ich Seinesgleichen, die mir ſagen können, wo er iſt; denn ſolche Zeichen hat weder ein Bauer noch ein Jäger ausgeſtreut. Ich bin fertig mit der Welt, eine Staffel um die andre haben ſie mich herabgeſtoßen, jetzt bin ich auf der letzten. Er hat mir richtig prophezeit: wenn du keinen Aus- und Eingang mehr weißt, ſo kommen wir ſchon von ſelber wieder zuſammen. Was bleibt mir ſonſt übrig? Die Sonne brannte glühend über den öden Gipfel des ſchlanken Berges herab, als er an deſſen Fuß auf die Waldecke zuſchritt. Er eilte in ihren Schatten. Das geladene Gewehr mit geſpanntem Hahn für alle Fälle zum Anſchlagen fertig haltend, ſei es gegen ein Thier, ſei es gegen einen Angriff von Menſchenhand, ſchlug er ſich langſam durch die Bäume vorwärts. Bald hörte er Stimmen und Gelächter und ging dem Schalle nach. Steck' mir vom Balo! hörte er ſagen, als er näher kam, und zu gleicher Zeit drang der Geruch eines ge¬ bratenen Schweines zu ihm, um ihm den Ausdruck, wofern dies nöthig geweſen wäre, zu verdolmetſchen. Er hatte keinen Zweifel mehr: wo jeniſche Laute ſich vernehmlich machten, war weniger Gefahr für ihn, als wo deutſch oder gar das römiſch-deutſche Rothwelſch des Geſetzes geſprochen wurde. Wer auch die Schmauſenden ſein mochten, in ſeiner verzweifelten Lage brauchte er weder ihre Feindſchaft noch ihre Freund¬ ſchaft zu fürchten. Er brachte den Hahn in Ruh', behielt aber die Büchſe in der Hand und ging entſchloſſen vorwärts. Auf einmal ſtand er, zwiſchen den Bäumen hervortretend, auf einer kleinen Waldwieſe, wo eine luſtige Geſellſchaft um ein Feuer lagerte. Sie beſtand aus drei Männern und drei Frauen, welche ſämmtlich ſo anſtändig ge¬ kleidet waren, daß er, ein Mißverſtändniß beſorgend, zurücktreten wollte. Aber ſchon war er bemerkt worden und ſah ein paar Gewehrläufe auf ſich gerichtet, als plötzlich ihm ſelbſt und einem von der Geſell¬ ſchaft der gegenſeitige Ausruf entfuhr: Da iſt er ja! Zugleich ſprang

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/382>, abgerufen am 26.11.2024.