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Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Examens dienende Gymnasiumsgebäude, von dem gebildeteren Theile der weiblichen Bevölkerung damals das "Gennasium" genannt, ein Schauplatz lebhafter Bewegung. Die Gruppen, die es umringten, bestanden aus Vätern und Verwandten der Prüfungscandidaten. Sie hatten diese ihre Säuglinge nach der Hauptstadt und bis an die Schwelle des Gymnasiums geleitet, wo dieselben streng abgesperrt wurden, um eine Reihe von Aufgaben in verschiedenen Fächern zunächst schriftlich zu lösen; und gingen nun hier ab und zu, um wo möglich an der Lust zu spüren, wie die Examenswitterung beschaffen sei. Man steckte die Köpfe zusammen und theilte sich murmelnd die Vermuthung mit, daß die Aufgaben dieses Jahr schwieriger sein würden, als je zuvor, weil die Prüfungsbehörde wegen des großen Andranges der Bewerber beschlossen habe, es diesmal mit den Anforderungen an sie haarscharf zu nehmen. Dazwischen trafen sich alte Bekannte und redeten von ihren Jugendtagen, wo sie ebenfalls hier geschwitzt hatten, oder erzählten einander ihre gegenseitigen Familienerlebnisse in Freud und Leid.

Am Mittag wurden diese Gruppen voller und drängten sich dichter um das Haus. Wer von den jungen Leuten mit seinem Pensum zu Ende war, wurde gegen Zurücklassung der Reinschrift in Freiheit gesetzt. Der Erste, der herunter kam, erregte allgemeines Aufsehen. Er mußte sehr geschickt oder sehr leichtsinnig, jedenfalls sehr zuversichtlich sein, daß er es gewagt

Examens dienende Gymnasiumsgebäude, von dem gebildeteren Theile der weiblichen Bevölkerung damals das „Gennasium“ genannt, ein Schauplatz lebhafter Bewegung. Die Gruppen, die es umringten, bestanden aus Vätern und Verwandten der Prüfungscandidaten. Sie hatten diese ihre Säuglinge nach der Hauptstadt und bis an die Schwelle des Gymnasiums geleitet, wo dieselben streng abgesperrt wurden, um eine Reihe von Aufgaben in verschiedenen Fächern zunächst schriftlich zu lösen; und gingen nun hier ab und zu, um wo möglich an der Lust zu spüren, wie die Examenswitterung beschaffen sei. Man steckte die Köpfe zusammen und theilte sich murmelnd die Vermuthung mit, daß die Aufgaben dieses Jahr schwieriger sein würden, als je zuvor, weil die Prüfungsbehörde wegen des großen Andranges der Bewerber beschlossen habe, es diesmal mit den Anforderungen an sie haarscharf zu nehmen. Dazwischen trafen sich alte Bekannte und redeten von ihren Jugendtagen, wo sie ebenfalls hier geschwitzt hatten, oder erzählten einander ihre gegenseitigen Familienerlebnisse in Freud und Leid.

Am Mittag wurden diese Gruppen voller und drängten sich dichter um das Haus. Wer von den jungen Leuten mit seinem Pensum zu Ende war, wurde gegen Zurücklassung der Reinschrift in Freiheit gesetzt. Der Erste, der herunter kam, erregte allgemeines Aufsehen. Er mußte sehr geschickt oder sehr leichtsinnig, jedenfalls sehr zuversichtlich sein, daß er es gewagt

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[0069] Examens dienende Gymnasiumsgebäude, von dem gebildeteren Theile der weiblichen Bevölkerung damals das „Gennasium“ genannt, ein Schauplatz lebhafter Bewegung. Die Gruppen, die es umringten, bestanden aus Vätern und Verwandten der Prüfungscandidaten. Sie hatten diese ihre Säuglinge nach der Hauptstadt und bis an die Schwelle des Gymnasiums geleitet, wo dieselben streng abgesperrt wurden, um eine Reihe von Aufgaben in verschiedenen Fächern zunächst schriftlich zu lösen; und gingen nun hier ab und zu, um wo möglich an der Lust zu spüren, wie die Examenswitterung beschaffen sei. Man steckte die Köpfe zusammen und theilte sich murmelnd die Vermuthung mit, daß die Aufgaben dieses Jahr schwieriger sein würden, als je zuvor, weil die Prüfungsbehörde wegen des großen Andranges der Bewerber beschlossen habe, es diesmal mit den Anforderungen an sie haarscharf zu nehmen. Dazwischen trafen sich alte Bekannte und redeten von ihren Jugendtagen, wo sie ebenfalls hier geschwitzt hatten, oder erzählten einander ihre gegenseitigen Familienerlebnisse in Freud und Leid. Am Mittag wurden diese Gruppen voller und drängten sich dichter um das Haus. Wer von den jungen Leuten mit seinem Pensum zu Ende war, wurde gegen Zurücklassung der Reinschrift in Freiheit gesetzt. Der Erste, der herunter kam, erregte allgemeines Aufsehen. Er mußte sehr geschickt oder sehr leichtsinnig, jedenfalls sehr zuversichtlich sein, daß er es gewagt

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/69>, abgerufen am 23.11.2024.