bildet er die eigentliche Instanz; das Collegium, welchem er die Entscheidung der Streitfrage aufträgt, hat keine eigene Competenz, sondern erstattet nur ein sachverständiges Gutachten, welches nur dadurch bindende Kraft und rechtliche Bedeutung erlangt, daß es der Bundesrath bestätigt.
Aus der Natur der Sache ergiebt sich, daß es den streitenden Staaten unbenommen ist, durch Compromiß oder durch irgend eine Form der Austräge ihren Zwist zu entscheiden. Der Art. 76 will nicht dem Bundesrath eine ausschließende richterliche Kompetenz bei Streitigkeiten unter den deutschen Staaten beilegen, sondern er will nur ein Mittel gewähren, um den Landfrieden für alle Fälle aufrecht halten zu können. Da der Krieg unter den im Reiche staatlich verbundenen Gliedern absolut ausgeschlossen ist, so muß eine Instanz vorhanden sein, welche Streitigkeiten zu erledigen vermag, wenn alle sonst zulässigen Mittel einer friedlichen Ent- scheidung erschöpft sind. Deshalb ist die Kompetenz des Bundes- rathes dann nicht begründet, wenn keiner der streitenden Staaten seine Einmischung anruft.
Ueber das Verfahren, welches der Bundesrath einzuschlagen hat, wenn derselbe angerufen wird, hat weder die Gesetzgebung noch die Praxis bisher Regeln aufgestellt. Es steht aber nichts im Wege und würde sich aus praktischen Gründen wohl empfehlen, diejenigen Vorschriften zur Anwendung zu bringen, welche zu Zeiten des deutschen Bundes für das Bundes-Austrägal-Verfahren bestanden haben 1).
Auch in dem, in der Wiener Schlußacte Art. 30 vorgesehenen Falle, daß Forderungen von Privatpersonen deshalb nicht befrie- digt werden können, weil die Verpflichtung, denselben Genüge zu leisten, zwischen mehreren Bundesgliedern zweifelhaft oder bestritten ist 2), wird der Bundesrath regelmäßig entweder wegen Art. 76 Abs. 1 oder wegen Art 77 zur Erledigung der Streitfrage com- petent sein 3), soweit nicht in Folge des Gesetzes vom 6. Juni
1) Vgl. über das Bundes-Austrägal-Verfahren Klüber §. 172 ff. Zöpfl I. §. 159 ff. ZachariäII. §. 267. 270 fg., woselbst auch die Literatur an- gegeben ist.
2) Das Nähere bei Klüber §. 176. ZöpflI. §. 157. ZachariaII. §. 273.
3) Es ist allerdings zuzugeben, daß Fälle denkbar sind, welche weder
§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
bildet er die eigentliche Inſtanz; das Collegium, welchem er die Entſcheidung der Streitfrage aufträgt, hat keine eigene Competenz, ſondern erſtattet nur ein ſachverſtändiges Gutachten, welches nur dadurch bindende Kraft und rechtliche Bedeutung erlangt, daß es der Bundesrath beſtätigt.
Aus der Natur der Sache ergiebt ſich, daß es den ſtreitenden Staaten unbenommen iſt, durch Compromiß oder durch irgend eine Form der Austräge ihren Zwiſt zu entſcheiden. Der Art. 76 will nicht dem Bundesrath eine ausſchließende richterliche Kompetenz bei Streitigkeiten unter den deutſchen Staaten beilegen, ſondern er will nur ein Mittel gewähren, um den Landfrieden für alle Fälle aufrecht halten zu können. Da der Krieg unter den im Reiche ſtaatlich verbundenen Gliedern abſolut ausgeſchloſſen iſt, ſo muß eine Inſtanz vorhanden ſein, welche Streitigkeiten zu erledigen vermag, wenn alle ſonſt zuläſſigen Mittel einer friedlichen Ent- ſcheidung erſchöpft ſind. Deshalb iſt die Kompetenz des Bundes- rathes dann nicht begründet, wenn keiner der ſtreitenden Staaten ſeine Einmiſchung anruft.
