Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 32. Begriff und System der Reichsbehörden. der Staatsämter und Staatsbehörden läßt sich nun der juristischeBegriff der Reichsbehörden und ihre staatsrechtliche Stellung im Verfassungsbau des Reiches bestimmen 1). 1) Reichsbehörden sind diejenigen Behörden, welche Geschäfte Dadurch ist das unterscheidende Merkmal zwischen Reichs- und Nicht entscheidend ist der Umstand, ob die Mitglieder der Ebenso wenig ist der Umstand entscheidend, ob die Mitglieder 1) Die bisherige Literatur des Reichsstaatsrechts bietet hierfür Nichts. In der überwiegenden Mehrzahl aller hierher gehörenden Werke wird diese Lehre völlig übergangen. Die kurze Darstellung in Thudichum's Verfas- sungsr. des Nordd. Bundes S. 219 ist durch die inzwischen erfolgte Fortbil- dung des Reichsrechts antiquirt. Die dürftigen Bemerkungen bei v. Rönne S. 181 ff. sind völlig unbrauchbar; eine staatsrechtliche Erörterung des Be- hörden-Organismus fehlt bei ihm gänzlich. v. Held Verf. des Deutschen Reiches S. 168 ff. beschränkt sich auf eine politische Kritik und vermag auch hier in der Reichsverfassung fast Nichts als ein widerspruchsvolles Chaos zu erblicken. 2) Siehe unten §. 37. 3) z. B. Die Reichsschulden-Kommission, das Kuratorium der Reichs- bank u. a. 4) Nicht blos sie zur Ernennung dem Kaiser vorschlägt. Auch hier bieten die Reichsschulden-Kommission und das Bank-Kuratorium Beispiele; ferner die Reichstags-Beamten u. a. 5) z. B. die unteren Aemter der Post- und Telegraphen-Verwaltung.
§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden. der Staatsämter und Staatsbehörden läßt ſich nun der juriſtiſcheBegriff der Reichsbehörden und ihre ſtaatsrechtliche Stellung im Verfaſſungsbau des Reiches beſtimmen 1). 1) Reichsbehörden ſind diejenigen Behörden, welche Geſchäfte Dadurch iſt das unterſcheidende Merkmal zwiſchen Reichs- und Nicht entſcheidend iſt der Umſtand, ob die Mitglieder der Ebenſo wenig iſt der Umſtand entſcheidend, ob die Mitglieder 1) Die bisherige Literatur des Reichsſtaatsrechts bietet hierfür Nichts. In der überwiegenden Mehrzahl aller hierher gehörenden Werke wird dieſe Lehre völlig übergangen. Die kurze Darſtellung in Thudichum’s Verfaſ- ſungsr. des Nordd. Bundes S. 219 iſt durch die inzwiſchen erfolgte Fortbil- dung des Reichsrechts antiquirt. Die dürftigen Bemerkungen bei v. Rönne S. 181 ff. ſind völlig unbrauchbar; eine ſtaatsrechtliche Erörterung des Be- hörden-Organismus fehlt bei ihm gänzlich. v. Held Verf. des Deutſchen Reiches S. 168 ff. beſchränkt ſich auf eine politiſche Kritik und vermag auch hier in der Reichsverfaſſung faſt Nichts als ein widerſpruchsvolles Chaos zu erblicken. 2) Siehe unten §. 37. 3) z. B. Die Reichsſchulden-Kommiſſion, das Kuratorium der Reichs- bank u. a. 4) Nicht blos ſie zur Ernennung dem Kaiſer vorſchlägt. Auch hier bieten die Reichsſchulden-Kommiſſion und das Bank-Kuratorium Beiſpiele; ferner die Reichstags-Beamten u. a. 5) z. B. die unteren Aemter der Poſt- und Telegraphen-Verwaltung.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0316" n="296"/><fw place="top" type="header">§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.</fw><lb/> der Staatsämter und Staatsbehörden läßt ſich nun der juriſtiſche<lb/> Begriff der Reichsbehörden und ihre ſtaatsrechtliche Stellung im<lb/> Verfaſſungsbau des Reiches beſtimmen <note place="foot" n="1)">Die bisherige Literatur des Reichsſtaatsrechts bietet hierfür Nichts.<lb/> In der überwiegenden Mehrzahl aller hierher gehörenden Werke wird dieſe<lb/> Lehre völlig übergangen. Die kurze Darſtellung in <hi rendition="#g">Thudichum</hi>’s Verfaſ-<lb/> ſungsr. des Nordd. Bundes S. 219 iſt durch die inzwiſchen erfolgte Fortbil-<lb/> dung des Reichsrechts antiquirt. Die dürftigen Bemerkungen bei v. <hi rendition="#g">Rönne</hi><lb/> S. 181 ff. ſind völlig unbrauchbar; eine ſtaatsrechtliche Erörterung des Be-<lb/> hörden-Organismus fehlt bei ihm gänzlich. v. <hi rendition="#g">Held</hi> Verf. des Deutſchen<lb/> Reiches S. 168 ff. beſchränkt ſich auf eine politiſche Kritik und vermag<lb/> auch hier in der Reichsverfaſſung faſt Nichts als ein widerſpruchsvolles Chaos<lb/> zu erblicken.