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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
darum handelt, einen rechtswissenschaftlichen, für juristische Deduk-
tionen brauchbaren Begriff aufzustellen, so ist es ein Gebot der
Logik, die wesentlichen Momente scharf auszuscheiden von Allem,
was für den Begriff kein essentiale ist. Für den Begriff des
Beamten ist es nun keineswegs wesentlich, daß der dem Beamten
übertragene Geschäftskreis einen so großen Umfang hat, daß er
die Leistungskraft des Beamten absorbirt, seine Thätigkeit ausfüllt,
den ausschließlichen oder wesentlichen Beruf desselben bildet. Ein
Staatsamt kann sehr wohl eine Nebenbeschäftigung des Beam-
ten bilden.

Für das Reichsrecht ist auch hier jeder Zweifel ausgeschlossen
durch das Reichsbeamtengesetz §. 38, welches ausdrücklich Reichs-
beamte erwähnt, "deren Zeit und Kräfte durch die ihnen über-
tragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch genommen werden."

Wenngleich das Reichsbeamten-Gesetz den Begriff des Beam-
ten nicht definirt, so ergiebt sich doch aus den im Vorstehenden
angeführten Bestimmungen desselben, daß zu den wesentlichen
Momenten dieses Begriffes nicht gehören: eine Besoldung, die
dauernde Uebertragung eines Amtes, Handhabung obrigkeitlicher
Hoheits-Rechte, Selbstständigkeit der Verfügung oder Entschei-
dung, Ausfüllung des Lebensberufes durch die Bekleidung des
Amtes -- also gerade diejenigen Momente, welche regelmäßig als
die erheblichen und wesentlichen angeführt werden. Das öffent-
lichrechtliche Dienstverhältniß bleibt vielmehr als das allein wesent-
liche Begriffs-Moment übrig.

Dasselbe bedarf indeß noch einer näheren jnristischen Bestim-
mung. Es ist bereits hervorgehoben worden, daß dasselbe weder
auf einer obligatorischen Verpflichtung noch auf einer Unterthänig-
keit beruht. Hiermit ist der Gegensatz gegen die bisher in der
Literatur herrschenden Theorien gegeben. In der älteren Zeit
dachte man ausschließlich an ein Dienstverhältniß nach Art des
Privatrechtes 1). Man begann, im Einklang mit den politischen
Zuständen, wie sie bis zum vorigen Jahrhundert herrschend waren,
mit der Auffassung des Rechtsverhältnisses als Prekarium 2).

1) Ueber die verschiedenen Ansichten vgl. Gönner S. 13 ff. Heffter
a. a. O. S. 128 ff. Zachariä Staatsrecht II. §. 135. Daselbst S. 15 ff.
ist die sehr reiche Literatur angegeben.
2) Als Vertreter dieser Ansicht werden vorzugsweise citirt Lud. Hugo

§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
darum handelt, einen rechtswiſſenſchaftlichen, für juriſtiſche Deduk-
tionen brauchbaren Begriff aufzuſtellen, ſo iſt es ein Gebot der
Logik, die weſentlichen Momente ſcharf auszuſcheiden von Allem,
was für den Begriff kein essentiale iſt. Für den Begriff des
Beamten iſt es nun keineswegs weſentlich, daß der dem Beamten
übertragene Geſchäftskreis einen ſo großen Umfang hat, daß er
die Leiſtungskraft des Beamten abſorbirt, ſeine Thätigkeit ausfüllt,
den ausſchließlichen oder weſentlichen Beruf deſſelben bildet. Ein
Staatsamt kann ſehr wohl eine Nebenbeſchäftigung des Beam-
ten bilden.

Für das Reichsrecht iſt auch hier jeder Zweifel ausgeſchloſſen
durch das Reichsbeamtengeſetz §. 38, welches ausdrücklich Reichs-
beamte erwähnt, „deren Zeit und Kräfte durch die ihnen über-
tragenen Geſchäfte nur nebenbei in Anſpruch genommen werden.“

Wenngleich das Reichsbeamten-Geſetz den Begriff des Beam-
ten nicht definirt, ſo ergiebt ſich doch aus den im Vorſtehenden
angeführten Beſtimmungen deſſelben, daß zu den weſentlichen
Momenten dieſes Begriffes nicht gehören: eine Beſoldung, die
dauernde Uebertragung eines Amtes, Handhabung obrigkeitlicher
Hoheits-Rechte, Selbſtſtändigkeit der Verfügung oder Entſchei-
dung, Ausfüllung des Lebensberufes durch die Bekleidung des
Amtes — alſo gerade diejenigen Momente, welche regelmäßig als
die erheblichen und weſentlichen angeführt werden. Das öffent-
lichrechtliche Dienſtverhältniß bleibt vielmehr als das allein weſent-
liche Begriffs-Moment übrig.

Daſſelbe bedarf indeß noch einer näheren jnriſtiſchen Beſtim-
mung. Es iſt bereits hervorgehoben worden, daß daſſelbe weder
auf einer obligatoriſchen Verpflichtung noch auf einer Unterthänig-
keit beruht. Hiermit iſt der Gegenſatz gegen die bisher in der
Literatur herrſchenden Theorien gegeben. In der älteren Zeit
dachte man ausſchließlich an ein Dienſtverhältniß nach Art des
Privatrechtes 1). Man begann, im Einklang mit den politiſchen
Zuſtänden, wie ſie bis zum vorigen Jahrhundert herrſchend waren,
mit der Auffaſſung des Rechtsverhältniſſes als Prekarium 2).

1) Ueber die verſchiedenen Anſichten vgl. Gönner S. 13 ff. Heffter
a. a. O. S. 128 ff. Zachariä Staatsrecht II. §. 135. Daſelbſt S. 15 ff.
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[392/0412] §. 37. Der Begriff der Reichsbeamten. darum handelt, einen rechtswiſſenſchaftlichen, für juriſtiſche Deduk- tionen brauchbaren Begriff aufzuſtellen, ſo iſt es ein Gebot der Logik, die weſentlichen Momente ſcharf auszuſcheiden von Allem, was für den Begriff kein essentiale iſt. Für den Begriff des Beamten iſt es nun keineswegs weſentlich, daß der dem Beamten übertragene Geſchäftskreis einen ſo großen Umfang hat, daß er die Leiſtungskraft des Beamten abſorbirt, ſeine Thätigkeit ausfüllt, den ausſchließlichen oder weſentlichen Beruf deſſelben bildet. Ein Staatsamt kann ſehr wohl eine Nebenbeſchäftigung des Beam- ten bilden. Für das Reichsrecht iſt auch hier jeder Zweifel ausgeſchloſſen durch das Reichsbeamtengeſetz §. 38, welches ausdrücklich Reichs- beamte erwähnt, „deren Zeit und Kräfte durch die ihnen über- tragenen Geſchäfte nur nebenbei in Anſpruch genommen werden.“ Wenngleich das Reichsbeamten-Geſetz den Begriff des Beam- ten nicht definirt, ſo ergiebt ſich doch aus den im Vorſtehenden angeführten Beſtimmungen deſſelben, daß zu den weſentlichen Momenten dieſes Begriffes nicht gehören: eine Beſoldung, die dauernde Uebertragung eines Amtes, Handhabung obrigkeitlicher Hoheits-Rechte, Selbſtſtändigkeit der Verfügung oder Entſchei- dung, Ausfüllung des Lebensberufes durch die Bekleidung des Amtes — alſo gerade diejenigen Momente, welche regelmäßig als die erheblichen und weſentlichen angeführt werden. Das öffent- lichrechtliche Dienſtverhältniß bleibt vielmehr als das allein weſent- liche Begriffs-Moment übrig. Daſſelbe bedarf indeß noch einer näheren jnriſtiſchen Beſtim- mung. Es iſt bereits hervorgehoben worden, daß daſſelbe weder auf einer obligatoriſchen Verpflichtung noch auf einer Unterthänig- keit beruht. Hiermit iſt der Gegenſatz gegen die bisher in der Literatur herrſchenden Theorien gegeben. In der älteren Zeit dachte man ausſchließlich an ein Dienſtverhältniß nach Art des Privatrechtes 1). Man begann, im Einklang mit den politiſchen Zuſtänden, wie ſie bis zum vorigen Jahrhundert herrſchend waren, mit der Auffaſſung des Rechtsverhältniſſes als Prekarium 2). 1) Ueber die verſchiedenen Anſichten vgl. Gönner S. 13 ff. Heffter a. a. O. S. 128 ff. Zachariä Staatsrecht II. §. 135. Daſelbſt S. 15 ff. iſt die ſehr reiche Literatur angegeben. 2) Als Vertreter dieſer Anſicht werden vorzugsweiſe citirt Lud. Hugo

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/412>, abgerufen am 22.11.2024.