Ueber das Verfahren, welches der Bundesrath einzuſchlagen hat, wenn derſelbe angerufen wird, hat weder die Geſetzgebung noch die Praxis bisher Regeln aufgeſtellt. Es ſteht aber nichts im Wege und würde ſich aus praktiſchen Gründen wohl empfehlen, diejenigen Vorſchriften zur Anwendung zu bringen, welche zu Zeiten des deutſchen Bundes für das Bundes-Auſträgal-Verfahren beſtanden haben 1).
Auch in dem, in der Wiener Schlußacte Art. 30 vorgeſehenen Falle, daß Forderungen von Privatperſonen deshalb nicht befrie- digt werden können, weil die Verpflichtung, denſelben Genüge zu leiſten, zwiſchen mehreren Bundesgliedern zweifelhaft oder beſtritten iſt 2), wird der Bundesrath regelmäßig entweder wegen Art. 76 Abſ. 1 oder wegen Art 77 zur Erledigung der Streitfrage com- petent ſein 3), ſoweit nicht in Folge des Geſetzes vom 6. Juni
1) Vgl. über das Bundes-Auſträgal-Verfahren Klüber §. 172 ff. Zöpfl I. §. 159 ff. ZachariäII. §. 267. 270 fg., woſelbſt auch die Literatur an- gegeben iſt.
2) Das Nähere bei Klüber §. 176. ZöpflI. §. 157. ZachariaII. §. 273.
3) Es iſt allerdings zuzugeben, daß Fälle denkbar ſind, welche weder
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Entſcheidung der Streitfrage aufträgt, hat keine eigene Competenz,
ſondern erſtattet nur ein ſachverſtändiges Gutachten, welches nur
dadurch bindende Kraft und rechtliche Bedeutung erlangt, daß es
der Bundesrath beſtätigt.
Aus der Natur der Sache ergiebt ſich, daß es den ſtreitenden
Staaten unbenommen iſt, durch Compromiß oder durch irgend eine
Form der Austräge ihren Zwiſt zu entſcheiden. Der Art. 76 will
nicht dem Bundesrath eine ausſchließende richterliche Kompetenz
bei Streitigkeiten unter den deutſchen Staaten beilegen, ſondern
er will nur ein Mittel gewähren, um den Landfrieden für alle
Fälle aufrecht halten zu können. Da der Krieg unter den im
Reiche ſtaatlich verbundenen Gliedern abſolut ausgeſchloſſen iſt, ſo
muß eine Inſtanz vorhanden ſein, welche Streitigkeiten zu erledigen
vermag, wenn alle ſonſt zuläſſigen Mittel einer friedlichen Ent-
ſcheidung erſchöpft ſind. Deshalb iſt die Kompetenz des Bundes-
rathes dann nicht begründet, wenn keiner der ſtreitenden Staaten
ſeine Einmiſchung anruft.
Ueber das Verfahren, welches der Bundesrath einzuſchlagen
hat, wenn derſelbe angerufen wird, hat weder die Geſetzgebung
noch die Praxis bisher Regeln aufgeſtellt. Es ſteht aber nichts
im Wege und würde ſich aus praktiſchen Gründen wohl empfehlen,
diejenigen Vorſchriften zur Anwendung zu bringen, welche zu Zeiten
des deutſchen Bundes für das Bundes-Auſträgal-Verfahren beſtanden
haben 1).
Auch in dem, in der Wiener Schlußacte Art. 30 vorgeſehenen
Falle, daß Forderungen von Privatperſonen deshalb nicht befrie-
digt werden können, weil die Verpflichtung, denſelben Genüge zu
leiſten, zwiſchen mehreren Bundesgliedern zweifelhaft oder beſtritten
iſt 2), wird der Bundesrath regelmäßig entweder wegen Art. 76
Abſ. 1 oder wegen Art 77 zur Erledigung der Streitfrage com-
petent ſein 3), ſoweit nicht in Folge des Geſetzes vom 6. Juni
1) Vgl. über das Bundes-Auſträgal-Verfahren Klüber §. 172 ff. Zöpfl
I. §. 159 ff. Zachariä II. §. 267. 270 fg., woſelbſt auch die Literatur an-
gegeben iſt.
2) Das Nähere bei Klüber §. 176. Zöpfl I. §. 157. Zacharia II.
§. 273.
3) Es iſt allerdings zuzugeben, daß Fälle denkbar ſind, welche weder
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/289>, abgerufen am 27.07.2024.
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