Behandlung des Staatsrechts und indem man die Privatrechtsbegriffe vermeiden will, verstößt man die Rechtsbegriffe überhaupt, um sie durch philosophische und politische Betrachtungen zu ersetzen. Im Allgemeinen hat die Wissenschaft des Privatrechts vor allen anderen Rechtsdisciplinen einen so großen Vorsprung gewonnen, daß die letzteren sich nicht zu scheuen brauchen, bei ihrer reiferen Schwester zu lernen und bei dem heutigen Zustande der staatsrechtlichen und insbesondere reichsrechtlichen Literatur ist weit weniger zu fürchten, daß sie zu civilistisch, als daß sie unjuristisch wird und auf das Niveau der politischen Tagesliteratur hinabsinkt.
Von diesen Gesichtspunkten aus ist die folgende Darstellung des Staatsrechts des Deutschen Reiches unternommen worden, deren Anfang in dem vorliegenden ersten Bande veröffentlicht wird. Derselbe umfaßt diejenigen Lehren, welche die eigentliche rechtliche Struktur des Reiches, sein juristisches Wesen, seine Grundlagen und seine Organisation betreffen. Die Darstellung derjenigen Re- geln, welche die Lebensthätigkeit des Reiches in formeller und materieller Hinsicht beherrschen, wird der zweite Band enthalten.
Von der bisherigen Literatur des Reichsrechts konnte die zweite Auflage des Werkes von Ludwig v. Rönne, deren erster Band während des Druckes des vorliegenden Buches erschienen ist (Leipzig 1876), nicht mehr berücksichtigt werden.
Mehr noch zu bedauern ist es, daß die Ergebnisse der Reichs- tags-Session 1875/76 keine Verwerthung mehr finden konnten. Je- doch sind die Veränderungen der Behörden-Organisation, welche mit dem 1. Januar 1876 eingetreten sind, in den Nachträgen am Schlusse des Bandes aufgeführt worden.
Vorwort.
Behandlung des Staatsrechts und indem man die Privatrechtsbegriffe vermeiden will, verſtößt man die Rechtsbegriffe überhaupt, um ſie durch philoſophiſche und politiſche Betrachtungen zu erſetzen. Im Allgemeinen hat die Wiſſenſchaft des Privatrechts vor allen anderen Rechtsdisciplinen einen ſo großen Vorſprung gewonnen, daß die letzteren ſich nicht zu ſcheuen brauchen, bei ihrer reiferen Schweſter zu lernen und bei dem heutigen Zuſtande der ſtaatsrechtlichen und insbeſondere reichsrechtlichen Literatur iſt weit weniger zu fürchten, daß ſie zu civiliſtiſch, als daß ſie unjuriſtiſch wird und auf das Niveau der politiſchen Tagesliteratur hinabſinkt.
Von dieſen Geſichtspunkten aus iſt die folgende Darſtellung des Staatsrechts des Deutſchen Reiches unternommen worden, deren Anfang in dem vorliegenden erſten Bande veröffentlicht wird. Derſelbe umfaßt diejenigen Lehren, welche die eigentliche rechtliche Struktur des Reiches, ſein juriſtiſches Weſen, ſeine Grundlagen und ſeine Organiſation betreffen. Die Darſtellung derjenigen Re- geln, welche die Lebensthätigkeit des Reiches in formeller und materieller Hinſicht beherrſchen, wird der zweite Band enthalten.
Von der bisherigen Literatur des Reichsrechts konnte die zweite Auflage des Werkes von Ludwig v. Rönne, deren erſter Band während des Druckes des vorliegenden Buches erſchienen iſt (Leipzig 1876), nicht mehr berückſichtigt werden.
Mehr noch zu bedauern iſt es, daß die Ergebniſſe der Reichs- tags-Seſſion 1875/76 keine Verwerthung mehr finden konnten. Je- doch ſind die Veränderungen der Behörden-Organiſation, welche mit dem 1. Januar 1876 eingetreten ſind, in den Nachträgen am Schluſſe des Bandes aufgeführt worden.
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0016"n="VIII"/><fwplace="top"type="header">Vorwort.</fw><lb/>
Behandlung des Staatsrechts und indem man die Privatrechtsbegriffe<lb/>
vermeiden will, verſtößt man die Rechtsbegriffe überhaupt, um ſie<lb/>
durch philoſophiſche und politiſche Betrachtungen zu erſetzen. Im<lb/>
Allgemeinen hat die Wiſſenſchaft des Privatrechts vor allen anderen<lb/>
Rechtsdisciplinen einen ſo großen Vorſprung gewonnen, daß die<lb/>
letzteren ſich nicht zu ſcheuen brauchen, bei ihrer reiferen Schweſter<lb/>
zu lernen und bei dem heutigen Zuſtande der ſtaatsrechtlichen und<lb/>
insbeſondere reichsrechtlichen Literatur iſt weit weniger zu fürchten,<lb/>
daß ſie zu civiliſtiſch, als daß ſie unjuriſtiſch wird und auf das<lb/>
Niveau der politiſchen Tagesliteratur hinabſinkt.</p><lb/><p>Von dieſen Geſichtspunkten aus iſt die folgende Darſtellung<lb/>
des Staatsrechts des Deutſchen Reiches unternommen worden,<lb/>
deren Anfang in dem vorliegenden erſten Bande veröffentlicht wird.<lb/>
Derſelbe umfaßt diejenigen Lehren, welche die eigentliche rechtliche<lb/>
Struktur des Reiches, ſein juriſtiſches Weſen, ſeine Grundlagen<lb/>
und ſeine Organiſation betreffen. Die Darſtellung derjenigen Re-<lb/>
geln, welche die Lebensthätigkeit des Reiches in formeller und<lb/>
materieller Hinſicht beherrſchen, wird der zweite Band enthalten.</p><lb/><p>Von der bisherigen Literatur des Reichsrechts konnte die<lb/>
zweite Auflage des Werkes von <hirendition="#g">Ludwig v. Rönne</hi>, deren erſter<lb/>
Band während des Druckes des vorliegenden Buches erſchienen iſt<lb/>
(Leipzig 1876), nicht mehr berückſichtigt werden.</p><lb/><p>Mehr noch zu bedauern iſt es, daß die Ergebniſſe der Reichs-<lb/>
tags-Seſſion 1875/76 keine Verwerthung mehr finden konnten. Je-<lb/>
doch ſind die Veränderungen der Behörden-Organiſation, welche<lb/>
mit dem 1. Januar 1876 eingetreten ſind, in den Nachträgen am<lb/>
Schluſſe des Bandes aufgeführt worden.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></front></text></TEI>
[VIII/0016]
Vorwort.
Behandlung des Staatsrechts und indem man die Privatrechtsbegriffe
vermeiden will, verſtößt man die Rechtsbegriffe überhaupt, um ſie
durch philoſophiſche und politiſche Betrachtungen zu erſetzen. Im
Allgemeinen hat die Wiſſenſchaft des Privatrechts vor allen anderen
Rechtsdisciplinen einen ſo großen Vorſprung gewonnen, daß die
letzteren ſich nicht zu ſcheuen brauchen, bei ihrer reiferen Schweſter
zu lernen und bei dem heutigen Zuſtande der ſtaatsrechtlichen und
insbeſondere reichsrechtlichen Literatur iſt weit weniger zu fürchten,
daß ſie zu civiliſtiſch, als daß ſie unjuriſtiſch wird und auf das
Niveau der politiſchen Tagesliteratur hinabſinkt.
Von dieſen Geſichtspunkten aus iſt die folgende Darſtellung
des Staatsrechts des Deutſchen Reiches unternommen worden,
deren Anfang in dem vorliegenden erſten Bande veröffentlicht wird.
Derſelbe umfaßt diejenigen Lehren, welche die eigentliche rechtliche
Struktur des Reiches, ſein juriſtiſches Weſen, ſeine Grundlagen
und ſeine Organiſation betreffen. Die Darſtellung derjenigen Re-
geln, welche die Lebensthätigkeit des Reiches in formeller und
materieller Hinſicht beherrſchen, wird der zweite Band enthalten.
Von der bisherigen Literatur des Reichsrechts konnte die
zweite Auflage des Werkes von Ludwig v. Rönne, deren erſter
Band während des Druckes des vorliegenden Buches erſchienen iſt
(Leipzig 1876), nicht mehr berückſichtigt werden.
Mehr noch zu bedauern iſt es, daß die Ergebniſſe der Reichs-
tags-Seſſion 1875/76 keine Verwerthung mehr finden konnten. Je-
doch ſind die Veränderungen der Behörden-Organiſation, welche
mit dem 1. Januar 1876 eingetreten ſind, in den Nachträgen am
Schluſſe des Bandes aufgeführt worden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.