Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 25. Das Subject der kaiserlichen Rechte.
erfolgen kann und daß, wenn sie verfassungsgemäß in Preußen
erfolgt ist, sie thatsächlich auch für die Succession in die Kaiser-
würde entscheidend ist, ohne daß ein Reichsgesetz ihr Anerkennung
und Bestätigung zu verleihen braucht. Das Preußische Thron-
folgerecht ist formell kein Reichsrecht.

Es ist nun durchaus nicht einzusehen, warum dieselben Grund-
sätze nicht vollständig zur Geltung kommen sollen, wenn eine Re-
gentschaft in Preußen erforderlich wird 1). Die Präsidialbefug-
nisse haften nicht an dem Titel eines Königs von Preußen und
sind nicht Rechte, welche dem Könige für seine Person, d. h.
unabhängig von seiner staatsrechtlichen Stellung in Preußen, zu-
kommen. Das Recht auf die Kaiserwürde ist ein Recht der Preu-
ßischen Krone; der König hat es in seiner Eigenschaft als Monarch
des Preußischen Staates. Sowie der Staat Preußen eigentlich
das Mitglied des Reiches, sein König nur der verfassungsmäßige
Vertreter ist, so ist auch das Sonderrecht auf die Kaiserwürde
im letzten Grunde ein Recht des Preußischen Staates, zu dessen
Geltendmachung und Ausübung der König von Preußen beru-
fen ist.

Wenn also nach Grundsätzen des Preußischen Staatsrechts
der König durch einen Regenten vertreten werden muß, so ist der
Vertreter berufen, ihn in allen Rechten und Pflichten der Krone
zu vertreten und mithin auch die Präsidialstellung im Reiche ein-
zunehmen. Der Titel des Kaisers, wird allerdings demjenigen
zukommen, welcher den Titel des Königs von Preußen führt und
dem quoad ius auch die Preußische Krone zusteht; die Ausübung
der Preußischen Kronrechte aber ist untheilbar und deshalb erstreckt
sie sich auch im Falle der Regentschaft nothwendig auf das, der
Preußischen Krone zustehende Präsidium des Bundes 2).


1) v. Gerber Grundz. §. 34 Note 4. (S. 101): "Der Fall des Ein-
tritts der Regentschaft ist ein unvollkommener Fall der Thronerledigung. Es
ist zwar ein Monarch vorhanden, aber ein solcher, der das Monarchenrecht
nicht ausüben kann; insoweit ist der Thron leer."
2) Vgl. Seydel S. 114. "Ist einmal das Präsidium ein Recht der
Krone Preußen, dann kann es von Niemand Anderem ausgeübt werden als
von dem, der die anderen Kronrechte wahrnimmt. Eine Vertheilung dieser
Rechte an Verschiedene wäre dem Geiste der Reichsverfassung entgegen; denn
das Präsidium steht mit der preußischen Königskrone nicht in Personalunion,
sondern es ist ein preußisches Recht im Bunde."

§. 25. Das Subject der kaiſerlichen Rechte.
erfolgen kann und daß, wenn ſie verfaſſungsgemäß in Preußen
erfolgt iſt, ſie thatſächlich auch für die Succeſſion in die Kaiſer-
würde entſcheidend iſt, ohne daß ein Reichsgeſetz ihr Anerkennung
und Beſtätigung zu verleihen braucht. Das Preußiſche Thron-
folgerecht iſt formell kein Reichsrecht.

Es iſt nun durchaus nicht einzuſehen, warum dieſelben Grund-
ſätze nicht vollſtändig zur Geltung kommen ſollen, wenn eine Re-
gentſchaft in Preußen erforderlich wird 1). Die Präſidialbefug-
niſſe haften nicht an dem Titel eines Königs von Preußen und
ſind nicht Rechte, welche dem Könige für ſeine Perſon, d. h.
unabhängig von ſeiner ſtaatsrechtlichen Stellung in Preußen, zu-
kommen. Das Recht auf die Kaiſerwürde iſt ein Recht der Preu-
ßiſchen Krone; der König hat es in ſeiner Eigenſchaft als Monarch
des Preußiſchen Staates. Sowie der Staat Preußen eigentlich
das Mitglied des Reiches, ſein König nur der verfaſſungsmäßige
Vertreter iſt, ſo iſt auch das Sonderrecht auf die Kaiſerwürde
im letzten Grunde ein Recht des Preußiſchen Staates, zu deſſen
Geltendmachung und Ausübung der König von Preußen beru-
fen iſt.

Wenn alſo nach Grundſätzen des Preußiſchen Staatsrechts
der König durch einen Regenten vertreten werden muß, ſo iſt der
Vertreter berufen, ihn in allen Rechten und Pflichten der Krone
zu vertreten und mithin auch die Präſidialſtellung im Reiche ein-
zunehmen. Der Titel des Kaiſers, wird allerdings demjenigen
zukommen, welcher den Titel des Königs von Preußen führt und
dem quoad ius auch die Preußiſche Krone zuſteht; die Ausübung
der Preußiſchen Kronrechte aber iſt untheilbar und deshalb erſtreckt
ſie ſich auch im Falle der Regentſchaft nothwendig auf das, der
Preußiſchen Krone zuſtehende Präſidium des Bundes 2).


1) v. Gerber Grundz. §. 34 Note 4. (S. 101): „Der Fall des Ein-
tritts der Regentſchaft iſt ein unvollkommener Fall der Thronerledigung. Es
iſt zwar ein Monarch vorhanden, aber ein ſolcher, der das Monarchenrecht
nicht ausüben kann; inſoweit iſt der Thron leer.“
2) Vgl. Seydel S. 114. „Iſt einmal das Präſidium ein Recht der
Krone Preußen, dann kann es von Niemand Anderem ausgeübt werden als
von dem, der die anderen Kronrechte wahrnimmt. Eine Vertheilung dieſer
Rechte an Verſchiedene wäre dem Geiſte der Reichsverfaſſung entgegen; denn
das Präſidium ſteht mit der preußiſchen Königskrone nicht in Perſonalunion,
ſondern es iſt ein preußiſches Recht im Bunde.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0237" n="217"/><fw place="top" type="header">§. 25. Das Subject der kai&#x017F;erlichen Rechte.</fw><lb/>
erfolgen kann und daß, wenn &#x017F;ie verfa&#x017F;&#x017F;ungsgemäß in Preußen<lb/>
erfolgt i&#x017F;t, &#x017F;ie that&#x017F;ächlich auch für die Succe&#x017F;&#x017F;ion in die Kai&#x017F;er-<lb/>
würde ent&#x017F;cheidend i&#x017F;t, ohne daß ein Reichsge&#x017F;etz ihr Anerkennung<lb/>
und Be&#x017F;tätigung zu verleihen braucht. Das Preußi&#x017F;che Thron-<lb/>
folgerecht i&#x017F;t formell kein Reichsrecht.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t nun durchaus nicht einzu&#x017F;ehen, warum die&#x017F;elben Grund-<lb/>
&#x017F;ätze nicht voll&#x017F;tändig zur Geltung kommen &#x017F;ollen, wenn eine Re-<lb/>
gent&#x017F;chaft in Preußen erforderlich wird <note place="foot" n="1)">v. <hi rendition="#g">Gerber</hi> Grundz. §. 34 Note 4. (S. 101): &#x201E;Der Fall des Ein-<lb/>
tritts der Regent&#x017F;chaft i&#x017F;t ein unvollkommener Fall der Thronerledigung. Es<lb/>
i&#x017F;t zwar ein Monarch vorhanden, aber ein &#x017F;olcher, der das Monarchenrecht<lb/>
nicht ausüben kann; in&#x017F;oweit i&#x017F;t der Thron leer.&#x201C;</note>. Die Prä&#x017F;idialbefug-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e haften nicht an dem <hi rendition="#g">Titel</hi> eines Königs von Preußen und<lb/>
&#x017F;ind nicht Rechte, welche dem Könige für &#x017F;eine <hi rendition="#g">Per&#x017F;on</hi>, d. h.<lb/>
unabhängig von &#x017F;einer &#x017F;taatsrechtlichen Stellung in Preußen, zu-<lb/>
kommen. Das Recht auf die Kai&#x017F;erwürde i&#x017F;t ein Recht der Preu-<lb/>
ßi&#x017F;chen Krone; der König hat es in &#x017F;einer Eigen&#x017F;chaft als Monarch<lb/>
des Preußi&#x017F;chen Staates. Sowie der Staat Preußen eigentlich<lb/>
das Mitglied des Reiches, &#x017F;ein König nur der verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßige<lb/>
Vertreter i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t auch das Sonderrecht auf die Kai&#x017F;erwürde<lb/>
im letzten Grunde ein Recht des Preußi&#x017F;chen Staates, zu de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Geltendmachung und Ausübung der König von Preußen beru-<lb/>
fen i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wenn al&#x017F;o nach Grund&#x017F;ätzen des Preußi&#x017F;chen Staatsrechts<lb/>
der König durch einen Regenten vertreten werden muß, &#x017F;o i&#x017F;t der<lb/>
Vertreter berufen, ihn in <hi rendition="#g">allen</hi> Rechten und Pflichten der Krone<lb/>
zu vertreten und mithin auch die Prä&#x017F;idial&#x017F;tellung im Reiche ein-<lb/>
zunehmen. Der <hi rendition="#g">Titel</hi> des Kai&#x017F;ers, wird allerdings demjenigen<lb/>
zukommen, welcher den Titel des Königs von Preußen führt und<lb/>
dem <hi rendition="#aq">quoad ius</hi> auch die Preußi&#x017F;che Krone zu&#x017F;teht; die <hi rendition="#g">Ausübung</hi><lb/>
der Preußi&#x017F;chen Kronrechte aber i&#x017F;t untheilbar und deshalb er&#x017F;treckt<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich auch im Falle der Regent&#x017F;chaft nothwendig auf das, der<lb/>
Preußi&#x017F;chen Krone zu&#x017F;tehende Prä&#x017F;idium des Bundes <note place="foot" n="2)">Vgl. <hi rendition="#g">Seydel</hi> S. 114. &#x201E;I&#x017F;t einmal das Prä&#x017F;idium ein Recht der<lb/>
Krone Preußen, dann kann es von Niemand Anderem ausgeübt werden als<lb/>
von dem, der die anderen Kronrechte wahrnimmt. Eine Vertheilung die&#x017F;er<lb/>
Rechte an Ver&#x017F;chiedene wäre dem Gei&#x017F;te der Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung entgegen; denn<lb/>
das Prä&#x017F;idium &#x017F;teht mit der preußi&#x017F;chen Königskrone nicht in Per&#x017F;onalunion,<lb/>
&#x017F;ondern es i&#x017F;t ein preußi&#x017F;ches Recht im Bunde.&#x201C;</note>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0237] §. 25. Das Subject der kaiſerlichen Rechte. erfolgen kann und daß, wenn ſie verfaſſungsgemäß in Preußen erfolgt iſt, ſie thatſächlich auch für die Succeſſion in die Kaiſer- würde entſcheidend iſt, ohne daß ein Reichsgeſetz ihr Anerkennung und Beſtätigung zu verleihen braucht. Das Preußiſche Thron- folgerecht iſt formell kein Reichsrecht. Es iſt nun durchaus nicht einzuſehen, warum dieſelben Grund- ſätze nicht vollſtändig zur Geltung kommen ſollen, wenn eine Re- gentſchaft in Preußen erforderlich wird 1). Die Präſidialbefug- niſſe haften nicht an dem Titel eines Königs von Preußen und ſind nicht Rechte, welche dem Könige für ſeine Perſon, d. h. unabhängig von ſeiner ſtaatsrechtlichen Stellung in Preußen, zu- kommen. Das Recht auf die Kaiſerwürde iſt ein Recht der Preu- ßiſchen Krone; der König hat es in ſeiner Eigenſchaft als Monarch des Preußiſchen Staates. Sowie der Staat Preußen eigentlich das Mitglied des Reiches, ſein König nur der verfaſſungsmäßige Vertreter iſt, ſo iſt auch das Sonderrecht auf die Kaiſerwürde im letzten Grunde ein Recht des Preußiſchen Staates, zu deſſen Geltendmachung und Ausübung der König von Preußen beru- fen iſt. Wenn alſo nach Grundſätzen des Preußiſchen Staatsrechts der König durch einen Regenten vertreten werden muß, ſo iſt der Vertreter berufen, ihn in allen Rechten und Pflichten der Krone zu vertreten und mithin auch die Präſidialſtellung im Reiche ein- zunehmen. Der Titel des Kaiſers, wird allerdings demjenigen zukommen, welcher den Titel des Königs von Preußen führt und dem quoad ius auch die Preußiſche Krone zuſteht; die Ausübung der Preußiſchen Kronrechte aber iſt untheilbar und deshalb erſtreckt ſie ſich auch im Falle der Regentſchaft nothwendig auf das, der Preußiſchen Krone zuſtehende Präſidium des Bundes 2). 1) v. Gerber Grundz. §. 34 Note 4. (S. 101): „Der Fall des Ein- tritts der Regentſchaft iſt ein unvollkommener Fall der Thronerledigung. Es iſt zwar ein Monarch vorhanden, aber ein ſolcher, der das Monarchenrecht nicht ausüben kann; inſoweit iſt der Thron leer.“ 2) Vgl. Seydel S. 114. „Iſt einmal das Präſidium ein Recht der Krone Preußen, dann kann es von Niemand Anderem ausgeübt werden als von dem, der die anderen Kronrechte wahrnimmt. Eine Vertheilung dieſer Rechte an Verſchiedene wäre dem Geiſte der Reichsverfaſſung entgegen; denn das Präſidium ſteht mit der preußiſchen Königskrone nicht in Perſonalunion, ſondern es iſt ein preußiſches Recht im Bunde.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/237
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/237>, abgerufen am 24.11.2024.