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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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über hübsch, und hübsch ist über reich. Aber Excüse, Frau Amt¬
männin, mein Sinn steht darauf, daß wenn ich einmal heirathen thu',
so muß es ein freies Mädle sein. Ich will mein Weib nicht aus
der Dienstbarkeit holen. Arm darf sie wohl sein, aber keine solche, die
schon auf der Adelsbank herumgerutscht und in vornehmen Häusern
herumgepudelt worden ist.

Die Amtmännin fuhr aus dem Armsessel auf, und ihre Contusche
von Perse rauschte wie eine Windsbraut durch das Zimmer. Er Fle¬
gel, der Er ist! schrie sie, meint Er denn, ich werde meine Perlen
vor solche Schweine werfen! Eine Zigeunerin wird er noch kriegen,
oder des Seilers Tochter, wenn's hoch kommt, wozu alle Aussicht
vorhanden ist! Reis' Er sich auf der Stelle, und laß Er sich's nicht
beigehen, mir wieder unter die Augen zu treten.

Friedrich hatte eben das Glas ergriffen, um zur Bekräftigung
seiner Rede einen herzhaften Schluck zu thun, als dieser unerwartete
Sturm bei vermeintlich heiterem Himmel ausbrach. Er setzte verblüfft
das Glas auf den Tisch, ergriff seinen Korb und machte sich rücklings
gegen die Thüre, wobei er den eben eintretenden Amtmann empfind¬
lich auf den Fuß trat. Dieser neue Fehltritt war nicht geeignet, ihm
seine Fassung wieder gewinnen zu helfen; vielmehr gelangte er strau¬
chelnd und taumelnd zur Thüre hinaus, von grimmigen Blicken und
unfreundschaftlichen Segenswünschen verfolgt.

Aber die kann Einem den Marsch machen! sagte er verwundert
zu sich, als er auf der Straße war. Er trug langsam seinen Korb
nach Hause, ohne sich recht erklären zu können, wodurch er die Frau
so plötzlich gegen sich aufgebracht habe. Desto deutlicher stand ihm
die doppelte Thatsache vor Augen, daß er um eine nicht zu verach¬
tende Gönnerschaft ärmer und um einen furchtbaren Feind reicher ge¬
worden sei. Er verabredete hinter dem Rücken seines Vaters mit ei¬
nem Knecht, daß dieser künftig statt seiner das Fleisch in's Amthaus
tragen solle; aber trotz dieser Auskunft machte ihm der Vorgang nicht
wenig zu schaffen. Verschüttet Oel ist nicht gut aufheben, sagte er den
ganzen Tag bedenklich mit dem Sprichwort zu sich.

Was konnte er unter dem Gewichte dieser Betrachtung Besseres
vornehmen, als die Flasche aufzusuchen, in welcher der Deutsche, der
Jüngling wie der Greis, der gemeine Mann wie der vornehme, schon

über hübſch, und hübſch iſt über reich. Aber Excüſe, Frau Amt¬
männin, mein Sinn ſteht darauf, daß wenn ich einmal heirathen thu',
ſo muß es ein freies Mädle ſein. Ich will mein Weib nicht aus
der Dienſtbarkeit holen. Arm darf ſie wohl ſein, aber keine ſolche, die
ſchon auf der Adelsbank herumgerutſcht und in vornehmen Häuſern
herumgepudelt worden iſt.

Die Amtmännin fuhr aus dem Armſeſſel auf, und ihre Contuſche
von Perſe rauſchte wie eine Windsbraut durch das Zimmer. Er Fle¬
gel, der Er iſt! ſchrie ſie, meint Er denn, ich werde meine Perlen
vor ſolche Schweine werfen! Eine Zigeunerin wird er noch kriegen,
oder des Seilers Tochter, wenn's hoch kommt, wozu alle Auſſicht
vorhanden iſt! Reiſ' Er ſich auf der Stelle, und laß Er ſich's nicht
beigehen, mir wieder unter die Augen zu treten.

Friedrich hatte eben das Glas ergriffen, um zur Bekräftigung
ſeiner Rede einen herzhaften Schluck zu thun, als dieſer unerwartete
Sturm bei vermeintlich heiterem Himmel ausbrach. Er ſetzte verblüfft
das Glas auf den Tiſch, ergriff ſeinen Korb und machte ſich rücklings
gegen die Thüre, wobei er den eben eintretenden Amtmann empfind¬
lich auf den Fuß trat. Dieſer neue Fehltritt war nicht geeignet, ihm
ſeine Faſſung wieder gewinnen zu helfen; vielmehr gelangte er ſtrau¬
chelnd und taumelnd zur Thüre hinaus, von grimmigen Blicken und
unfreundſchaftlichen Segenswünſchen verfolgt.

