die Mittel an die Hand, den ersten jener planmäßigen Schläge zu führen, welchen die von der Hehlerei unterstützte Jaunerei, wenigstens in der hoch¬ gefährlichen Gestalt, die sie um die Mitte des Jahrhunderts angenom¬ men hatte, nach und nach erlag, sondern sie entdeckten ihnen auch gewisse Fachgeheimnisse des Räuberhandwerks, die sie in Stand setzten, ihre Angehörigen künftig zweckmäßiger zu schützen. Denn auch dieses Gewerbe hatte seinen Fortschritt und seine Erfindungen, und die Acten bewahren hievon Züge menschlichen Scharfsinns auf, an dem man sich ergötzen könnte, wenn er besser angewendet worden wäre. Es ist ein hartes Urtheil, das man der Zeit nicht ersparen kann: dieser Mensch hat ihr dadurch, daß er schuldig geworden ist, unendlich mehr genützt, als wenn er in den Schranken des Gesetzes geblieben wäre. Die eigenthümliche Art seines Verdienstes mahnt zur Vergleichung mit einem ähnlichen Verdienste, das sich ein Höhergestellter um die Zeit erwarb, der Graf Schenk von Castell, der, vom Eifer des Markgrafen von Durlach beseelt, auf eigene Hand in Süddeutschland umher und bis nach Graubünden und Italien hinabzog, um das Raubgesindel ein¬ zufangen, und den die Jauner um seiner Kühnheit und Strenge willen fürchteten, als ob er vom Teufel gefeit und gefestet wäre, so daß einst, als er allein im Walde ritt, ein Räuber einem andern, der auf ihn angeschlagen hatte, zurief: Laß, es ist der Graf von Castell! und es nur eines Wortes von ihm bedurfte, um die Beiden als Spürhunde in seinen Dienst zu ziehen. Es ist die Frage, wer mehr gethan hat, die Wälder zu säubern und die Diebsherbergen auszufegen, der hohe Reichs¬ graf zu Dischingen oder der in den Staub getretene Metzgerknecht von Ebersbach. Ihm selbst wenigstens scheint sein unbesiegbares Selbst¬ gefühl zugeflüstert zu haben, daß er in seinem Gefängniß eine nicht unwichtige Person geworden sei, und er braucht in seiner Aufzeichnung mitunter Ausdrücke gegen die Obrigkeit, wie sie ein Vorgesetzter sich gegen seine Untergebenen erlaubt. "Wiewohl ich weiß", sagt er an einer Stelle, "daß viele Räuber gefangen zu Karlsruhe liegen, will ich nur desto eher zeigen, daß die Herren von Durlach oder Karlsruhe eine sehr liederliche Kenntniß von denselben haben, und es ihnen ge¬ wiß nicht geoffenbart worden, wie ich es melden werde." Dann nimmt er oft einen ganz befehlshaberischen Ton an. "Nur diese in Verhaft genommen!" ruft er, wo von einer Frau die Rede ist, die er erschrocken
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die Mittel an die Hand, den erſten jener planmäßigen Schläge zu führen, welchen die von der Hehlerei unterſtützte Jaunerei, wenigſtens in der hoch¬ gefährlichen Geſtalt, die ſie um die Mitte des Jahrhunderts angenom¬ men hatte, nach und nach erlag, ſondern ſie entdeckten ihnen auch gewiſſe Fachgeheimniſſe des Räuberhandwerks, die ſie in Stand ſetzten, ihre Angehörigen künftig zweckmäßiger zu ſchützen. Denn auch dieſes Gewerbe hatte ſeinen Fortſchritt und ſeine Erfindungen, und die Acten bewahren hievon Züge menſchlichen Scharfſinns auf, an dem man ſich ergötzen könnte, wenn er beſſer angewendet worden wäre. Es iſt ein hartes Urtheil, das man der Zeit nicht erſparen kann: dieſer Menſch hat ihr dadurch, daß er ſchuldig geworden iſt, unendlich mehr genützt, als wenn er in den Schranken des Geſetzes geblieben wäre. Die eigenthümliche Art ſeines Verdienſtes mahnt zur Vergleichung mit einem ähnlichen Verdienſte, das ſich ein Höhergeſtellter um die Zeit erwarb, der Graf Schenk von Caſtell, der, vom Eifer des Markgrafen von Durlach beſeelt, auf eigene Hand in Süddeutſchland umher und bis nach Graubünden und Italien hinabzog, um das Raubgeſindel ein¬ zufangen, und den die Jauner um ſeiner Kühnheit und Strenge willen fürchteten, als ob er vom Teufel gefeit und