Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dert -- dem Fasse vollends den Boden aus. Zum Lesen und Uebersetzen einer Stelle aufgerufen, konnte er weder das eine noch das andere, mußte sich Buchstaben für Buchstaben, Wort für Wort vorsagen lassen und zeichnete sich, als es zur Sinnerklärung kam, durch eine, man möchte sagen, pharaonische Verstocktheit aus.

Die vorhergehenden Examinatoren hatten ihn nach und nach aufgegeben. Der Mann des Semitischen aber, ein sehr hartnäckiger Würmerbohrer, konnte ihn durchaus nicht loslassen, sondern setzte ihm erst mit grammatikalischen, dann mit religionsgeschichtlichen Fragen zu und wollte sich um jeden Preis rühmen, eine Antwort aus ihm herausgefoltert zu haben. Der alttestamentliche Vers enthielt unter Anderem eine Anspielung auf die Erscheinung, die Moses im Busch gehabt. Da nun der Candidat auf alle andern Fragen beharrlich schwieg, so sagte der Professor zuletzt verächtlich: Dann werden Sie mir wenigstens sagen können, Wer das ist, der dem großen Gesetzgeber im Busch erschien? -- der Bewohner des Busches? -- der da wohnete im Busch? -- nun? -- nun? -- nun? -- es ist eine Kinderfrage -- nun?

Der Candidat schwieg und machte eine Miene, worauf ziemlich leserlich die Antwort geschrieben stand, die er vorgestern Nacht seinem Vater gegeben hatte. Der Professor aber hörte nicht auf, mit dem zum

dert — dem Fasse vollends den Boden aus. Zum Lesen und Uebersetzen einer Stelle aufgerufen, konnte er weder das eine noch das andere, mußte sich Buchstaben für Buchstaben, Wort für Wort vorsagen lassen und zeichnete sich, als es zur Sinnerklärung kam, durch eine, man möchte sagen, pharaonische Verstocktheit aus.

Die vorhergehenden Examinatoren hatten ihn nach und nach aufgegeben. Der Mann des Semitischen aber, ein sehr hartnäckiger Würmerbohrer, konnte ihn durchaus nicht loslassen, sondern setzte ihm erst mit grammatikalischen, dann mit religionsgeschichtlichen Fragen zu und wollte sich um jeden Preis rühmen, eine Antwort aus ihm herausgefoltert zu haben. Der alttestamentliche Vers enthielt unter Anderem eine Anspielung auf die Erscheinung, die Moses im Busch gehabt. Da nun der Candidat auf alle andern Fragen beharrlich schwieg, so sagte der Professor zuletzt verächtlich: Dann werden Sie mir wenigstens sagen können, Wer das ist, der dem großen Gesetzgeber im Busch erschien? — der Bewohner des Busches? — der da wohnete im Busch? — nun? — nun? — nun? — es ist eine Kinderfrage — nun?

Der Candidat schwieg und machte eine Miene, worauf ziemlich leserlich die Antwort geschrieben stand, die er vorgestern Nacht seinem Vater gegeben hatte. Der Professor aber hörte nicht auf, mit dem zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0088"/>
dert &#x2014; dem Fasse                vollends den Boden aus. Zum Lesen und Uebersetzen einer Stelle aufgerufen, konnte er                weder das eine noch das andere, mußte sich Buchstaben für Buchstaben, Wort für Wort                vorsagen lassen und zeichnete sich, als es zur Sinnerklärung kam, durch eine, man                möchte sagen, pharaonische Verstocktheit aus.</p><lb/>
        <p>Die vorhergehenden Examinatoren hatten ihn nach und nach aufgegeben. Der Mann des                Semitischen aber, ein sehr hartnäckiger Würmerbohrer, konnte ihn durchaus nicht                loslassen, sondern setzte ihm erst mit grammatikalischen, dann mit                religionsgeschichtlichen Fragen zu und wollte sich um jeden Preis rühmen, eine                Antwort aus ihm herausgefoltert zu haben. Der alttestamentliche Vers enthielt unter                Anderem eine Anspielung auf die Erscheinung, die Moses im Busch gehabt. Da nun der                Candidat auf alle andern Fragen beharrlich schwieg, so sagte der Professor zuletzt                verächtlich: Dann werden Sie mir wenigstens sagen können, Wer das ist, der dem großen                Gesetzgeber im Busch erschien? &#x2014; der Bewohner des Busches? &#x2014; der da wohnete im Busch?                &#x2014; nun? &#x2014; nun? &#x2014; nun? &#x2014; es ist eine Kinderfrage &#x2014; nun?</p><lb/>
        <p>Der Candidat schwieg und machte eine Miene, worauf ziemlich leserlich die Antwort                geschrieben stand, die er vorgestern Nacht seinem Vater gegeben hatte. Der Professor                aber hörte nicht auf, mit dem zum<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0088] dert — dem Fasse vollends den Boden aus. Zum Lesen und Uebersetzen einer Stelle aufgerufen, konnte er weder das eine noch das andere, mußte sich Buchstaben für Buchstaben, Wort für Wort vorsagen lassen und zeichnete sich, als es zur Sinnerklärung kam, durch eine, man möchte sagen, pharaonische Verstocktheit aus. Die vorhergehenden Examinatoren hatten ihn nach und nach aufgegeben. Der Mann des Semitischen aber, ein sehr hartnäckiger Würmerbohrer, konnte ihn durchaus nicht loslassen, sondern setzte ihm erst mit grammatikalischen, dann mit religionsgeschichtlichen Fragen zu und wollte sich um jeden Preis rühmen, eine Antwort aus ihm herausgefoltert zu haben. Der alttestamentliche Vers enthielt unter Anderem eine Anspielung auf die Erscheinung, die Moses im Busch gehabt. Da nun der Candidat auf alle andern Fragen beharrlich schwieg, so sagte der Professor zuletzt verächtlich: Dann werden Sie mir wenigstens sagen können, Wer das ist, der dem großen Gesetzgeber im Busch erschien? — der Bewohner des Busches? — der da wohnete im Busch? — nun? — nun? — nun? — es ist eine Kinderfrage — nun? Der Candidat schwieg und machte eine Miene, worauf ziemlich leserlich die Antwort geschrieben stand, die er vorgestern Nacht seinem Vater gegeben hatte. Der Professor aber hörte nicht auf, mit dem zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/88
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/88>, abgerufen am 23.11.2024.