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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 32. Begriff und System der Reichsbehörden.
Etat oder durch ein besonderes Kreditgesetz erfolgen dürfe 1). Die
Reichsregierung hat sich dieser Auffassung angeschlossen; in der
Praxis ist sie befolgt worden und der Gesetz-Entwurf über die
Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches v. 29.
Okt. 1874 hat dieselbe gesetzlich sanctioniren wollen, indem §. 8
die Bestimmung enthält 2):
"Gehalt und andere ständige Dienstemolumente dürfen nur
auf Grund des Etats oder eines sonstigen Gesetzes verliehen
werden."

Aus diesem Princip ergeben sich zwei Rechtssätze.

1) Der Kaiser ist nicht befugt, und ebensowenig der Bundes-
rath, ohne Genehmigung des Reichstages neue Reichsämter mit
Fonds zu dotiren.

2) Die Genehmigung des Reichstages zur Errichtung neuer
oder zur Erweiterung bestehender Reichsämter braucht nicht in
einem besonderen Gesetz ausgesprochen zu werden, sondern das
Etatsgesetz eines Jahres kann die dauernde gesetzliche Grundlage
für die Organisation und Dotirung einer Reichsbehörde sein 3).

Mit diesen zwei Sätzen ist die Frage aber nur gestreift, nicht
erschöpfend gelöst. Es bleibt daneben noch die Möglichkeit
zur Schaffung unbesoldeter Aemter, zur Aufhebung be-
stehender Aemter, zur Veränderung des Wirkungskreises und
der Geschäftsvertheilung der Behörden; überhaupt zu allen Ver-
änderungen des Behörden-Systems, welche keine Etats-Ueberschrei-
tungen verursachen.

Als Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Fragen muß man
den Grundsatz anerkennen, daß jede Behörde sowohl für den ihr oblie-
genden Geschäftskreis als für die ihr delegirte Staatsgewalt eine ge-
setzliche Bestimmung zur Grundlage bedarf. Das Gesetz kann diese
Grundlage aber in zweifacher Weise darbieten. Entweder unmittelbar,
indem es die Errichtung einer bestimmten Behörde von fest normirter
Organisation und Wirksamkeit anordnet, oder mittelbar, indem es der
Reichsregierung Aufgaben zuweist, zu deren Durchführung die Errich-
tung von Aemtern erforderlich ist. Auf spezieller gesetzlicher Anordnung

1) Stenogr. Ber. 1867 S. 118 fg. Vgl. Thudichum S. 220.
2) Drucksachen des Reichstages II. Sess. 1874 Nr. 9.
3) Dies ist vielfach der Fall, z. B. hinsichtlich des Reichskanzler-Amtes,
der Admiralität u. s. w.

§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
Etat oder durch ein beſonderes Kreditgeſetz erfolgen dürfe 1). Die
Reichsregierung hat ſich dieſer Auffaſſung angeſchloſſen; in der
Praxis iſt ſie befolgt worden und der Geſetz-Entwurf über die
Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches v. 29.
Okt. 1874 hat dieſelbe geſetzlich ſanctioniren wollen, indem §. 8
die Beſtimmung enthält 2):
„Gehalt und andere ſtändige Dienſtemolumente dürfen nur
auf Grund des Etats oder eines ſonſtigen Geſetzes verliehen
werden.“

Aus dieſem Princip ergeben ſich zwei Rechtsſätze.

1) Der Kaiſer iſt nicht befugt, und ebenſowenig der Bundes-
rath, ohne Genehmigung des Reichstages neue Reichsämter mit
Fonds zu dotiren.

2) Die Genehmigung des Reichstages zur Errichtung neuer
oder zur Erweiterung beſtehender Reichsämter braucht nicht in
einem beſonderen Geſetz ausgeſprochen zu werden, ſondern das
Etatsgeſetz eines Jahres kann die dauernde geſetzliche Grundlage
für die Organiſation und Dotirung einer Reichsbehörde ſein 3).

Mit dieſen zwei Sätzen iſt die Frage aber nur geſtreift, nicht
erſchöpfend gelöſt. Es bleibt daneben noch die Möglichkeit
zur Schaffung unbeſoldeter Aemter, zur Aufhebung be-
ſtehender Aemter, zur Veränderung des Wirkungskreiſes und
der Geſchäftsvertheilung der Behörden; überhaupt zu allen Ver-
änderungen des Behörden-Syſtems, welche keine Etats-Ueberſchrei-
tungen verurſachen.

Als Ausgangspunkt zur Beantwortung dieſer Fragen muß man
den Grundſatz anerkennen, daß jede Behörde ſowohl für den ihr oblie-
genden Geſchäftskreis als für die ihr delegirte Staatsgewalt eine ge-
ſetzliche Beſtimmung zur Grundlage bedarf. Das Geſetz kann dieſe
Grundlage aber in zweifacher Weiſe darbieten. Entweder unmittelbar,
indem es die Errichtung einer beſtimmten Behörde von feſt normirter
Organiſation und Wirkſamkeit anordnet, oder mittelbar, indem es der
Reichsregierung Aufgaben zuweiſt, zu deren Durchführung die Errich-
tung von Aemtern erforderlich iſt. Auf ſpezieller geſetzlicher Anordnung

1) Stenogr. Ber. 1867 S. 118 fg. Vgl. Thudichum S. 220.
2) Druckſachen des Reichstages II. Seſſ. 1874 Nr. 9.
3) Dies iſt vielfach der Fall, z. B. hinſichtlich des Reichskanzler-Amtes,
der Admiralität u. ſ. w.
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[302/0322] §. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden. Etat oder durch ein beſonderes Kreditgeſetz erfolgen dürfe 1). Die Reichsregierung hat ſich dieſer Auffaſſung angeſchloſſen; in der Praxis iſt ſie befolgt worden und der Geſetz-Entwurf über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches v. 29. Okt. 1874 hat dieſelbe geſetzlich ſanctioniren wollen, indem §. 8 die Beſtimmung enthält 2): „Gehalt und andere ſtändige Dienſtemolumente dürfen nur auf Grund des Etats oder eines ſonſtigen Geſetzes verliehen werden.“ Aus dieſem Princip ergeben ſich zwei Rechtsſätze. 1) Der Kaiſer iſt nicht befugt, und ebenſowenig der Bundes- rath, ohne Genehmigung des Reichstages neue Reichsämter mit Fonds zu dotiren. 2) Die Genehmigung des Reichstages zur Errichtung neuer oder zur Erweiterung beſtehender Reichsämter braucht nicht in einem beſonderen Geſetz ausgeſprochen zu werden, ſondern das Etatsgeſetz eines Jahres kann die dauernde geſetzliche Grundlage für die Organiſation und Dotirung einer Reichsbehörde ſein 3). Mit dieſen zwei Sätzen iſt die Frage aber nur geſtreift, nicht erſchöpfend gelöſt. Es bleibt daneben noch die Möglichkeit zur Schaffung unbeſoldeter Aemter, zur Aufhebung be- ſtehender Aemter, zur Veränderung des Wirkungskreiſes und der Geſchäftsvertheilung der Behörden; überhaupt zu allen Ver- änderungen des Behörden-Syſtems, welche keine Etats-Ueberſchrei- tungen verurſachen. Als Ausgangspunkt zur Beantwortung dieſer Fragen muß man den Grundſatz anerkennen, daß jede Behörde ſowohl für den ihr oblie- genden Geſchäftskreis als für die ihr delegirte Staatsgewalt eine ge- ſetzliche Beſtimmung zur Grundlage bedarf. Das Geſetz kann dieſe Grundlage aber in zweifacher Weiſe darbieten. Entweder unmittelbar, indem es die Errichtung einer beſtimmten Behörde von feſt normirter Organiſation und Wirkſamkeit anordnet, oder mittelbar, indem es der Reichsregierung Aufgaben zuweiſt, zu deren Durchführung die Errich- tung von Aemtern erforderlich iſt. Auf ſpezieller geſetzlicher Anordnung 1) Stenogr. Ber. 1867 S. 118 fg. Vgl. Thudichum S. 220. 2) Druckſachen des Reichstages II. Seſſ. 1874 Nr. 9. 3) Dies iſt vielfach der Fall, z. B. hinſichtlich des Reichskanzler-Amtes, der Admiralität u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/322>, abgerufen am 24.11.2024.