Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 38. Die Anstellung der Reichsbeamten. Anstellungsdecret, sagt man, habe den juristischen Charakter einesPrivilegiums, einer lex specialis 1). Allein, wenn man auch davon absehen will, daß bei den An- Der Landesherr, welcher die für den Staatsdienst erforder- 1) So Zöpfl Staatsr. II. §. 515. Zachariä II. §. 135 (S. 27.)
v. Gerber §. 37. Bluntschli Allgem. Staatsr. II. S. 124 (der jedoch den Ausdruck Specialgesetz deshalb vermieden wissen will, weil die Anstel- lung in der Regel nicht durch den gesetzgebenden Körper erfolgt). Pözl im Staatswörterbuch Bd. IX S. 688 und Bayr. Verfassungsr. §. 199 Note 2 (S. 495). v. Rönne Preuß. Staatsr. II. 1 §. 328. Vgl. ferner Mau- renbrecher §. 161. Grotefend §. 673. Schulze Preuß. Staatsr. I. §. 99. Selbst Schmitthenner, der die Anstellung richtig als einen Ver- trag des öffentlichen Rechts auffaßt, legt dessenungeachtet S. 506 dem Anstel- lungsdekret "den Charakter einer lex specialis bei." §. 38. Die Anſtellung der Reichsbeamten. Anſtellungsdecret, ſagt man, habe den juriſtiſchen Charakter einesPrivilegiums, einer lex specialis 1). Allein, wenn man auch davon abſehen will, daß bei den An- Der Landesherr, welcher die für den Staatsdienſt erforder- 1) So Zöpfl Staatsr. II. §. 515. Zachariä II. §. 135 (S. 27.)
v. Gerber §. 37. Bluntſchli Allgem. Staatsr. II. S. 124 (der jedoch den Ausdruck Specialgeſetz deshalb vermieden wiſſen will, weil die Anſtel- lung in der Regel nicht durch den geſetzgebenden Körper erfolgt). Pözl im Staatswörterbuch Bd. IX S. 688 und Bayr. Verfaſſungsr. §. 199 Note 2 (S. 495). v. Rönne Preuß. Staatsr. II. 1 §. 328. Vgl. ferner Mau- renbrecher §. 161. Grotefend §. 673. Schulze Preuß. Staatsr. I. §. 99. Selbſt Schmitthenner, der die Anſtellung richtig als einen Ver- trag des öffentlichen Rechts auffaßt, legt deſſenungeachtet S. 506 dem Anſtel- lungsdekret „den Charakter einer lex specialis bei.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0422" n="402"/><fw place="top" type="header">§. 38. Die Anſtellung der Reichsbeamten.</fw><lb/> Anſtellungsdecret, ſagt man, habe den juriſtiſchen Charakter eines<lb/><hi rendition="#g">Privilegiums</hi>, einer <hi rendition="#aq">lex specialis</hi> <note place="foot" n="1)">So <hi rendition="#g">Zöpfl</hi> Staatsr. <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 515. <hi rendition="#g">Zachariä</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 135 (S. 27.)<lb/> v. <hi rendition="#g">Gerber</hi> §. 37. <hi rendition="#g">Bluntſchli</hi> Allgem. Staatsr. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 124 (der jedoch<lb/> den <hi rendition="#g">Ausdruck</hi> Specialgeſetz deshalb vermieden wiſſen will, weil die Anſtel-<lb/> lung in der Regel nicht durch den geſetzgebenden Körper erfolgt). <hi rendition="#g">Pözl</hi> im<lb/> Staatswörterbuch Bd. <hi rendition="#aq">IX</hi> S. 688 und Bayr. Verfaſſungsr. §. 199 Note 2<lb/> (S. 495). v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> Preuß. Staatsr. <hi rendition="#aq">II.</hi> 1 §. 328. Vgl. ferner <hi rendition="#g">Mau-<lb/> renbrecher</hi> §. 161. <hi rendition="#g">Grotefend</hi> §. 673. <hi rendition="#g">Schulze</hi> Preuß. Staatsr. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> §. 99. Selbſt <hi rendition="#g">Schmitthenner</hi>, der die Anſtellung richtig als einen Ver-<lb/> trag des öffentlichen Rechts auffaßt, legt deſſenungeachtet S. 506 dem Anſtel-<lb/> lungsdekret „den Charakter einer <hi rendition="#aq">lex specialis</hi> bei.“</note>.</p><lb/> <p>Allein, wenn man auch davon abſehen will, daß bei den An-<lb/> ſtellungs-Dekreten die <hi rendition="#g">Form</hi> der Geſetzgebung nicht Anwendung<lb/> findet, ſo iſt doch nicht zu verkennen, daß auch materiell die An-<lb/> ſtellung von Staatsbeamten kein Act der Geſetzgebung, ſondern ein<lb/><hi rendition="#g">Rechtsgeſchäft</hi> iſt.