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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 11. Die Rechte der Einzelstaaten.
absorbirt nicht die Rechtssphäre der Mitglieder; die letzteren hören
dadurch, daß sie Theile einer höheren Gesammtheit werden, nicht
auf Individual-Existenzen zu sein mit selbstständiger Persönlichkeit.
Es ergiebt sich daraus eine Scheidung derjenigen Rechte, welche
durch die Mitgliedschaft, d. h. durch das Verhältniß zur Gesammt-
heit hervorgerufen und begründet werden, und derjenigen Rechte,
welche den Mitgliedern ut singulis, als Sonder-Persönlichkeiten,
zustehen. Diese Scheidung wird durch den Zweck und die Auf-
gabe der Korporation und durch die zur Erreichung dieses Zwecks
der Korporation verfassungsmäßig zugewiesenen Mittel, oder mit
einem Worte: durch die Kompetenz der Korporation näher bestimmt.
Alles, was der Kompetenz der Korporation entzogen ist, bildet
den Bereich der iura singulorum ihrer Mitglieder 1).

Diese allgemeinen, aus der Natur der Korporation sich erge-
benden Sätze finden auch auf das Deutsche Reich Anwendung.
Die Bundesstaaten als solche, als einzelne, sind nicht völlig im
Reich aufgegangen, ihre Rechtssphäre ist nicht vollständig vom
Reich aufgesogen worden. Soweit das Reich competent ist, bilden
die Staaten tamquam unum corpus und sind an der rechtlichen
Gewalt des Reiches nur als Mitglieder betheiligt, soweit dagegen
die Kompetenz des Reiches ausgeschlossen ist, sind die Staaten als
individuelle Personen des öffentlichen Rechts, als Einzelne, Sub-
jecte der Staatsgewalt.

Der Kreis der iura singulorum wird daher bestimmt durch
die der Reichskompetenz gezogenen Gränzen. Demnach gehören
dahin:

1) Alle fiskalischen Rechte der Einzelstaaten, soweit nicht die zu
Zwecken der Verwaltung dienenden Gegenstände mit der Verwaltung
selbst auf das Reich übergegangen sind, nach näherer Bestimmung
des Reichsgesetzes vom 28. Mai 1873.
2) Die Selbstverwaltungsbefugnisse der Einzelstaaten hinsicht-
lich der, der Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Reiches unter-
liegenden Angelegenheiten.

1) Dies ist auch der technische Begriff der iura singulorum im Gegen-
satz
zu Sonderrechten (iura singularia) im alten Deutschen Reichsrecht.
Laband a. a. O. S. 1489 fg. Vgl. namentlich Häberlin Handbuch des
Teutschen Staatsrechts I. S. 585 ff.

§. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.
abſorbirt nicht die Rechtsſphäre der Mitglieder; die letzteren hören
dadurch, daß ſie Theile einer höheren Geſammtheit werden, nicht
auf Individual-Exiſtenzen zu ſein mit ſelbſtſtändiger Perſönlichkeit.
Es ergiebt ſich daraus eine Scheidung derjenigen Rechte, welche
durch die Mitgliedſchaft, d. h. durch das Verhältniß zur Geſammt-
heit hervorgerufen und begründet werden, und derjenigen Rechte,
welche den Mitgliedern ut singulis, als Sonder-Perſönlichkeiten,
zuſtehen. Dieſe Scheidung wird durch den Zweck und die Auf-
gabe der Korporation und durch die zur Erreichung dieſes Zwecks
der Korporation verfaſſungsmäßig zugewieſenen Mittel, oder mit
einem Worte: durch die Kompetenz der Korporation näher beſtimmt.
Alles, was der Kompetenz der Korporation entzogen iſt, bildet
den Bereich der iura singulorum ihrer Mitglieder 1).

Dieſe allgemeinen, aus der Natur der Korporation ſich erge-
benden Sätze finden auch auf das Deutſche Reich Anwendung.
Die Bundesſtaaten als ſolche, als einzelne, ſind nicht völlig im
Reich aufgegangen, ihre Rechtsſphäre iſt nicht vollſtändig vom
Reich aufgeſogen worden. Soweit das Reich competent iſt, bilden
die Staaten tamquam unum corpus und ſind an der rechtlichen
Gewalt des Reiches nur als Mitglieder betheiligt, ſoweit dagegen
die Kompetenz des Reiches ausgeſchloſſen iſt, ſind die Staaten als
individuelle Perſonen des öffentlichen Rechts, als Einzelne, Sub-
jecte der Staatsgewalt.