gefeſtet wäre, ſo daß einſt, als er allein im Walde ritt, ein Räuber einem andern, der auf ihn angeſchlagen hatte, zurief: Laß, es iſt der Graf von Caſtell! und es nur eines Wortes von ihm bedurfte, um die Beiden als Spürhunde in ſeinen Dienſt zu ziehen. Es iſt die Frage, wer mehr gethan hat, die Wälder zu ſäubern und die Diebsherbergen auszufegen, der hohe Reichs¬ graf zu Diſchingen oder der in den Staub getretene Metzgerknecht von Ebersbach. Ihm ſelbſt wenigſtens ſcheint ſein unbeſiegbares Selbſt¬ gefühl zugeflüſtert zu haben, daß er in ſeinem Gefängniß eine nicht unwichtige Perſon geworden ſei, und er braucht in ſeiner Aufzeichnung mitunter Ausdrücke gegen die Obrigkeit, wie ſie ein Vorgeſetzter ſich gegen ſeine Untergebenen erlaubt. „Wiewohl ich weiß“, ſagt er an einer Stelle, „daß viele Räuber gefangen zu Karlsruhe liegen, will ich nur deſto eher zeigen, daß die Herren von Durlach oder Karlsruhe eine ſehr liederliche Kenntniß von denſelben haben, und es ihnen ge¬ wiß nicht geoffenbart worden, wie ich es melden werde.“ Dann nimmt er oft einen ganz befehlshaberiſchen Ton an. „Nur dieſe in Verhaft genommen!“ ruft er, wo von einer Frau die Rede iſt, die er erſchrocken
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die Mittel an die Hand, den erſten jener planmäßigen Schläge zu führen,
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gefährlichen Geſtalt, die ſie um die Mitte des Jahrhunderts angenom¬
men hatte, nach und nach erlag, ſondern ſie entdeckten ihnen auch
gewiſſe Fachgeheimniſſe des Räuberhandwerks, die ſie in Stand ſetzten,
ihre Angehörigen künftig zweckmäßiger zu ſchützen. Denn auch dieſes
Gewerbe hatte ſeinen Fortſchritt und ſeine Erfindungen, und die Acten
bewahren hievon Züge menſchlichen Scharfſinns auf, an dem man ſich
ergötzen könnte, wenn er beſſer angewendet worden wäre. Es iſt ein
hartes Urtheil, das man der Zeit nicht erſparen kann: dieſer Menſch
hat ihr dadurch, daß er ſchuldig geworden iſt, unendlich mehr genützt,
als wenn er in den Schranken des Geſetzes geblieben wäre. Die
eigenthümliche Art ſeines Verdienſtes mahnt zur Vergleichung mit
einem ähnlichen Verdienſte, das ſich ein Höhergeſtellter um die Zeit
erwarb, der Graf Schenk von Caſtell, der, vom Eifer des Markgrafen
von Durlach beſeelt, auf eigene Hand in Süddeutſchland umher und
bis nach Graubünden und Italien hinabzog, um das Raubgeſindel ein¬
zufangen, und den die Jauner um ſeiner Kühnheit und Strenge willen
fürchteten, als ob er vom Teufel gefeit und gefeſtet wäre, ſo daß einſt,
als er allein im Walde ritt, ein Räuber einem andern, der auf ihn
angeſchlagen hatte, zurief: Laß, es iſt der Graf von Caſtell! und es
nur eines Wortes von ihm bedurfte, um die Beiden als Spürhunde in
ſeinen Dienſt zu ziehen. Es iſt die Frage, wer mehr gethan hat, die
Wälder zu ſäubern und die Diebsherbergen auszufegen, der hohe Reichs¬
graf zu Diſchingen oder der in den Staub getretene Metzgerknecht von
Ebersbach. Ihm ſelbſt wenigſtens ſcheint ſein unbeſiegbares Selbſt¬
gefühl zugeflüſtert zu haben, daß er in ſeinem Gefängniß eine nicht
unwichtige Perſon geworden ſei, und er braucht in ſeiner Aufzeichnung
mitunter Ausdrücke gegen die Obrigkeit, wie ſie ein Vorgeſetzter ſich
gegen ſeine Untergebenen erlaubt. „Wiewohl ich weiß“, ſagt er an
einer Stelle, „daß viele Räuber gefangen zu Karlsruhe liegen, will
ich nur deſto eher zeigen, daß die Herren von Durlach oder Karlsruhe
eine ſehr liederliche Kenntniß von denſelben haben, und es ihnen ge¬
wiß nicht geoffenbart worden, wie ich es melden werde.“ Dann nimmt
er oft einen ganz befehlshaberiſchen Ton an. „Nur dieſe in Verhaft
genommen!“ ruft er, wo von einer Frau die Rede iſt, die er erſchrocken
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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