Aber die kann Einem den Marſch machen! ſagte er verwundert
zu ſich, als er auf der Straße war. Er trug langſam ſeinen Korb
nach Hauſe, ohne ſich recht erklären zu können, wodurch er die Frau
ſo plötzlich gegen ſich aufgebracht habe. Deſto deutlicher ſtand ihm
die doppelte Thatſache vor Augen, daß er um eine nicht zu verach¬
tende Gönnerſchaft ärmer und um einen furchtbaren Feind reicher ge¬
worden ſei. Er verabredete hinter dem Rücken ſeines Vaters mit ei¬
nem Knecht, daß dieſer künftig ſtatt ſeiner das Fleiſch in's Amthaus
tragen ſolle; aber trotz dieſer Auskunft machte ihm der Vorgang nicht
wenig zu ſchaffen. Verſchüttet Oel iſt nicht gut aufheben, ſagte er den
ganzen Tag bedenklich mit dem Sprichwort zu ſich.

Was konnte er unter dem Gewichte dieſer Betrachtung Beſſeres
vornehmen, als die Flaſche aufzuſuchen, in welcher der Deutſche, der
Jüngling wie der Greis, der gemeine Mann wie der vornehme, ſchon

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[60/0076] über hübſch, und hübſch iſt über reich. Aber Excüſe, Frau Amt¬ männin, mein Sinn ſteht darauf, daß wenn ich einmal heirathen thu', ſo muß es ein freies Mädle ſein. Ich will mein Weib nicht aus der Dienſtbarkeit holen. Arm darf ſie wohl ſein, aber keine ſolche, die ſchon auf der Adelsbank herumgerutſcht und in vornehmen Häuſern herumgepudelt worden iſt. Die Amtmännin fuhr aus dem Armſeſſel auf, und ihre Contuſche von Perſe rauſchte wie eine Windsbraut durch das Zimmer. Er Fle¬ gel, der Er iſt! ſchrie ſie, meint Er denn, ich werde meine Perlen vor ſolche Schweine werfen! Eine Zigeunerin wird er noch kriegen, oder des Seilers Tochter, wenn's hoch kommt, wozu alle Auſſicht vorhanden iſt! Reiſ' Er ſich auf der Stelle, und laß Er ſich's nicht beigehen, mir wieder unter die Augen zu treten. Friedrich hatte eben das Glas ergriffen, um zur Bekräftigung ſeiner Rede einen herzhaften Schluck zu thun, als dieſer unerwartete Sturm bei vermeintlich heiterem Himmel ausbrach. Er ſetzte verblüfft das Glas auf den Tiſch, ergriff ſeinen Korb und machte ſich rücklings gegen die Thüre, wobei er den eben eintretenden Amtmann empfind¬ lich auf den Fuß trat. Dieſer neue Fehltritt war nicht geeignet, ihm ſeine Faſſung wieder gewinnen zu helfen; vielmehr gelangte er ſtrau¬ chelnd und taumelnd zur Thüre hinaus, von grimmigen Blicken und unfreundſchaftlichen Segenswünſchen verfolgt. Aber die kann Einem den Marſch machen! ſagte er verwundert zu ſich, als er auf der Straße war. Er trug langſam ſeinen Korb nach Hauſe, ohne ſich recht erklären zu können, wodurch er die Frau ſo plötzlich gegen ſich aufgebracht habe. Deſto deutlicher ſtand ihm die doppelte Thatſache vor Augen, daß er um eine nicht zu verach¬ tende Gönnerſchaft ärmer und um einen furchtbaren Feind reicher ge¬ worden ſei. Er verabredete hinter dem Rücken ſeines Vaters mit ei¬ nem Knecht, daß dieſer künftig ſtatt ſeiner das Fleiſch in's Amthaus tragen ſolle; aber trotz dieſer Auskunft machte ihm der Vorgang nicht wenig zu ſchaffen. Verſchüttet Oel iſt nicht gut aufheben, ſagte er den ganzen Tag bedenklich mit dem Sprichwort zu ſich. Was konnte er unter dem Gewichte dieſer Betrachtung Beſſeres vornehmen, als die Flaſche aufzuſuchen, in welcher der Deutſche, der Jüngling wie der Greis, der gemeine Mann wie der vornehme, ſchon

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/76>, abgerufen am 23.11.2024.