</note>.</p><lb/> <p>1) Reichsbehörden ſind diejenigen Behörden, welche <hi rendition="#g">Geſchäfte<lb/> des Reiches</hi> führen und ihre Autorität unmittelbar von der<lb/><hi rendition="#g">Reichsgewalt</hi> ableiten.</p><lb/> <p>Dadurch iſt das unterſcheidende Merkmal zwiſchen Reichs- und<lb/> Landesbehörden gegeben.</p><lb/> <p>Nicht entſcheidend iſt der Umſtand, ob die Mitglieder der<lb/> Behörde Reichsbeamte im Sinne des Reichsbeamten-Geſetzes vom<lb/> 31. März 1873 ſind oder nicht. Der Begriff der Reichsbeamten<lb/> wie ihn dieſes Geſetz aufſtellt, reicht zum Theil viel weiter <note place="foot" n="2)">Siehe unten §. 37.</note>, zum<lb/> Theil giebt es Reichsbehörden, deren Mitglieder nicht Reichsbeamte<lb/> ſind <note place="foot" n="3)">z. B. Die Reichsſchulden-Kommiſſion, das Kuratorium der Reichs-<lb/> bank u. a.</note>. Der Regel nach ſind aber die Mitglieder der Reichsbe-<lb/> hörden zugleich Reichsbeamte.</p><lb/> <p>Ebenſo wenig iſt der Umſtand entſcheidend, ob die Mitglieder<lb/> der Behörden vom Kaiſer oder in deſſen Auftrage ernannt werden<lb/> oder nicht. Denn es iſt völlig zuläſſig, daß der Bundesrath oder<lb/> Reichstag Mitglieder der Behörden ernennt <note place="foot" n="4)">Nicht blos ſie zur Ernennung dem Kaiſer vorſchlägt. Auch hier bieten<lb/> die Reichsſchulden-Kommiſſion und das Bank-Kuratorium Beiſpiele; ferner<lb/> die Reichstags-Beamten u. a.</note> oder daß die<lb/> Einzelſtaaten befugt ſind, Reichsbehörden zu beſetzen <note place="foot" n="5)">z. B. die unteren Aemter der Poſt- und Telegraphen-Verwaltung.</note>. Die<lb/> Regel iſt aber auch hier, daß der Kaiſer die Reichsämter be-<lb/> ſetzt und dieſe Regel iſt verfaſſungsmäßig anerkannt durch den<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0316]
§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
der Staatsämter und Staatsbehörden läßt ſich nun der juriſtiſche
Begriff der Reichsbehörden und ihre ſtaatsrechtliche Stellung im
Verfaſſungsbau des Reiches beſtimmen 1).
1) Reichsbehörden ſind diejenigen Behörden, welche Geſchäfte
des Reiches führen und ihre Autorität unmittelbar von der
Reichsgewalt ableiten.
Dadurch iſt das unterſcheidende Merkmal zwiſchen Reichs- und
Landesbehörden gegeben.
Nicht entſcheidend iſt der Umſtand, ob die Mitglieder der
Behörde Reichsbeamte im Sinne des Reichsbeamten-Geſetzes vom
31. März 1873 ſind oder nicht. Der Begriff der Reichsbeamten
wie ihn dieſes Geſetz aufſtellt, reicht zum Theil viel weiter 2), zum
Theil giebt es Reichsbehörden, deren Mitglieder nicht Reichsbeamte
ſind 3). Der Regel nach ſind aber die Mitglieder der Reichsbe-
hörden zugleich Reichsbeamte.
Ebenſo wenig iſt der Umſtand entſcheidend, ob die Mitglieder
der Behörden vom Kaiſer oder in deſſen Auftrage ernannt werden
oder nicht. Denn es iſt völlig zuläſſig, daß der Bundesrath oder
Reichstag Mitglieder der Behörden ernennt 4) oder daß die
Einzelſtaaten befugt ſind, Reichsbehörden zu beſetzen 5). Die
Regel iſt aber auch hier, daß der Kaiſer die Reichsämter be-
ſetzt und dieſe Regel iſt verfaſſungsmäßig anerkannt durch den
1) Die bisherige Literatur des Reichsſtaatsrechts bietet hierfür Nichts.
In der überwiegenden Mehrzahl aller hierher gehörenden Werke wird dieſe
Lehre völlig übergangen. Die kurze Darſtellung in Thudichum’s Verfaſ-
ſungsr. des Nordd. Bundes S. 219 iſt durch die inzwiſchen erfolgte Fortbil-
dung des Reichsrechts antiquirt. Die dürftigen Bemerkungen bei v. Rönne
S. 181 ff. ſind völlig unbrauchbar; eine ſtaatsrechtliche Erörterung des Be-
hörden-Organismus fehlt bei ihm gänzlich. v. Held Verf. des Deutſchen
Reiches S. 168 ff. beſchränkt ſich auf eine politiſche Kritik und vermag
auch hier in der Reichsverfaſſung faſt Nichts als ein widerſpruchsvolles Chaos
zu erblicken.
2) Siehe unten §. 37.
3) z. B. Die Reichsſchulden-Kommiſſion, das Kuratorium der Reichs-
bank u. a.
4) Nicht blos ſie zur Ernennung dem Kaiſer vorſchlägt. Auch hier bieten
die Reichsſchulden-Kommiſſion und das Bank-Kuratorium Beiſpiele; ferner
die Reichstags-Beamten u. a.
5) z. B. die unteren Aemter der Poſt- und Telegraphen-Verwaltung.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |