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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
vorgetretenen Uebelstände fließt in unmerklichen Abstufungen und
Uebergängen an der einen Grenzlinie mit dem Erlaß allgemeiner
Verwaltungsverordnungen, an der anderen mit der Fällung eines
verwaltungsgerichtlichen Urtheils zusammen.

Daraus ergeben sich aber auch zugleich die Schranken, welche der
durch Art 7 Ziff. 3 begründeten Kompetenz des Bundesrathes gesetzt
sind. Dem Bundesrath steht keine Entscheidung zu in allen denjeni-
gen Angelegenheiten, die durch Reichsgesetz einer Reichsbehörde
überwiesen sind. Dazu gehören vor Allem die eigentlichen Rechts-
streitigkeiten, welche eine richterliche Entscheidung d. h. eine lediglich
durch Rechtssätze bestimmte Beurtheilung erfordern, also insbesondere
die, der Kompetenz des Reichs-Oberhandelsgerichts, des Heimaths-
amts, des Reichs-Eisenbahnamts, nach §. 5 Ziff. 4 des Ges. v.
27. Juni 1873 (Rg.-Bl. S. 165) u. s. w. unterliegenden Streit-
fälle. Ebenso aber auch diejenigen Angelegenheiten, deren Erledi-
gung zum Ressort der Reichs-Verwaltungsämter gehört. Es ist
ferner die durch Art. 7 Ziff. 3 für den Bundesrath begründete
Kompetenz ausgeschlossen, soweit die Reichsverfassung selbst eine
Ausnahme macht, was namentlich durch Art. 63 Abs. 3. hinsicht-
lich der Militär-Angelegenheiten zu Gunsten des Kaisers geschehen
ist. Andererseits findet die Kompetenz des Bundesrathes eine
Schranke an dem Selbstverwaltungsrecht der Einzelstaaten. Der
Bundesrath bildet keine Instanz über den Centralbehörden der
Einzelstaaten, so daß an ihn im Wege der Beschwerde oder des
Rekurses der einzelne Fall zur definitiven Entscheidung gezogen
werden könnte 1). Der Bundesrath kann keine von den Behörden
der Einzelstaaten getroffene Entscheidung cassiren, nicht auf Ver-
urtheilung oder Freisprechung erkennen, den Behörden der Einzel-
staaten keine Anweisung ertheilen; der Bundesrath kann nur darüber
einen Ausspruch thun, welchen Inhalt die allgemeine Pflicht aller
Bundesstaaten, die Reichsgesetze zu beobachten, in Ansehung des
speziellen, den Gegenstand des Beschlusses bildenden Punkt hat.

2) Ein ähnliches Verhältniß zwischen Bundesrath und Kaiser
wie es durch Art. 7 Abs. 3. und Art. 17 und durch Art. 36 Abs. 2
und Art. 36 Abs. 3. normirt ist, besteht auch hinsichtlich der Er-
nennung gewisser Reichsbeamten
. Die Ernennung selbst

1) Vgl. Laband in Hirth's Annalen 1873 S. 484.

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
vorgetretenen Uebelſtände fließt in unmerklichen Abſtufungen und
Uebergängen an der einen Grenzlinie mit dem Erlaß allgemeiner
Verwaltungsverordnungen, an der anderen mit der Fällung eines
verwaltungsgerichtlichen Urtheils zuſammen.

Daraus ergeben ſich aber auch zugleich die Schranken, welche der
durch Art 7 Ziff. 3 begründeten Kompetenz des Bundesrathes geſetzt
ſind. Dem Bundesrath ſteht keine Entſcheidung zu in allen denjeni-
gen Angelegenheiten, die durch Reichsgeſetz einer Reichsbehörde
überwieſen ſind. Dazu gehören vor Allem die eigentlichen Rechts-
ſtreitigkeiten, welche eine richterliche Entſcheidung d. h. eine lediglich
durch Rechtsſätze beſtimmte Beurtheilung erfordern, alſo insbeſondere
die, der Kompetenz des Reichs-Oberhandelsgerichts, des Heimaths-
amts, des Reichs-Eiſenbahnamts, nach §. 5 Ziff. 4 des Geſ. v.
27. Juni 1873 (Rg.-Bl. S. 165) u. ſ. w. unterliegenden Streit-
fälle. Ebenſo aber auch diejenigen Angelegenheiten, deren Erledi-
gung zum Reſſort der Reichs-Verwaltungsämter gehört. Es iſt
ferner die durch Art. 7 Ziff. 3 für den Bundesrath begründete
Kompetenz ausgeſchloſſen, ſoweit die Reichsverfaſſung ſelbſt eine
Ausnahme macht, was namentlich durch Art. 63 Abſ. 3. hinſicht-
lich der Militär-Angelegenheiten zu Gunſten des Kaiſers geſchehen
iſt. Andererſeits findet die Kompetenz des Bundesrathes eine
Schranke an dem Selbſtverwaltungsrecht der Einzelſtaaten. Der
Bundesrath bildet keine Inſtanz über den Centralbehörden der
Einzelſtaaten, ſo daß an ihn im Wege der Beſchwerde oder des
Rekurſes der einzelne Fall zur definitiven Entſcheidung gezogen
werden könnte 1). Der Bundesrath kann keine von den Behörden
der Einzelſtaaten getroffene Entſcheidung caſſiren, nicht auf Ver-
urtheilung oder Freiſprechung erkennen, den Behörden der Einzel-
ſtaaten keine Anweiſung ertheilen; der Bundesrath kann nur darüber
einen Ausſpruch thun, welchen Inhalt die allgemeine Pflicht aller
Bundesſtaaten, die Reichsgeſetze zu beobachten, in Anſehung des
ſpeziellen, den Gegenſtand des Beſchluſſes bildenden Punkt hat.

2) Ein ähnliches Verhältniß zwiſchen Bundesrath und Kaiſer
wie es durch Art. 7 Abſ. 3. und Art. 17 und durch Art. 36 Abſ. 2
und Art. 36 Abſ. 3. normirt iſt, beſteht auch hinſichtlich der Er-
nennung gewiſſer Reichsbeamten
. Die Ernennung ſelbſt

1) Vgl. Laband in Hirth’s Annalen 1873 S. 484.
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[261/0281] §. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. vorgetretenen Uebelſtände fließt in unmerklichen Abſtufungen und Uebergängen an der einen Grenzlinie mit dem Erlaß allgemeiner Verwaltungsverordnungen, an der anderen mit der Fällung eines verwaltungsgerichtlichen Urtheils zuſammen. Daraus ergeben ſich aber auch zugleich die Schranken, welche der durch Art 7 Ziff. 3 begründeten Kompetenz des Bundesrathes geſetzt ſind. Dem Bundesrath ſteht keine Entſcheidung zu in allen denjeni- gen Angelegenheiten, die durch Reichsgeſetz einer Reichsbehörde überwieſen ſind. Dazu gehören vor Allem die eigentlichen Rechts- ſtreitigkeiten, welche eine richterliche Entſcheidung d. h. eine lediglich durch Rechtsſätze beſtimmte Beurtheilung erfordern, alſo insbeſondere die, der Kompetenz des Reichs-Oberhandelsgerichts, des Heimaths- amts, des Reichs-Eiſenbahnamts, nach §. 5 Ziff. 4 des Geſ. v. 27. Juni 1873 (Rg.-Bl. S. 165) u. ſ. w. unterliegenden Streit- fälle. Ebenſo aber auch diejenigen Angelegenheiten, deren Erledi- gung zum Reſſort der Reichs-Verwaltungsämter gehört. Es iſt ferner die durch Art. 7 Ziff. 3 für den Bundesrath begründete Kompetenz ausgeſchloſſen, ſoweit die Reichsverfaſſung ſelbſt eine Ausnahme macht, was namentlich durch Art. 63 Abſ. 3. hinſicht- lich der Militär-Angelegenheiten zu Gunſten des Kaiſers geſchehen iſt. Andererſeits findet die Kompetenz des Bundesrathes eine Schranke an dem Selbſtverwaltungsrecht der Einzelſtaaten. Der Bundesrath bildet keine Inſtanz über den Centralbehörden der Einzelſtaaten, ſo daß an ihn im Wege der Beſchwerde oder des Rekurſes der einzelne Fall zur definitiven Entſcheidung gezogen werden könnte 1). Der Bundesrath kann keine von den Behörden der Einzelſtaaten getroffene Entſcheidung caſſiren, nicht auf Ver- urtheilung oder Freiſprechung erkennen, den Behörden der Einzel- ſtaaten keine Anweiſung ertheilen; der Bundesrath kann nur darüber einen Ausſpruch thun, welchen Inhalt die allgemeine Pflicht aller Bundesſtaaten, die Reichsgeſetze zu beobachten, in Anſehung des ſpeziellen, den Gegenſtand des Beſchluſſes bildenden Punkt hat. 2) Ein ähnliches Verhältniß zwiſchen Bundesrath und Kaiſer wie es durch Art. 7 Abſ. 3. und Art. 17 und durch Art. 36 Abſ. 2 und Art. 36 Abſ. 3. normirt iſt, beſteht auch hinſichtlich der Er- nennung gewiſſer Reichsbeamten. Die Ernennung ſelbſt 1) Vgl. Laband in Hirth’s Annalen 1873 S. 484.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/281>, abgerufen am 24.11.2024.