</p><lb/> <p>Der Landesherr, welcher die für den Staatsdienſt erforder-<lb/> lichen Arbeitskräfte durch Anſtellung von Beamten anſchafft, er-<lb/> ledigt dadurch ſtaatliche Verwaltungs-Geſchäfte, aber er ſtellt nicht<lb/> für jeden einzelnen Fall eine beſondere Rechtsnorm auf. Wie faſt<lb/> alle Verwaltungsgeſchäfte werden auch die Anſtellungen in der Form<lb/> der Verfügung erledigt; aber eine ſolche Verfügung iſt keine Ver-<lb/> ordnung im techniſchen Sinne. Man verkehrt doch wahrlich den<lb/> materiellen Begriff des Geſetzes einer ſcholaſtiſchen Formel zu Liebe<lb/> in ſein Gegentheil, wenn man annimmt, daß die Millionen von<lb/> Anſtellungsdekreten der Beamten ebenſo viele Spezialgeſetze ſeien.<lb/> Man kömmt mit dieſer Formel aber überhaupt nur aus bei den<lb/> Staatsbeamten, da nur der Staat Geſetze erlaſſen kann, während<lb/> doch die Anſtellung von Staatsbeamten und die Anſtellung von<lb/> Privatbeamten unter eine gemeinſame Begriffs-Kategorie fallen.<lb/> Die Anſtellung eines Eiſenbahn-Beamten an einer Privatbahn iſt<lb/> ein Rechtsgeſchäft, an einer Staatsbahn ſoll ſie ein Geſetzgebungs-<lb/> Akt ſein! Der königl. Förſter ſoll durch <hi rendition="#aq">lex specialis</hi> ſein Amt<lb/> haben, der Förſter des Standesherrn durch Vertrag! Den Beamten<lb/> der Städte und Landgemeinden ſchreibt man die Eigenſchaft mit-<lb/> telbarer Staatsbeamten zu und in jedem Falle ſind ſie öffentliche<lb/> Beamte. Haben nun auch die Gemeinden die Befugniß, Spezial-<lb/> geſetze zu erlaſſen und machen ſie von derſelben bei der Ernennung<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [402/0422]
§. 38. Die Anſtellung der Reichsbeamten.
Anſtellungsdecret, ſagt man, habe den juriſtiſchen Charakter eines
Privilegiums, einer lex specialis 1).
Allein, wenn man auch davon abſehen will, daß bei den An-
ſtellungs-Dekreten die Form der Geſetzgebung nicht Anwendung
findet, ſo iſt doch nicht zu verkennen, daß auch materiell die An-
ſtellung von Staatsbeamten kein Act der Geſetzgebung, ſondern ein
Rechtsgeſchäft iſt.
Der Landesherr, welcher die für den Staatsdienſt erforder-
lichen Arbeitskräfte durch Anſtellung von Beamten anſchafft, er-
ledigt dadurch ſtaatliche Verwaltungs-Geſchäfte, aber er ſtellt nicht
für jeden einzelnen Fall eine beſondere Rechtsnorm auf. Wie faſt
alle Verwaltungsgeſchäfte werden auch die Anſtellungen in der Form
der Verfügung erledigt; aber eine ſolche Verfügung iſt keine Ver-
ordnung im techniſchen Sinne. Man verkehrt doch wahrlich den
materiellen Begriff des Geſetzes einer ſcholaſtiſchen Formel zu Liebe
in ſein Gegentheil, wenn man annimmt, daß die Millionen von
Anſtellungsdekreten der Beamten ebenſo viele Spezialgeſetze ſeien.
Man kömmt mit dieſer Formel aber überhaupt nur aus bei den
Staatsbeamten, da nur der Staat Geſetze erlaſſen kann, während
doch die Anſtellung von Staatsbeamten und die Anſtellung von
Privatbeamten unter eine gemeinſame Begriffs-Kategorie fallen.
Die Anſtellung eines Eiſenbahn-Beamten an einer Privatbahn iſt
ein Rechtsgeſchäft, an einer Staatsbahn ſoll ſie ein Geſetzgebungs-
Akt ſein! Der königl. Förſter ſoll durch lex specialis ſein Amt
haben, der Förſter des Standesherrn durch Vertrag! Den Beamten
der Städte und Landgemeinden ſchreibt man die Eigenſchaft mit-
telbarer Staatsbeamten zu und in jedem Falle ſind ſie öffentliche
Beamte. Haben nun auch die Gemeinden die Befugniß, Spezial-
geſetze zu erlaſſen und machen ſie von derſelben bei der Ernennung
1) So Zöpfl Staatsr. II. §. 515. Zachariä II. §. 135 (S. 27.)
v. Gerber §. 37. Bluntſchli Allgem. Staatsr. II. S. 124 (der jedoch
den Ausdruck Specialgeſetz deshalb vermieden wiſſen will, weil die Anſtel-
lung in der Regel nicht durch den geſetzgebenden Körper erfolgt). Pözl im
Staatswörterbuch Bd. IX S. 688 und Bayr. Verfaſſungsr. §. 199 Note 2
(S. 495). v. Rönne Preuß. Staatsr. II. 1 §. 328. Vgl. ferner Mau-
renbrecher §. 161. Grotefend §. 673. Schulze Preuß. Staatsr. I.
§. 99. Selbſt Schmitthenner, der die Anſtellung richtig als einen Ver-
trag des öffentlichen Rechts auffaßt, legt deſſenungeachtet S. 506 dem Anſtel-
lungsdekret „den Charakter einer lex specialis bei.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |