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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 32. Begriff und System der Reichsbehörden.
Art. 50 Abs. 2 hinsichtlich der Post- und Telegraphen-Behörden,
im Art 11 hinsichtlich der Beglaubigung von Gesandten; ferner
wohl auch in dem Gesetz wegen Errichtung eines R.-Eisenbahn-
Amtes v. 27. Juni 1873 hinsichtlich der Ernennung von Reichs-
Eisenbahn-Kommissaren u. a.

Dieselben Grundsätze müssen auch hinsichtlich der Aufhebung
von Aemtern gelten. Behörden, welche unmittelbar auf gesetzlicher
Anordnung beruhen, können nur auf Grund eines Gesetzes aufge-
hoben werden. Wenn die Errichtung einer Behörde auf Grund
eines Bundesraths-Beschlusses erfolgt ist, so erfordert auch die
Wieder-Aufhebung derselben einen Bundesraths-Beschluß. Soweit
endlich dem Kaiser die Organisation und administrative Einrichtung
eines Verwaltungszweiges übertragen ist, steht demselben auch die
Befugniß zu, Behörden aufzuheben 1).

V. Für die Gliederung des Behördensystems des Reiches ist
das Prinzip der Centralisation in der strengsten Art durchgeführt.
Die Reichsverfassung sanctionirt dieses Prinzip zwar nicht direct,
aber dennoch in zwingender Weise. Nach dem Art. 17 bedürfen
nämlich alle Anordnungen und Verfügungen des Kaisers zu
ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, wel-
cher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. Da nun der Kaiser
für sämmtliche Geschäftszweige des Reiches die oberste Spitze
bildet und für alle Anordnungen und Verfügungen desselben die
Gegenzeichnung des Reichskanzlers erforderlich ist, so ergiebt sich,
daß der Reichskanzler der einzige und alleinige Minister des Kai-
sers ist, und daß es kein Ressort der Reichsverwaltung geben kann,
dessen oberster Chef nicht der Reichskanzler wäre. Der Reichs-
kanzler hat unter allen Beamten des Reiches keinen Collegen,
sondern nur Gehülfen. Unter den Arten der Reichsbeamten, die
man unterscheiden kann, bildet der Reichskanzler eine Art für sich,
ausgezeichnet durch das Merkmal der sogenannten politischen Ver-
antwortlichkeit, d. h. der obersten, selbstständigen Entscheidung,
so lange ihn der Kaiser an der Spitze der Geschäfte beläßt.

Die Reichsgeschäfte sind nach sachlichen Rücksichten zu Reichs-
ämtern gruppirt und Reichsbehörden überwiesen, von denen zwar

1) Dies ist z. B. hinsichtlich einiger Oberpost-Direktionen, Telegraphen-
Direktionen, Marine-Behörden u. s. w. geschehen.

§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
Art. 50 Abſ. 2 hinſichtlich der Poſt- und Telegraphen-Behörden,
im Art 11 hinſichtlich der Beglaubigung von Geſandten; ferner
wohl auch in dem Geſetz wegen Errichtung eines R.-Eiſenbahn-
Amtes v. 27. Juni 1873 hinſichtlich der Ernennung von Reichs-
Eiſenbahn-Kommiſſaren u. a.

Dieſelben Grundſätze müſſen auch hinſichtlich der Aufhebung
von Aemtern gelten. Behörden, welche unmittelbar auf geſetzlicher
Anordnung beruhen, können nur auf Grund eines Geſetzes aufge-
hoben werden. Wenn die Errichtung einer Behörde auf Grund
eines Bundesraths-Beſchluſſes erfolgt iſt, ſo erfordert auch die
Wieder-Aufhebung derſelben einen Bundesraths-Beſchluß. Soweit
endlich dem Kaiſer die Organiſation und adminiſtrative Einrichtung
eines Verwaltungszweiges übertragen iſt, ſteht demſelben auch die
Befugniß zu, Behörden aufzuheben 1).

V. Für die Gliederung des Behördenſyſtems des Reiches iſt
das Prinzip der Centraliſation in der ſtrengſten Art durchgeführt.
Die Reichsverfaſſung ſanctionirt dieſes Prinzip zwar nicht direct,
aber dennoch in zwingender Weiſe. Nach dem Art. 17 bedürfen
nämlich alle Anordnungen und Verfügungen des Kaiſers zu
ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, wel-
cher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. Da nun der Kaiſer
für ſämmtliche Geſchäftszweige des Reiches die oberſte Spitze
bildet und für alle Anordnungen und Verfügungen deſſelben die
Gegenzeichnung des Reichskanzlers erforderlich iſt, ſo ergiebt ſich,
daß der Reichskanzler der einzige und alleinige Miniſter des Kai-
ſers iſt, und daß es kein Reſſort der Reichsverwaltung geben kann,
deſſen oberſter Chef nicht der Reichskanzler wäre. Der Reichs-
kanzler hat unter allen Beamten des Reiches keinen Collegen,
ſondern nur Gehülfen. Unter den Arten der Reichsbeamten, die
man unterſcheiden kann, bildet der Reichskanzler eine Art für ſich,
ausgezeichnet durch das Merkmal der ſogenannten politiſchen Ver-
antwortlichkeit, d. h. der oberſten, ſelbſtſtändigen Entſcheidung,
ſo lange ihn der Kaiſer an der Spitze der Geſchäfte beläßt.

Die Reichsgeſchäfte ſind nach ſachlichen Rückſichten zu Reichs-
ämtern gruppirt und Reichsbehörden überwieſen, von denen zwar

1) Dies iſt z. B. hinſichtlich einiger Oberpoſt-Direktionen, Telegraphen-
Direktionen, Marine-Behörden u. ſ. w. geſchehen.
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[304/0324] §. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden. Art. 50 Abſ. 2 hinſichtlich der Poſt- und Telegraphen-Behörden, im Art 11 hinſichtlich der Beglaubigung von Geſandten; ferner wohl auch in dem Geſetz wegen Errichtung eines R.-Eiſenbahn- Amtes v. 27. Juni 1873 hinſichtlich der Ernennung von Reichs- Eiſenbahn-Kommiſſaren u. a. Dieſelben Grundſätze müſſen auch hinſichtlich der Aufhebung von Aemtern gelten. Behörden, welche unmittelbar auf geſetzlicher Anordnung beruhen, können nur auf Grund eines Geſetzes aufge- hoben werden. Wenn die Errichtung einer Behörde auf Grund eines Bundesraths-Beſchluſſes erfolgt iſt, ſo erfordert auch die Wieder-Aufhebung derſelben einen Bundesraths-Beſchluß. Soweit endlich dem Kaiſer die Organiſation und adminiſtrative Einrichtung eines Verwaltungszweiges übertragen iſt, ſteht demſelben auch die Befugniß zu, Behörden aufzuheben 1). V. Für die Gliederung des Behördenſyſtems des Reiches iſt das Prinzip der Centraliſation in der ſtrengſten Art durchgeführt. Die Reichsverfaſſung ſanctionirt dieſes Prinzip zwar nicht direct, aber dennoch in zwingender Weiſe. Nach dem Art. 17 bedürfen nämlich alle Anordnungen und Verfügungen des Kaiſers zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, wel- cher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. Da nun der Kaiſer für ſämmtliche Geſchäftszweige des Reiches die oberſte Spitze bildet und für alle Anordnungen und Verfügungen deſſelben die Gegenzeichnung des Reichskanzlers erforderlich iſt, ſo ergiebt ſich, daß der Reichskanzler der einzige und alleinige Miniſter des Kai- ſers iſt, und daß es kein Reſſort der Reichsverwaltung geben kann, deſſen oberſter Chef nicht der Reichskanzler wäre. Der Reichs- kanzler hat unter allen Beamten des Reiches keinen Collegen, ſondern nur Gehülfen. Unter den Arten der Reichsbeamten, die man unterſcheiden kann, bildet der Reichskanzler eine Art für ſich, ausgezeichnet durch das Merkmal der ſogenannten politiſchen Ver- antwortlichkeit, d. h. der oberſten, ſelbſtſtändigen Entſcheidung, ſo lange ihn der Kaiſer an der Spitze der Geſchäfte beläßt. Die Reichsgeſchäfte ſind nach ſachlichen Rückſichten zu Reichs- ämtern gruppirt und Reichsbehörden überwieſen, von denen zwar 1) Dies iſt z. B. hinſichtlich einiger Oberpoſt-Direktionen, Telegraphen- Direktionen, Marine-Behörden u. ſ. w. geſchehen.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/324>, abgerufen am 24.11.2024.