Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Geschwindigkeit ihrem Schicksal überlassen werden mußte. Die Pfarrerin gebrauchte ihre nunmehr frei gewordenen Hände, um rechts und links vom Pfarrer nach der Richtung seines Tubus hin zu winken. Ueber diesem Bestreben wurde er bedeutend gequetscht und vermochte nicht alles und jegliches Stöhnen zu unterdrücken, aber als standhafter Märtyrer ermahnte er sie, seiner Ungemächlichkeit nicht zu achten und mit ihren Signalen fortzufahren. Er selbst, so oft und so lang er eine Hand vom Tubus entfernen konnte, bediente sich derselben, um gleichfalls zu winken, auch mit dem Finger abwechselnd bald auf das Werkzeug, bald auf den Gegenstand der Entdeckung zu zeigen und letzterem hiedurch anzudeuten, wen und was diese vehementen Winke beträfen. Solcher Aufwand von Zeichen und Kundgebungen durfte nicht unbelohnt bleiben, und es ereignete sich, was der Pfarrer während des Schauens in raschen Mittheilungen seiner Frau berichtete. Der Doppelgänger erkannte, daß die endlich zu seiner Wahrnehmung gelangenden Ferngrüße ihm galten. Ueberrascht erwiderte er die Aufmerksamkeit mit einer Verbeugung, wobei er zugleich in nicht uneleganter Manier den Tubus senkte, gerade wie der Offizier den Degen oder der Wagenlenker von Welt die Peitsche salutirend senkt. Aber gleichbald schien er eingesehen zu haben, daß diese Courtoisie die eingegangenen optischen Beziehungen aufrecht zu erhalten nicht geeignet sei. Er erhob daher Geschwindigkeit ihrem Schicksal überlassen werden mußte. Die Pfarrerin gebrauchte ihre nunmehr frei gewordenen Hände, um rechts und links vom Pfarrer nach der Richtung seines Tubus hin zu winken. Ueber diesem Bestreben wurde er bedeutend gequetscht und vermochte nicht alles und jegliches Stöhnen zu unterdrücken, aber als standhafter Märtyrer ermahnte er sie, seiner Ungemächlichkeit nicht zu achten und mit ihren Signalen fortzufahren. Er selbst, so oft und so lang er eine Hand vom Tubus entfernen konnte, bediente sich derselben, um gleichfalls zu winken, auch mit dem Finger abwechselnd bald auf das Werkzeug, bald auf den Gegenstand der Entdeckung zu zeigen und letzterem hiedurch anzudeuten, wen und was diese vehementen Winke beträfen. Solcher Aufwand von Zeichen und Kundgebungen durfte nicht unbelohnt bleiben, und es ereignete sich, was der Pfarrer während des Schauens in raschen Mittheilungen seiner Frau berichtete. Der Doppelgänger erkannte, daß die endlich zu seiner Wahrnehmung gelangenden Ferngrüße ihm galten. Ueberrascht erwiderte er die Aufmerksamkeit mit einer Verbeugung, wobei er zugleich in nicht uneleganter Manier den Tubus senkte, gerade wie der Offizier den Degen oder der Wagenlenker von Welt die Peitsche salutirend senkt. Aber gleichbald schien er eingesehen zu haben, daß diese Courtoisie die eingegangenen optischen Beziehungen aufrecht zu erhalten nicht geeignet sei. Er erhob daher <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0031"/> Geschwindigkeit ihrem Schicksal überlassen werden mußte. Die Pfarrerin gebrauchte ihre nunmehr frei gewordenen Hände, um rechts und links vom Pfarrer nach der Richtung seines Tubus hin zu winken. Ueber diesem Bestreben wurde er bedeutend gequetscht und vermochte nicht alles und jegliches Stöhnen zu unterdrücken, aber als standhafter Märtyrer ermahnte er sie, seiner Ungemächlichkeit nicht zu achten und mit ihren Signalen fortzufahren. Er selbst, so oft und so lang er eine Hand vom Tubus entfernen konnte, bediente sich derselben, um gleichfalls zu winken, auch mit dem Finger abwechselnd bald auf das Werkzeug, bald auf den Gegenstand der Entdeckung zu zeigen und letzterem hiedurch anzudeuten, wen und was diese vehementen Winke beträfen.</p><lb/> <p>Solcher Aufwand von Zeichen und Kundgebungen durfte nicht unbelohnt bleiben, und es ereignete sich, was der Pfarrer während des Schauens in raschen Mittheilungen seiner Frau berichtete. Der Doppelgänger erkannte, daß die endlich zu seiner Wahrnehmung gelangenden Ferngrüße ihm galten. Ueberrascht erwiderte er die Aufmerksamkeit mit einer Verbeugung, wobei er zugleich in nicht uneleganter Manier den Tubus senkte, gerade wie der Offizier den Degen oder der Wagenlenker von Welt die Peitsche salutirend senkt. Aber gleichbald schien er eingesehen zu haben, daß diese Courtoisie die eingegangenen optischen Beziehungen aufrecht zu erhalten nicht geeignet sei. Er erhob daher<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Geschwindigkeit ihrem Schicksal überlassen werden mußte. Die Pfarrerin gebrauchte ihre nunmehr frei gewordenen Hände, um rechts und links vom Pfarrer nach der Richtung seines Tubus hin zu winken. Ueber diesem Bestreben wurde er bedeutend gequetscht und vermochte nicht alles und jegliches Stöhnen zu unterdrücken, aber als standhafter Märtyrer ermahnte er sie, seiner Ungemächlichkeit nicht zu achten und mit ihren Signalen fortzufahren. Er selbst, so oft und so lang er eine Hand vom Tubus entfernen konnte, bediente sich derselben, um gleichfalls zu winken, auch mit dem Finger abwechselnd bald auf das Werkzeug, bald auf den Gegenstand der Entdeckung zu zeigen und letzterem hiedurch anzudeuten, wen und was diese vehementen Winke beträfen.
Solcher Aufwand von Zeichen und Kundgebungen durfte nicht unbelohnt bleiben, und es ereignete sich, was der Pfarrer während des Schauens in raschen Mittheilungen seiner Frau berichtete. Der Doppelgänger erkannte, daß die endlich zu seiner Wahrnehmung gelangenden Ferngrüße ihm galten. Ueberrascht erwiderte er die Aufmerksamkeit mit einer Verbeugung, wobei er zugleich in nicht uneleganter Manier den Tubus senkte, gerade wie der Offizier den Degen oder der Wagenlenker von Welt die Peitsche salutirend senkt. Aber gleichbald schien er eingesehen zu haben, daß diese Courtoisie die eingegangenen optischen Beziehungen aufrecht zu erhalten nicht geeignet sei. Er erhob daher
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |