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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
daktion der Reichsverfassung wurde er aber verstärkt durch zwei,
vom Bundesrathe alljährlich zu wählende Bevollmächtigte anderer
Bundesstaaten 1).

Dieser Ausschuß ist durchaus verschieden von den übrigen,
durch die Norddeutsche Bundesverfassung bereits vorgesehenen Bun-
desraths-Ausschüssen und entspricht einer ganz anderen Funktion
des Bundesrathes wie die letzteren, obwohl er im Art. 8 der R.-V.
neben denselben Platz gefunden hat. In allen, den übrigen Aus-
schüssen zugewiesenen Funktionen erscheint der Bundesrath durchweg
als ein Willensorgan des Reiches, als ein Theil des Regierungs-
Apparates des Reiches; in dem Ausschusse für die auswärtigen
Angelegenheiten dagegen als ein Communikations-Mittel der Einzel-
staaten
. Dieser Ausschuß hat Nichts zu thun mit der Instruirung
der diplomatischen Geschäftsträger, mit dem Abschluß internationaler
Verträge, mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten; er
kann nicht Namens des Reiches wollen oder handeln, beschließen
oder verfügen oder Beschlüsse des Bundesrathes in auswärtigen
Angelegenheiten vorbereiten. Er ist nur dazu da, um Mittheilun-
gen über die auswärtigen Beziehungen des Reiches zu empfangen
und die Ansichten der Einzel-Regierungen über diese Mittheilun-
gen auszutauschen; er dient lediglich zur Information der Bun-
desregierungen über den Stand der auswärtigen Politik und zur
Discussion dieser Politik, ihrer Zielpunkte und Wege 2).

Daraus erklärt es sich, daß in diesem Ausschusse und zwar
nur in diesem, Preußen nicht vertreten ist, da eine Informirung
des Kaisers über den Stand der auswärtigen Politik, deren oberste
Leitung ihm selbst zusteht, widersinnig wäre 3).


1) In den Motiven (I. Sess. 1871 Drucks. 4) wird darüber bemerkt,
daß diese Bestimmung auf den Wunsch mehrerer Bundesstaaten unter voller
Zustimmung der beiden Kontrahenten des Vertrages vom 23. November ge-
troffen worden sei.
2) Staatsmin. Delbrück im Nordd. Reichst. 1870. II. Aufl. Session.
Sten. Ber. S. 140.
3) Es ist im Nordd. Reichstage bei der Diskussion über den Bayerischen
Vertrag von dem Abgeordneten Lasker die Frage angeregt worden, ob
der Vorsitzende dieses Ausschusses berechtigt sei, ihn außerhalb Berlins zusam-
mentreten zu lassen. Darauf erwiederte Staatsminister Delbrück, er glaube
daß aus der Verf. selbst unzweifelhaft folge, daß der Ausschuß einer Körper-
schaft, deren Berufung dem Präsidium zusteht, nur an dem Orte tagen kann,

§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
daktion der Reichsverfaſſung wurde er aber verſtärkt durch zwei,
vom Bundesrathe alljährlich zu wählende Bevollmächtigte anderer
Bundesſtaaten 1).

Dieſer Ausſchuß iſt durchaus verſchieden von den übrigen,
durch die Norddeutſche Bundesverfaſſung bereits vorgeſehenen Bun-
desraths-Ausſchüſſen und entſpricht einer ganz anderen Funktion
des Bundesrathes wie die letzteren, obwohl er im Art. 8 der R.-V.
neben denſelben Platz gefunden hat. In allen, den übrigen Aus-
ſchüſſen zugewieſenen Funktionen erſcheint der Bundesrath durchweg
als ein Willensorgan des Reiches, als ein Theil des Regierungs-
Apparates des Reiches; in dem Ausſchuſſe für die auswärtigen
Angelegenheiten dagegen als ein Communikations-Mittel der Einzel-
ſtaaten
. Dieſer Ausſchuß hat Nichts zu thun mit der Inſtruirung
der diplomatiſchen Geſchäftsträger, mit dem Abſchluß internationaler
Verträge, mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten; er
kann nicht Namens des Reiches wollen oder handeln, beſchließen
oder verfügen oder Beſchlüſſe des Bundesrathes in auswärtigen
Angelegenheiten vorbereiten. Er iſt nur dazu da, um Mittheilun-
gen über die auswärtigen Beziehungen des Reiches zu empfangen
und die Anſichten der Einzel-Regierungen über dieſe Mittheilun-
gen auszutauſchen; er dient lediglich zur Information der Bun-
desregierungen über den Stand der auswärtigen Politik und zur
Discuſſion dieſer Politik, ihrer Zielpunkte und Wege 2).

