Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nicht da und fand sich auch im ganzen Lauf des Abends nicht ein. Er fragte Bekannte und Unbekannte, beinahe Mann für Mann, vergebens nach ihm. Niemand wußte auch nur von ihm zu sagen, wo er sein Zelt aufgeschlagen habe. Es ist mir unbegreiflich! murmelte der Pfarrer von A . . . berg beständig vor sich hin, bis er durch neue Begegnungen und Befreundungen jeweils wieder in den Strudel der heitern Bewegung gerissen wurde. Schon am folgenden Morgen erfuhr er zweierlei Gründe, deren einer das räthselhafte Benehmen des Freundes rechtfertigte, durch den andern aber wieder aufgehoben wurde. Aus den entscheidenden Kreisen nämlich, das heißt, aus dem Gremium der Examinatoren, verbreitete sich die Nachricht, daß Eduard von Y . . . burg merkwürdige Arbeit gemacht habe. Nicht bloß hatte er im Griechischen mit den beiden intricanten Verneinungswörtchen, die schon firmeren Gelehrten ein Bein gestellt haben, heilloses Blindekuhspiel getrieben, sondern noch obendrein im Lateinischen eine Todsünde begangen, die nur mit der jenes unglücklichen Helvetiers verglichen werden kann, der sich nirgends mehr in Gesellschaft blicken lassen durfte, weil die Rede von ihm ging, er habe seinen Grundstock angegriffen -- kurz, er hatte Ut mit dem Indicativ gesetzt! Wenn der Vater diesen Schnitzer gestern zuerst ins Auge gefaßt hatte, dann war sein kläglicher Ausruf freilich gerechtfertigt. Noch mehr war es sein Wegbleiben aus der nicht da und fand sich auch im ganzen Lauf des Abends nicht ein. Er fragte Bekannte und Unbekannte, beinahe Mann für Mann, vergebens nach ihm. Niemand wußte auch nur von ihm zu sagen, wo er sein Zelt aufgeschlagen habe. Es ist mir unbegreiflich! murmelte der Pfarrer von A . . . berg beständig vor sich hin, bis er durch neue Begegnungen und Befreundungen jeweils wieder in den Strudel der heitern Bewegung gerissen wurde. Schon am folgenden Morgen erfuhr er zweierlei Gründe, deren einer das räthselhafte Benehmen des Freundes rechtfertigte, durch den andern aber wieder aufgehoben wurde. Aus den entscheidenden Kreisen nämlich, das heißt, aus dem Gremium der Examinatoren, verbreitete sich die Nachricht, daß Eduard von Y . . . burg merkwürdige Arbeit gemacht habe. Nicht bloß hatte er im Griechischen mit den beiden intricanten Verneinungswörtchen, die schon firmeren Gelehrten ein Bein gestellt haben, heilloses Blindekuhspiel getrieben, sondern noch obendrein im Lateinischen eine Todsünde begangen, die nur mit der jenes unglücklichen Helvetiers verglichen werden kann, der sich nirgends mehr in Gesellschaft blicken lassen durfte, weil die Rede von ihm ging, er habe seinen Grundstock angegriffen — kurz, er hatte Ut mit dem Indicativ gesetzt! Wenn der Vater diesen Schnitzer gestern zuerst ins Auge gefaßt hatte, dann war sein kläglicher Ausruf freilich gerechtfertigt. Noch mehr war es sein Wegbleiben aus der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0078"/> nicht da und fand sich auch im ganzen Lauf des Abends nicht ein. Er fragte Bekannte und Unbekannte, beinahe Mann für Mann, vergebens nach ihm. Niemand wußte auch nur von ihm zu sagen, wo er sein Zelt aufgeschlagen habe. Es ist mir unbegreiflich! murmelte der Pfarrer von A . . . berg beständig vor sich hin, bis er durch neue Begegnungen und Befreundungen jeweils wieder in den Strudel der heitern Bewegung gerissen wurde.</p><lb/> <p>Schon am folgenden Morgen erfuhr er zweierlei Gründe, deren einer das räthselhafte Benehmen des Freundes rechtfertigte, durch den andern aber wieder aufgehoben wurde. Aus den entscheidenden Kreisen nämlich, das heißt, aus dem Gremium der Examinatoren, verbreitete sich die Nachricht, daß Eduard von Y . . . burg merkwürdige Arbeit gemacht habe. Nicht bloß hatte er im Griechischen mit den beiden intricanten Verneinungswörtchen, die schon firmeren Gelehrten ein Bein gestellt haben, heilloses Blindekuhspiel getrieben, sondern noch obendrein im Lateinischen eine Todsünde begangen, die nur mit der jenes unglücklichen Helvetiers verglichen werden kann, der sich nirgends mehr in Gesellschaft blicken lassen durfte, weil die Rede von ihm ging, er habe seinen Grundstock angegriffen — kurz, er hatte Ut mit dem Indicativ gesetzt! Wenn der Vater diesen Schnitzer gestern zuerst ins Auge gefaßt hatte, dann war sein kläglicher Ausruf freilich gerechtfertigt. Noch mehr war es sein Wegbleiben aus der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
nicht da und fand sich auch im ganzen Lauf des Abends nicht ein. Er fragte Bekannte und Unbekannte, beinahe Mann für Mann, vergebens nach ihm. Niemand wußte auch nur von ihm zu sagen, wo er sein Zelt aufgeschlagen habe. Es ist mir unbegreiflich! murmelte der Pfarrer von A . . . berg beständig vor sich hin, bis er durch neue Begegnungen und Befreundungen jeweils wieder in den Strudel der heitern Bewegung gerissen wurde.
Schon am folgenden Morgen erfuhr er zweierlei Gründe, deren einer das räthselhafte Benehmen des Freundes rechtfertigte, durch den andern aber wieder aufgehoben wurde. Aus den entscheidenden Kreisen nämlich, das heißt, aus dem Gremium der Examinatoren, verbreitete sich die Nachricht, daß Eduard von Y . . . burg merkwürdige Arbeit gemacht habe. Nicht bloß hatte er im Griechischen mit den beiden intricanten Verneinungswörtchen, die schon firmeren Gelehrten ein Bein gestellt haben, heilloses Blindekuhspiel getrieben, sondern noch obendrein im Lateinischen eine Todsünde begangen, die nur mit der jenes unglücklichen Helvetiers verglichen werden kann, der sich nirgends mehr in Gesellschaft blicken lassen durfte, weil die Rede von ihm ging, er habe seinen Grundstock angegriffen — kurz, er hatte Ut mit dem Indicativ gesetzt! Wenn der Vater diesen Schnitzer gestern zuerst ins Auge gefaßt hatte, dann war sein kläglicher Ausruf freilich gerechtfertigt. Noch mehr war es sein Wegbleiben aus der
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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