Der Kreis der iura singulorum wird daher beſtimmt durch
die der Reichskompetenz gezogenen Gränzen. Demnach gehören
dahin:

1) Alle fiskaliſchen Rechte der Einzelſtaaten, ſoweit nicht die zu
Zwecken der Verwaltung dienenden Gegenſtände mit der Verwaltung
ſelbſt auf das Reich übergegangen ſind, nach näherer Beſtimmung
des Reichsgeſetzes vom 28. Mai 1873.
2) Die Selbſtverwaltungsbefugniſſe der Einzelſtaaten hinſicht-
lich der, der Geſetzgebung und Beaufſichtigung des Reiches unter-
liegenden Angelegenheiten.

1) Dies iſt auch der techniſche Begriff der iura singulorum im Gegen-
ſatz
zu Sonderrechten (iura singularia) im alten Deutſchen Reichsrecht.
Laband a. a. O. S. 1489 fg. Vgl. namentlich Häberlin Handbuch des
Teutſchen Staatsrechts I. S. 585 ff.
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[122/0142] §. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten. abſorbirt nicht die Rechtsſphäre der Mitglieder; die letzteren hören dadurch, daß ſie Theile einer höheren Geſammtheit werden, nicht auf Individual-Exiſtenzen zu ſein mit ſelbſtſtändiger Perſönlichkeit. Es ergiebt ſich daraus eine Scheidung derjenigen Rechte, welche durch die Mitgliedſchaft, d. h. durch das Verhältniß zur Geſammt- heit hervorgerufen und begründet werden, und derjenigen Rechte, welche den Mitgliedern ut singulis, als Sonder-Perſönlichkeiten, zuſtehen. Dieſe Scheidung wird durch den Zweck und die Auf- gabe der Korporation und durch die zur Erreichung dieſes Zwecks der Korporation verfaſſungsmäßig zugewieſenen Mittel, oder mit einem Worte: durch die Kompetenz der Korporation näher beſtimmt. Alles, was der Kompetenz der Korporation entzogen iſt, bildet den Bereich der iura singulorum ihrer Mitglieder 1). Dieſe allgemeinen, aus der Natur der Korporation ſich erge- benden Sätze finden auch auf das Deutſche Reich Anwendung. Die Bundesſtaaten als ſolche, als einzelne, ſind nicht völlig im Reich aufgegangen, ihre Rechtsſphäre iſt nicht vollſtändig vom Reich aufgeſogen worden. Soweit das Reich competent iſt, bilden die Staaten tamquam unum corpus und ſind an der rechtlichen Gewalt des Reiches nur als Mitglieder betheiligt, ſoweit dagegen die Kompetenz des Reiches ausgeſchloſſen iſt, ſind die Staaten als individuelle Perſonen des öffentlichen Rechts, als Einzelne, Sub- jecte der Staatsgewalt. Der Kreis der iura singulorum wird daher beſtimmt durch die der Reichskompetenz gezogenen Gränzen. Demnach gehören dahin: 1) Alle fiskaliſchen Rechte der Einzelſtaaten, ſoweit nicht die zu Zwecken der Verwaltung dienenden Gegenſtände mit der Verwaltung ſelbſt auf das Reich übergegangen ſind, nach näherer Beſtimmung des Reichsgeſetzes vom 28. Mai 1873. 2) Die Selbſtverwaltungsbefugniſſe der Einzelſtaaten hinſicht- lich der, der Geſetzgebung und Beaufſichtigung des Reiches unter- liegenden Angelegenheiten. 1) Dies iſt auch der techniſche Begriff der iura singulorum im Gegen- ſatz zu Sonderrechten (iura singularia) im alten Deutſchen Reichsrecht. Laband a. a. O. S. 1489 fg. Vgl. namentlich Häberlin Handbuch des Teutſchen Staatsrechts I. S. 585 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/142>, abgerufen am 24.11.2024.