Daraus erklärt es ſich, daß in dieſem Ausſchuſſe und zwar
nur in dieſem, Preußen nicht vertreten iſt, da eine Informirung
des Kaiſers über den Stand der auswärtigen Politik, deren oberſte
Leitung ihm ſelbſt zuſteht, widerſinnig wäre 3).


1) In den Motiven (I. Seſſ. 1871 Druckſ. 4) wird darüber bemerkt,
daß dieſe Beſtimmung auf den Wunſch mehrerer Bundesſtaaten unter voller
Zuſtimmung der beiden Kontrahenten des Vertrages vom 23. November ge-
troffen worden ſei.
2) Staatsmin. Delbrück im Nordd. Reichst. 1870. II. Aufl. Seſſion.
Sten. Ber. S. 140.
3) Es iſt im Nordd. Reichstage bei der Diskuſſion über den Bayeriſchen
Vertrag von dem Abgeordneten Lasker die Frage angeregt worden, ob
der Vorſitzende dieſes Ausſchuſſes berechtigt ſei, ihn außerhalb Berlins zuſam-
mentreten zu laſſen. Darauf erwiederte Staatsminiſter Delbrück, er glaube
daß aus der Verf. ſelbſt unzweifelhaft folge, daß der Ausſchuß einer Körper-
ſchaft, deren Berufung dem Präſidium zuſteht, nur an dem Orte tagen kann,
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[249/0269] §. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe. daktion der Reichsverfaſſung wurde er aber verſtärkt durch zwei, vom Bundesrathe alljährlich zu wählende Bevollmächtigte anderer Bundesſtaaten 1). Dieſer Ausſchuß iſt durchaus verſchieden von den übrigen, durch die Norddeutſche Bundesverfaſſung bereits vorgeſehenen Bun- desraths-Ausſchüſſen und entſpricht einer ganz anderen Funktion des Bundesrathes wie die letzteren, obwohl er im Art. 8 der R.-V. neben denſelben Platz gefunden hat. In allen, den übrigen Aus- ſchüſſen zugewieſenen Funktionen erſcheint der Bundesrath durchweg als ein Willensorgan des Reiches, als ein Theil des Regierungs- Apparates des Reiches; in dem Ausſchuſſe für die auswärtigen Angelegenheiten dagegen als ein Communikations-Mittel der Einzel- ſtaaten. Dieſer Ausſchuß hat Nichts zu thun mit der Inſtruirung der diplomatiſchen Geſchäftsträger, mit dem Abſchluß internationaler Verträge, mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten; er kann nicht Namens des Reiches wollen oder handeln, beſchließen oder verfügen oder Beſchlüſſe des Bundesrathes in auswärtigen Angelegenheiten vorbereiten. Er iſt nur dazu da, um Mittheilun- gen über die auswärtigen Beziehungen des Reiches zu empfangen und die Anſichten der Einzel-Regierungen über dieſe Mittheilun- gen auszutauſchen; er dient lediglich zur Information der Bun- desregierungen über den Stand der auswärtigen Politik und zur Discuſſion dieſer Politik, ihrer Zielpunkte und Wege 2). Daraus erklärt es ſich, daß in dieſem Ausſchuſſe und zwar nur in dieſem, Preußen nicht vertreten iſt, da eine Informirung des Kaiſers über den Stand der auswärtigen Politik, deren oberſte Leitung ihm ſelbſt zuſteht, widerſinnig wäre 3). 1) In den Motiven (I. Seſſ. 1871 Druckſ. 4) wird darüber bemerkt, daß dieſe Beſtimmung auf den Wunſch mehrerer Bundesſtaaten unter voller Zuſtimmung der beiden Kontrahenten des Vertrages vom 23. November ge- troffen worden ſei. 2) Staatsmin. Delbrück im Nordd. Reichst. 1870. II. Aufl. Seſſion. Sten. Ber. S. 140. 3) Es iſt im Nordd. Reichstage bei der Diskuſſion über den Bayeriſchen Vertrag von dem Abgeordneten Lasker die Frage angeregt worden, ob der Vorſitzende dieſes Ausſchuſſes berechtigt ſei, ihn außerhalb Berlins zuſam- mentreten zu laſſen. Darauf erwiederte Staatsminiſter Delbrück, er glaube daß aus der Verf. ſelbſt unzweifelhaft folge, daß der Ausſchuß einer Körper- ſchaft, deren Berufung dem Präſidium zuſteht, nur an dem Orte tagen kann,

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/269>, abgerufen am 24.11.2024.